Entwicklung des Ford GT
Sportwagen-Waffe aus dem Geheim-Keller

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Wo entsteht wohl ein rund 450.000 US-Dollar teurer Sportwagen? Im sonnigen Kalifornien? Im verrückten Tokio? In der Heimat der Autobahn, Deutschland? Nein. Im tristen Dearborn, Michigan. In einem noch tristeren Keller. Wir waren dort, wo der Ford GT entwickelt wurde.

Ford GT Heritage-Edition Gulf Oil
Foto: Ford

Echte Überraschungen tauchen auf Automessen kaum mehr auf, meist schwappen alle Neuheiten bereits vor der Eröffnung durchs Internet. Der Ford GT kam auf der Auto Show in Detroit im vergangenen Jahr dagegen wie Kai aus der Kiste – besser gesagt: aus dem Keller. Denn in einem fad-grauen Kellerraum, vielleicht 80 Quadratmeter groß, irgendwo in den Katakomben des Entwicklungs- und Designzentrum des Konzerns in Dearborn, ging es 14 Monate hoch her. Nur 12 von insgesamt 600 Mitarbeitern waren involviert, nichts durfte nach außen dringen, alles streng geheim. „Daher haben wir diesen Raum gewählt, denn hier kommt kaum jemand vorbei und wenn doch, vermutet er sicher kaum, das hinter den Türen der Design Milling and Measurement Group derart spektakuläres passiert“, sagt Design Direktor Chris Svensson.

Unsere Highlights

Ford GT von blau auf weiß umlackiert

Tatsächlich gäbe es keinen Grund, hier länger zu bleiben, denn selbst eine Bahnhofs-Unterführung vermittelt mehr emotionale Wärme. In den großen Regalen der langen Gänge liegen Negativ-Formen von Felgen und Karosserieteilen sowie Rohstoffblöcke für den Modellbau. Dann öffnen sich die Türen zu eben jenem Raum, große Fotowände stehen an den Seiten, zeigen diverse Entwürfe des GT, drei kleinere Ton-Modelle stehen auf einem Tisch, rechts dahinter reckt sich der ausfahrbare Flügel eines lebensgroßen GT in die Höhe.

Du biegst um die Ecke, dann stehen gleich drei der Supersportwagen vor dir, einer in grau, zwei in weiß. „Der mittlere ist das Auto, das sie von der Messe kennen“, erklärt Chef-Entwickler Jamal Hameedi. Aber warum glänzt es nicht mehr in blau? „Da wir den GT auch in weiß anbieten, wollten wir erst testen, wie die Farbe auf dem echten Auto wirkt“, sagt Hameedi.

Entwicklungsziel für Ford GT: Le-Mans-Sieg, sonst nichts

Ansonsten kümmerte sich das Team relativ wenig um kosmetische Details, denn die Funktion diktierte das gesamte Projekt. Hameedi referiert: „Der GT soll in der Lage sein, wie sein Vorbild aus den sechziger Jahren, die 24 Stunden von Le Mans zu gewinnen. Für die Homologation benötigt er allerdings auch eine Straßenzulassung. Im Gegensatz zu anderen Supersportwagen war uns aber egal, ob noch Gepäck oder gar ein Golfbag ins Auto passt.“ Tatsächlich diktierten die Position des Fahrers und des Antriebs die Form, die vor allem die so genannten Negativ-Volumina prägen, also beispielsweise jene Schächte, die von den Türen zwischen den hinteren Radkästen und dem Motorraum zum Flügel verlaufen. Sie ermöglichen eine optimale Aerodynamik, generieren zusammen mit dem Flügel Abtrieb.

Im Gegensatz zum ersten Showcar bestehen die seitlichen Lufteinlassgitter nicht mehr aus Kunststoff sondern aus dünnem Metall, der Stabilität und Wertigkeit wegen, ohne Gewichtsnachteil natürlich. Zudem fallen die Außenspiegel größer aus, weil das die EU-Homologation so vorsieht. „Das Fahrzeug wird nur in einer Spezifikation gebaut, die auf allen wichtigen Märkten zulassungsfähig sein wird“, sagt Designer Svensson. Das beinhaltet natürlich auch die starre Position des Fahrersitzes, das spart den Verstellmechanismus und ermöglicht so eine niedrigere Einbauhöhe für einen tieferen Schwerpunkt. Stattdessen lassen sich Lenkrad samt Instrumententräger und Pedalerie verstellen.

Ladedruck und endgültige PS-Zahl für Ford GT noch unklar

Probesitzen? „Nein, noch nicht“, sagt Svensson. Man wolle das erst in einem fertigen Produktionswagen erlauben. Blöd nur, dass wir dann sicher gleich fahren möchten... Wie auch immer. Zurück zum Design. Die beiden relativ kleinen Turbolader des über 600 PS starken V6-Triebwerks sitzen tief seitlich am Motor, in etwa mittig unterhalb der Luftschächte.

Derzeit kämpfen die Entwickler noch damit, den optimalen Ladedruck zu finden, da zu viel davon für einen Rückstau der Ladeluft sorgt. Daher existiert noch immer keine endgültige Leistungsangabe. Hinsichtlich der Fahrdynamik galt übrigens der Ferrari 458 Speciale als Maßstab. Neben dem Italiener zählen Corvette, Porsche und Aston Martin zu den Kalibern, die es in Le Mans zu schlagen gilt. Ob es jedoch nicht ein bisschen zu einfach ist, dort mit einem reinrassigen Rennwagen gegen die Ableitungen alltagstauglicher Sportwagen anzutreten? Hameedi verneint: „Keine Sorge, die Balance of Performance wird schon für Chancengleichheit sorgen.“

Derzeit entstehen die Rennversionen, die Straßenvarianten folgen danach. 250 Exemplare sollen pro Jahr entstehen. An was sie wohl danach im tristen Kellerraum arbeiten werden? Vielleicht an einem kleineren, erschwinglicheren GT? Was auch immer es sein wird: Wir lassen uns gerne wieder überraschen.