20 Jahre Porsche Carrera GT
Meisterstück mit Renntechnik, von Röhrl abgestimmt

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Im Porsche Carrera GT stecken Le-Mans-Gene, Mut und Können. Kaum zu glauben, dass die Premiere schon vor 20 Jahren war. Die Preise liegen heute bei rund 600.000 Euro. Manchmal wird einer verkauft.

Porsche Carrera GT (2003) Stilfser Joch
Foto: Porsche AG

Eigentlich wollte Porsche einen Rennwagen für das 24h-Rennen in Le Mans entwickeln. Doch das Rennprojekt wurde verworfen. Pfiffige Ingenieure übernahmen vom Prototypen das Chassis, das Fahrwerk sowie den neuentwickelten V10-Saugmotor und das Sechs-Gang-Schaltgetriebe in eine Sportwagen-Studie.

Premiere vor 20 Jahren in Paris

Porsche Carrera GT (2000) Walter Röhrl Arc de Triomphe Paris
Porsche
Walter Röhrl fuhr zur Premiere im Carerra GT durch Paris.

Präsentiert wurde diese erstmals am 28. September 2000 im Pariser Louvre als Carrera GT. Zur Premiere vor 20 Jahren bezeichnete Porsche den Supersportwagen mit Renntechnik noch als "seriennahe Sportwagen-Studie." Daten gab die Pressemeldung damals trotzdem preis: "Die Beschleunigung von 0 auf 100 liegt bei unter vier Sekunden; die von 0 auf 200 Stundenkilometer bei unter zehn Sekunden. Das Drehzahlband des Mittelmotor-Roadsters reicht bis über 8.000 Umdrehungen pro Minute."

Unsere Highlights

Rennwagentechnik für die Straße

Der Porsche Carrera GT bietet damit reinste Rennwagentechnik für die Straße, die damals noch Zukunftsmusik war und einen technologischen Meilenstein bedeutete. So basiert der Mittelmotor-Roadster auf einem neuen Konstruktions-Konzept, bei dem das Monocoque sowie alle Aggregateträger aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) gefertigt werden. Das Ergebnis ist ein Gesamtgewicht der Studie von lediglich 1.250 kg, die spätere Serienversion des Porsche Carrera GT wiegt 130 kg mehr.

Porsche Carrera GT (2003)
Porsche AG
Klassische Mittelmotor-Proportionen und die flache Silhouette prägen den Auftritt des Carrera GT.

Zurück zur Nordschleife. Während der Sportwagen bereits auf Fotos sehr dynamisch wirkt, vermittelt das Höhe-Breite-Verhältnis von 1,16 zu 1,92 m von vorne den Eindruck eines plattgedrückten Elfers, denn die Front ähnelt der Porsche-Ikone. Erst die Seitenansicht des 4,61 m langen Supersportlers mit einem Radstand von 2,73 m offenbart das Mittelmotorkonzept, da sich hinter der Fahrgastzelle die langgestreckte Motorabdeckung anschließt. Ganz futuristisch erscheint das Heck mit den zwei hochgelegten Auspuffendrohren. Letztere posaunen die Musik des Zehnzylinder-Orchesters so fulminant in die Umgebung, dass bereits im Stand die Nackenhärchen mitschwingen.

Porsche Carrera GT mit 612 PS starkem V10-Motor

Porsche Carrera GT
Porsche
Das Getriebe wird am V-10-Saugmotor des Carrera GT angeflanscht.

Als Kraftquelle dient im Porsche Carrera GT ein reinrassiges Renntriebwerk mit Trockensumpfschmierung, bei dem der Hubraum von 5,5 auf 5,7 Litern erhöht wurde. Dadurch beträgt die maximale Leistungsausbeute des V10-Saugmotors 612 PS bei 8.000/min. Bei 5.750/min liegt das maximale Drehmoment von 590 Nm an. Für die Kraftübertragung entwickelten die Porsche-Ingenieure eine Keramik-Kupplung, die Sprintzeiten von 3,9 Sekunden auf Tempo 100 und 9,9 Sekunden bis 200 km/h ermöglicht.

Die Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h auf gerader Strecke sei kein Problem, meint Walter Röhrl, der maßgeblich bei der Abstimmung des Porsche Carrera GT mitwirkte. Diese fand natürlich größtenteils auf der Nordschleife statt, wo wir die beiden Überflieger damals auch getroffen haben. Allerdings ergänzt der Profi, dass sich im Grenzbereich sofort der Renncharakter zeigt und warnt eindringlich vor der Deaktivierung der Traktionskontrolle.

Dabei ist die Schlupfregelung der einzige Helfer an Bord, denn der Sportwagen-Purist verzichtet auf eine Launch Control, verschiedene Fahrmodi und sogar ESP.

Handarbeit made in Germany

Im August 2003 begann die Serien-Produktion des Extremsportlers im Porsche-Werk in Leipzig. Da die Fertigung weitgehend von Hand erfolgte, wurden maximal drei Modelle pro Tag fertiggestellt. Rund 130 Stunden kalkulierte der Konzern für den Aufbau ein und weitere 45 Stunden wurden für die Motormontage benötigt. Während anfangs eine Limitierung auf 1.500 Einheiten angekündigt wurde, lief im April 2006 der letzte Supersportwagen vom Band – es wurden bis dahin allerdings nur 1.270 Exemplare gefertigt.

Porsche Carrera GT
Porsche
Viel Handarbeit: Durch das Einsetzen kleiner Metall-Scheiben wird das Axialspiel der Kurbelwelle im V-10-Saugmotor des Carrera GT bestimmt.

Rennwagentechnik will gemeistert werden 

Problemlos gleitet der Supersportwagen selbst im Bummeltempo durch den Stadtverkehr. Der leichte Buchenholzschalthebel liegt optimal in der Hand. Mit dem großen Lenkrad lässt sich der Porsche Carrera GT zielgenau dirigieren und selbst das Fahrwerk mit Doppelquerlenker-Pushrodachsen vorn und hinten bietet einen erstaunlichen Komfort. Dabei scheint man die Straßen aufzusaugen und schwebt wie im Tiefflug darüber. Als Anker dient die Keramikbremse, die in der Praxis ebenso problemlos funktioniert wie die Zweischeiben-Trockenkupplung. Übung macht den Meister.

Sportwagen für knapp eine halbe Million war ein Erfolg

Porsche Carrera GT Produktion Leipzig (2004)
Porsche
Porsche baute im Leipziger Werk 1.270 Carrera GT.

In Deutschland wurden mindestens 452.690 Euro für den Porsche Carrera GT aufgerufen. Mit Sonderlackierungen und Individualausstattungen ließ sich der Preis auch auf eine halbe Million steigern. Ein erfolgreiches Konzept, wie Wendelin Wiedeking, damals Porsche-Vorstandsvorsitzender, bestätigte: "Mit dem Carrera GT hat Porsche darüberhinaus auch Geld verdient. Insofern ist dieser Sportwagen wie geplant auch zu einem wirtschaftlichen Erfolg für unser Unternehmen geworden." Fast die Hälfte aller Porsche Carrera GT wurde nach Nordamerika verkauft. Größere Stückzahlen wurden auch auf den klassischen Porsche-Märkten Deutschland, Großbritannien, Italien sowie im Mittleren Osten abgesetzt.

Porsche Carrera GT mit Nordschleifen-Rekord

Porsche Carrera GT (2003) Walter Röhrl Driving Center Groß Dölln
Porsche AG
Walter Rörl half, das Fahrverhalten des Carrera GT abzustimmen.

Bei den Testfahrten mit dem Porsche Carrera GT-Vorserienmodell auf der Nordschleife erzählte Walter Röhrl noch Details zur Rundenzeit: "Wir haben mit 7.57 Minuten angefangen, dann 7.43 und 7.40. Jetzt bin ich bei 7.37 Minuten, aber so richtig ernsthaft bin ich noch nicht auf Zeit gefahren."

Horst von Saurma, Chefredakteur von sport auto, hat mit dem Porsche Carrera GT im Supertest 2004 die Nürburgring-Nordschleife in 7.32 Minuten umrundet. "Es war ein Ritt auf Messers Schneide. Die Strecke war an einigen Stellen schmutzig, was die Sache nicht einfacher machte", strahlte der Kollege, der damit damals den Rekord für die schnellste gemessene Rundenzeit eines Straßensportlers aufstellte.

Sicherlich haben bei der Rekordfahrt ebenfalls Leute an der Döttinger Höhe gestanden und das durch Mark und Bein gehende Grollen vernommen. Wer selbst den Fahrersitz entern will, muss einen der gebrauchten Porsche Carrera GT erwerben, allerdings sind dafür mindestens 600.000 Euro fällig.

Porsche Carrera GT
Technische Daten
Premiere:Studie 2000, Serie 2003 Paris
Bauzeit:2003 - 2006
Stückzahl:1270 Exemplare
Motor:V10-Zylinder-Saugmotor
Hubraum:5.733 ccm
Leistung:612 PS
bei8.000/min.
Drehmoment:590 Nm
bei5.750/min.
Getriebe:Manuelles Sechsgang-Getriebe
0 bis 100 km/h<4 s (Hersteller)
0 bis 200 km/h<10 s (Hersteller)
V-Max:>330 km/h (Hersteller)
Leergewicht:1.380 kg (Hersteller)
Länge:4.613 mm
Breite:1.921 mm
Höhe:1.166 mm
Radstand:2.730 mm

Fazit

Sechsgang-Schaltgetriebe und Zehnzylinder-Saugmotor sind nicht die einzigen Vorzüge des Porsche Carrera GT. Direktes Ansprechen von Motor, Lenkung und Getriebe lassen jeden schwärmen, der je einen fuhr. Das Fehlen moderner Assistenten und die bissige Keramikkupplung machen das Fahren zu einer Herausforderung. Porsche hat mit dem Carrera GT nicht nur ein Technikdenkmal gebaut, sondern auch einen der faszininierendsten Sportwagen der 2000er-Jahre.

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Youngtimer 01 / 2024
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Erscheinungsdatum 04.01.2024

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