Mein 1. Mal Langstrecke im E-Auto
Mit Opels Ampera-e gegen die Reichweitenangst

Im Rahmen der i-Mobility Rallye durften zwei Kolleginnen den Opel Ampera-e mehr als 150 Kilometer über Landstraßen auf der schwäbischen Alb fahren. Ein Erfahrungsbericht.

Opel Ampera-e auf der iMobility Rallye
Foto: Achim Hartmann

Nein, ich bin 2019 natürlich nicht das erste Mal Elektroauto gefahren. Die Car2Go E-Smarts habe ich mehrere Jahre exzessiv genutzt, allerdings immer nur in der Innenstadt und selten mehr als zehn Kilometer. Aber schon auf derlei kurzen Strecken hatte ich je nach Ladezustand des Akkus und je nach Wetterbedingungen manchmal ein ungutes Gefühl. Komme ich auch an, wenn ich die Klimaanlage oder Heizung auf volle Pulle laufen lasse? Wie viel Strom zieht eigentlich das Radio? Gibt es eine freie Ladestation an meinem Zielort? Reichweitenangst nennt man das, was E-Auto-Anfänger besonders beschäftigt.

Unsere Highlights

Und jetzt sollen wir im Rahmen der i-Mobility eine über 100 Kilometer lange Strecke mit dem Ampera-e fahren? Meine Beifahrerin Madeleina Schwantes und ich sind uns sofort einig: Von den beiden Routenoptionen – 127 oder 150 Kilometer – wählen wir die kürzere. Sicher ist sicher. Wir sind schließlich mit einem vollelektrischen Auto ohne Notfalltank unterwegs. „Um die 400 Kilometer Reichweite sind mit dem Opel locker drin“, gibt mir ein Kollege von auto motor und sport mit auf den Weg. Trotzdem.

Was ist, wenn wir liegenbleiben?

Wir haben wirklich keine Lust bei acht Grad und Regen mit leeren Batterien auf der Landstraße stehen zu bleiben. Was wäre dann überhaupt? Kann man ein Elektroauto überhaupt abschleppen? Also, mit Seil und so? Gibt es da überhaupt einen Leerlauf? Der Opel Ampera-e gibt uns schon auf dem Parkplatz vor dem Start die Antwort. Als wir alles für uns einstellen und das Auto probehalber starten und wieder parken, rollt er noch. Hoppla, die elektronische Parkbremse hatte ich nicht gezogen. In der Bedienungsanleitung steht außerdem, dass man den Wählhebel während der Fahrt in die N-Stellung bringen kann. Zur Not ließe sich der Ampera-e also ganz normal abschleppen. Der ADAC, der die i-Mobility-Rallye begleitet – und auch selbst mit fünf Teams startet – wäre auf alle Eventualitäten eingestellt.

Opel Ampera-e auf der iMobility Rallye
Achim Hartmann
Eine von sieben Wertungsprüfungen: Vorher abschätzen, wie tief der Tennisball hängen muss, um bei der Durchfahrt noch 10 cm Abstand zum Autodach zu haben. Wir lagen mit 7 cm nur 3 cm daneben.

Wir nehmen doch die lange Route

Nach den ersten 60 Kilometern fahren wir im Schloss Weitenburg zur Mittagspause ein. Von den anfänglichen 360 Kilometern zeigt der Ampera-e nun noch gute 300 Kilometer Reichweite an. Wir suchen die Rennleitung auf. Erstens haben wir unterwegs alle Reichweitenängste von Bord geworfen. Zweitens machen uns die Rallye im Allgemeinen und die Fahrerei mit dem Opel im Speziellen so viel Spaß, dass wir abklären möchten, ob wir doch die lange Route fahren dürfen. Wir dürfen. Und wir können.

Landstraße, Landsträßchen, Waldwege

Und wie! Das Reglement betont, dass die i-Mobility Rallye als eine „Gleichmäßigkeits- und Zuverlässigkeitsprüfung“ ausdrücklich nicht „auf das Erzielen von Höchstgeschwindigkeiten“ ausgerichtet ist. Wir bewegen uns auch immer StVo-konform. Aber es fällt schwerer als ich es erwartet hätte. 360 Newtonmeter liegen aus dem Stand an, 204 PS leistet der Ampera-e. Bei schön geschwungenen Sträßchen mit ausgezeichnetem Asphalt muss sich der Gasfuß da ganz schön zurückhalten. Immer wieder schiele ich auf den digitalen Tacho, um mich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Denn ohne Motorgeräusch verliert man schnell das Gefühl fürs Tempo. Und auch sonst ist wenig zu hören. Fahrtwind? Davon bekommen wir erst etwas mit, als sich der Startnummernaufkleber oben an der Windschutzscheibe etwas löst und bis zum nächsten Halt Radau macht. Auch die Abrollgeräusche der Reifen sind nicht der Rede wert. Sehr angenehm für die Insassinnen über Land.

Opel Ampera-e auf der iMobility Rallye
Achim Hartmann
Um sich bei solchen Sträßchen an die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Landstraße zu halten, ist beim Opel Ampera-e schon eiserne Disziplin angesagt. Die Kurverei macht großen Spaß und ist so leise, dass es den regelmäßigen Blick auf den Tacho braucht.

Passanten sind oft nach Gehör unterwegs

Bei den Ortsdurchfahrten ist hier allerdings doppelte Vorsicht gefragt. Viele Passanten laufen „nach Gehör“ über die Straße. Vor allem wenn kein fahrradfreundliches Wetter ist, halten es einige nicht für nötig, den Kopf zu drehen bevor sie die Straße überqueren. Und wir sind mit dem Opel Ampera-e eben nicht lauter unterwegs als ein Fahrrad– egal ob wir 20, 30 oder 50 km/h fahren. Angenehm für die Anwohner, schön für die Insassinnen, äußerst gewöhnungsbedürftig für alle Verkehrsteilnehmer.

Ein-Pedal-Betrieb

Gewöhnungsbedürftig ist auch das Motorbremsmoment beim Ampera-e, wenn der Wählhebel nicht auf „D“ sondern auf „L“ steht. In der Betriebsanleitung wird „L“ als „niedrige Fahrstufe mit hoher Rückgewinnung“ beschrieben. In der Praxis heißt das: Der für Automatikfahrer gewöhnliche „Einbein-Betrieb“ reduziert sich sogar noch um die Bremse auf einen „Ein-Pedal-Betrieb“. Auf den ersten Kilometern trete ich wie gewohnt auf die Bremse. Da der Motor sich aber schon fleißig Energie zurückholt, sobald ich meinen Fuß vom Gas nehme und die normale Bremskraft noch oben drauf kommt, muss ich mich bei der Anfahrt auf die nächsten beiden Kreisverkehre bei meinen Beifahrerinnen entschuldigen: „Hoppla!“

Rückbank-Komfort im Opel Ampera-e

Für Beifahrerin und Junior Social Media Managerin Madeleina Schwantes ist das nicht der Rede wert; nebenher Roadbook lesen, Straßenschilder scannen, Notizen machen – ihr wird auch auf kurvigen Straßen nicht übel. Aber wie ist das bei der Dritten im Bunde? Vanessa Hahn, die wie Madeleina unter anderem die Social Media-Kanäle von auto motor und sport betreut, sitzt auf der Rückbank, dokumentiert und filmt für Instagram sowie Facebook und postet fleißig. „Ein bisschen schwummrig wurde es mir schon manchmal.“ Sie vermutet, dass das am fehlenden Motorgeräusch liegt, das dem Körper akustisch signalisiert, wenn er beschleunigt oder runtergebremst wird. „Die Verzögerung fühlt sich als Mitfahrer im Elektroauto einfach anders an. Der Körper kann sich noch weniger darauf einstellen, was als nächstes passiert.“ Doch auch ihr wurde nicht schlecht. Anerkennend lobt sie den Komfort und das Platzangebot im Fond des Ampera-e.

Komfort und Alltagstauglichkeit

Komfortmäßig liegt der vollelektrische Opel auch bei mir ganz weit vorne. Fahrersitz und alles was dazu gehört sind ruckzuck auf meine 1,58 Meter Körpergröße eingestellt. Selbst nach über 150 Kilometern zwickt die Kante der Sitzfläche nicht in den Kniekehlen. Sie lachen jetzt womöglich, aber das ist bei meiner Körpergröße tatsächlich ein Thema. Bei Autos mit Schaltgetriebe umso mehr, da kann es schon nach 30 Kilometern zu ungemütlichen Rückenschmerzen kommen. Aber das ist ein anderes Thema, denn der Opel Ampera-e hat keine Kupplung und sticht in Sachen Sitzkomfort vorbildlich heraus: Vorne sehr bequem, hinten mit viel Platz und im Kofferraum mit reichlich Ladevolumen.

Wie es denn mit der Einstiegshöhe sei, fragt mich ein Ehepaar auf dem Rottenburger Marktplatz, das sei bei einem so schnittigen Wagen wahrscheinlich nicht rentnergerecht, oder? Oh, doch. Komfortabler geht’s kaum. Ich öffne die Fahrertür, verlasse das Sitzpolster und steige wieder ein – alles ohne nennenswerte Höhenzentimeter zurückzulegen. Die beiden sind angetan.

„Und haben Sie nicht Angst, mit dem Auto liegen zu bleiben?“ Ich verstehe die Befürchtung seit 50 Kilometern nicht mehr und kann das dem Pärchen auch glaubhaft vermitteln. Tatsächlich kann ich mir zum ersten Mal vorstellen, ein voll elektrisches Auto wie den Ampera-e als Erst- und Einzigwagen zu fahren. 400 Kilometer Reichweite würden mir locker für zwei Wochen reichen. Zumal er an einer Schnellladestationen innerhalb 30 Minuten 150 Kilometer Reichweite tanken können soll. An einer 4,6-kW-Ladestation wären es immerhin noch 12 Kilometer, an einer Haushaltssteckdose 6 Kilometer Reichweite.

Preise im Vergleich

Wie viel der Wagen denn koste, wollen die beiden noch wissen, bis wir lautlos über den Marktplatz weiterrollen. Als Basispreis gibt Opel für den Ampera-e im Konfigurator derzeit rund 43.000 Euro an. Immerhin rollt er mit einer Batteriekapazität von 60 Kilowattstunden (kWh) an. Im Vergleich zu Mitbewerbern wie dem Nissan Leaf (ab 36.800 Euro; 40 kWh; ca. 270 bis 385 Km Reichweite), dem VW e-Golf (ab rund 36.000 Euro; 36 kWh; ca. 300 Km Reichweite ) und dem Hyundai Ioniq (ab rund 25.000 Euro; 28 kWh; ca. 63 bis 280 Km Reichweite) steht er damit verhältnismäßig ordentlich da.

Fazit

Die gut 150 Kilometer mit dem Opel Ampera-e waren für mich die erste Überlandfahrt mit einem Elektroauto, das nicht nur auf den urbanen Kurzstreckenverkehr ausgelegt ist. Sie haben mich von der Reichweitenangst befreit und kann mir meinen Autoalltag sehr gut rein elektrisch vorstellen.

Ich habe mich in den paar Stunden während der i-Mobility Rallye, schon so dermaßen an den Ampera-e gewöhnt, dass ich tags drauf mein Auto nicht mehr starten konnte. Es hat eine Sekunde gedauert, bis ich begriffen habe, dass sich der olle Schaltbenziner nicht für den Ein-Pedal-Betrieb eignet. Und laut isser. Und stinken stinken tut er auch…

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten