Solar-Stromerzeugung für Elektroautos
Ein Viertel der Braunkohletagebau-Flächen reicht

Elektroautos fahren mit Strom, aber nicht CO2-frei, wenn der aus fossilen Energieträgern entsteht. Wie viel Solarfläche bräuchten E-Autos, wie viel Deutschland, wie viel die ganze Welt, um genug elektrische Energie zu erzeugen? Rechenbeispiele und ein Blick in die Zukunft.

Deutschland Kohle Fläche Photovoltaik
Foto: pixabay / Patrick Lang

Am Beispiel des Mercedes EQS wird klar, dass die Reichweite von E-Autos immer weniger zum Totschlagargument gegen batterieelektrische Fahrzeuge taugt, zumal auch die Ladegeschwindigkeit sich allmählich Richtung Tankgeschwindigkeit weiterentwickelt. (Der EQS lädt durchschnittlich mit 163 kW, seine rund 108 kWh große Batterie hat er dementsprechend in 30 Minuten zu 80 Prozent geladen. Damit kommt er gut 540 Kilometer weit – in der Praxis, mit mehr als 100 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit).

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Damit kann wieder in den Vordergrund treten, wo der Schwenk zum E-Antrieb herkommt: Er hat im Auto einen gut dreimal besseren Wirkungsgrad und er nutzt elektrische Energie – damit fahren wir lokal emissionsfrei und können potenziell (nahezu) CO2-frei fahren.

Wie viel Solarfläche bräuchten wir in Deutschland?

Allerdings nur, wenn wir den Strom nicht-fossil erzeugen. Zum Beispiel mit Solarzellen, die bei Anwohnern auf weniger Widerstand stoßen als beispielsweise Windräder. Aber sie verbrauchen vergleichsweise viel Fläche. Da stellt sich die Frage: Ist die vergleichsweise moderat von der Sonne beschienene Fläche Deutschlands überhaupt ausreichend, um das ganze Land mit Solarstrom zu versorgen? Denn der Gesamtstrombedarf Deutschlands lag 2019 bei 512 Milliarden kWh und wenn wir alle Pkw batterieelektrisch betreiben wollten, bräuchten wir dafür 140 Milliarden kWh.

Martin Doppelbauer, der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die Professur für Hybride Elektrische Fahrzeuge hält, hat dazu eine spannende Abschätzung gemacht: Aktuelle Solarmodule leisten bei voller Einstrahlung 400 Watt (peak). Sie sind typischerweise etwa 1,6 Quadratmeter groß. In Deutschland bringen sie verrechnet mit den Sonnenstunden und deren Intensität im Schnitt pro Jahr etwa 1000 kWh pro kW Peakleistung (kWp). Auf einer Fläche von 2300 km² ließen sich so 580 Milliarden kWh pro Jahr erzeugen – also mehr als genug, um den Strombedarf zu decken. Nun sind 2300 km² nicht wenig. Das entspricht gut 322.000 Fußballfeldern oder 90 Prozent der Fläche des Saarlandes.

Maßstab Karten Deutschland Saarland Algerien Solar Strom Welt
Patrick Lang
2.300 Quadratkilometer entsprächen 90 Prozent der Fläche des Saarlandes.

Auf die Zahl kommt Doppelbauer aber anders: Das entspricht der Fläche, auf der Deutschland Braunkohletagebau betreibt – um damit vor allem Strom zu erzeugen. Wer die riesigen aufgerissen Flächen kennt, dürfte schnell zu dem Schluss kommen, dass Solarzellen dort weniger Schaden anrichten würden – vom CO2-Ausstoß mal ganz zu schweigen.

Um alle Pkw in Deutschland mit Solarstrom fahren zu lassen, wäre demnach übrigens eine Photovoltaikanlage mit einer Fläche von 560 km² nötig. Das entspricht 78.431 Fußballfeldern oder 22 Prozent der Fläche des Saarlandes.

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Patrick Lang
Das 22-Prozent-Quadrat markiert eine Fläche von 560 Quadratkilometern innerhalb des Saarlandes.

Wie wäre die Solaranlage zur Weltstromerzeugung?

Die Berechnung der Fläche, die zur Erzeugung des Strombedarfs mittels Solarzellen nötig ist, lässt sich natürlich auch global denken. Ausgehend von einem Meme, das seit längerem auf Social Media kursiert, hat das ein Artikel auf watson.ch getan. Das ursprüngliche Bild geht auf eine Diplomarbeit an der Fakultät für Physik und Geowissenschaften der TU Braunschweig zurück und zeigte ein Quadrat überschaubarer Größe in der Wüste auf einer Landkarte Algeriens; die markierte Fläche sollte genügen, um den Weltstrombedarf mit Solarzellen zu decken.

Watson machte sich die Mühe, Nadine May, die Autorin der Arbeit, ausfindig zu machen und fand heraus, dass May nicht mit Solarzellen, sondern mit einem Solarthermie-Kraftwerk gerechnet hatte. Mit den Leistungsdaten und dem potenziellen Ertrag von in verschiedenen sonnigen Weltregionen bestimmte Watson die Größe des Quadrats, auf dem im Zentrum Australiens Solarzellen stehen müssten, um den Weltstrombedarf zu decken. Bei Alice Springs in der australischen Simpson-Wüste fänden sich "beinahe dieselben Voraussetzungen wie in Algerien. (…) Mit 1899 kWh pro kWp pro Jahr (5,2 pro Tag) herrschen hier großflächig die Bedingungen, welche sich aus dem Mix in Algerien (5,0-5,4 pro Tag) an der von May ausgesuchten Stelle ergeben".

Herauskommt jetzt ein Quadrat mit 437 km Kantenlänge, was immerhin gut 74 Mal der Fläche des Saarlandes entspricht, aber das sich auf der Karte Australiens ähnlich bescheiden ausnimmt, wie 90 Prozent des Saarlandes auf einer Deutschlandkarte.

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Patrick Lang
Das Quadrat innerhalb des Umriss' von Algerien misst eine Kantenlänge von 437 Kilometern.

Wie geht CO2-neutrale Stromerzeugung wirklich?

Auch wenn die Idee, das Thema Stromerzeugung mit einer großen Solaranlage erledigt zu haben, verlockend ist, sieht die Vision für die Realität anders aus. Die Studie "Klimaneutrales Deutschland 2045" der Agora Energiewende skizziert, wie die CO2-neutrale Stromerzeugung in Zukunft gelingen kann. Wir sprachen mit Thorsten Lenck, Diplom-Ingenieur und Projektleiter eben bei der Agora Energiewende:

"Eine riesige Solaranlage in der Wüste und der dann nötige Stromtransport wären technisch möglich. Eindeutig dagegen sprechen aber politische und ökonomische Gründe. Politisch ist die Abhängigkeit von einer zentralen Photovoltaikanlage in einem anderen Staat nicht erstrebenswert; ökonomisch gibt es andere sinnvollere und günstigere Konzepte.

Ein prinzipbedingter Nachteil ist zudem die Temperaturabhängigkeit der Leistung von Photovoltaikanlagen: Eine um zehn Grad höhere Temperatur bedeutet für Solarzellen einen Wirkungsgradverlust von etwa vier Prozent."

Kombination aus Solarenergie und Windkraft

Am günstigsten sei aus Sicht der Agora Energiewende, "die klimaneutrale Stromerzeugung, die im Kern auf einer Kombination von Photovoltaikanlagen und Windkraft beruht. Das zeigen sämtliche Studien. PV-Anlagen auf mehreren Hektar Freifläche sind inzwischen kostenseitig auch ohne Subventionen konkurrenzfähig. Selbst einige Offshore-Windkraftanlagen, die früher noch als teuer galten, kommen mittlerweile ohne Subventionen aus. In unserer Studie "Klimaneutrales Deutschland" zeigen wir in stündlicher Auflösung, wie die künftige Stromerzeugung ohne Kohle, Öl und Gas aussehen kann. Solarenergie und Windkraft bilden die Basis der klimaneutralen Stromerzeugung, ergänzt durch Reservekraftwerke und Speicher. Dazu zählen auch Batteriespeicher aus Second-Life-Anwendungen von Auto-Akkus. Als Reserve braucht es steuerbare Kraftwerke, die zunächst mit Erdgas und später mit erneuerbarem Wasserstoff betrieben werden. Dabei ist es wichtig, deren Laufzeiten gering zu halten, weil die Wasserstofferzeugung energieintensiv und weniger effizient ist. Darum wird es in Zukunft darauf ankommen, dass Verbraucher den Strom nutzen können, wenn gerade Nachfrage-Spitzen entstehen. Autos sind dafür prädestiniert, weil sie in ihrer aktuellen Nutzungscharakteristik lange Standzeiten haben. Mit bidirektionalem Laden könnte zudem ihre Speicherkapazität fürs Stromnetz genutzt werden."

Dezentrale Stromerzeugung spart beim Stromtransport

"Daneben ist eine dezentralisierte Stromerzeugung sinnvoll, weil der Stromverbrauch am Ort der Erzeugung den Stromtransport spart. Letzterer ist immer mit Verlusten verbunden. Trotzdem ist auch der Stromnetzausbau enorm wichtig, weil der Strom nicht immer dort entsteht, wo er gebraucht wird. Grundsätzlich lässt sich Gleichstrom mit weniger Verlusten transportieren. Bei längeren Transportstrecken kann das Umspannen vom im Stromnetz vorherrschenden Wechsel- auf Gleichstrom sinnvoll sein."

Wie viele Kraftwerke brauchen wir noch?

"Wir rechnen mit einem Verhältnis zwischen aus Sonne und Wind erzeugtem Strom von 1:2, wobei sich das umkehrt, wenn man die installierte Leistung betrachtet, weil Windkraft im Mittel viel öfter zur Verfügung steht als Sonnenenergie. 2045 könnten 90 Prozent unseres Stroms aus Wind und Sonne kommen, 10 Prozent müssten Speicher oder mit erneuerbarem Wasserstoff betriebene Kraftwerke beisteuern, um das Netz zu stabilisieren. Wenn es gelingt, die bisherige Stromnachfrage zu flexibilisieren und neue Verbraucher wie Elektrolyseure, Wärmepumpen und E-Autos möglichst flexibel ans Netz zu bringen, können wir einen Teil der Kosten für Speicher und Reservekraftwerke einsparen."

Haben wir genug Platz für die Erzeugung von grünem Strom?

Über das "Solaranlagenquadrat" in der Wüste sagt Lenck abschließend, dass es gut zeigt, wie viel Fläche wir weltweit für die erneuerbare Stromerzeugung benötigen". Aber auch, dass es selbst in Deutschland "ausreichend Flächen gebe, um den Strom mit erneuerbaren Energien zu erzeugen", den wir "für die Elektromobilität, aber auch für die Wasserstofferzeugung, die Industrie und die Gebäudewärme zukünftig" benötigen. Allerdings hake der Ausbau daran, "dass diese Flächen nicht rechtssicher für erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Nach der Wahl müssen Bund, Länder und Kommunen mit allen Beteiligten vor Ort diese Flächen bereitstellen, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen", so der Energieexperte.

Fazit

Die Idee einer überschaubaren Fläche mit Solarzellen, mit der hinter dem Energieproblem ein Haken wäre, ist verlockend und zumindest technisch nicht utopisch. Und auch wenn sie trotzdem nie Realität wird, gibt sie doch einen ermutigenden Hinweis darauf, dass die Stromversorgung ohne fossile Energieträger prinzipiell möglich ist.

Wie das für Deutschland geht, hat die Agora-Energiewende sorgfältig durchgerechnet und kommt dabei zu dem Schluss, dass ein klimaneutrales Deutschland schon 2045 möglich ist – ohne Einschränkungen unserer Mobilität. So viel mit dem Auto fahren wie jetzt könnten – oder müssten – wir dann nicht mehr, aber wenn wir uns hinters (vielleicht nicht mehr notwendige) Steuer setzen, fahren wir elektrisch. Und der Strom dafür kommt zwar aus der Steckdose, wird aber nicht mehr mit Kohle erzeugt. Wenn wir ihn mittels Solarzellen herstellen wollten, bräuchten wir dafür nur ein Viertel der Fläche, die aktuell durch den Braunkohletagebau verhunzt ist.