Telekom-Flottenchefin Olga Nevska im Interview
Der Markt steckt noch voller Überraschungen

Die Telekom setzt bei Neuanschaffungen für ihre Dienstwagen seit Jahresbeginn ausschließlich auf vollelektrische Fahrzeuge. Flottenchefin Olga Nevska im Interview über Reichweitenangst und Restwertprognosen.

Dr. Olga Nevska, 44, ist seit 2019 Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions.
Foto: Norbert Ittermann
Haben Sie angesichts der Strompreisentwicklung in den letzten Monaten an Ihrer Entscheidung gezweifelt, komplett auf Elektrofahrzeuge zu setzen?

Nein, die Entscheidung steht und ist richtig. Da gibt es kein Zurück. Elektromobilität ist der richtige Weg und auch längst in unserem Alltag angekommen.

Wie kam es zu der Entscheidung?

Wir haben uns drei Jahre lang auf diesen Schritt vorbereitet. Schon Anfang 2022 hat die Telekom-Tochter T-Systems komplett auf Elektrofahrzeuge gewechselt, der Konzern hat dann im Herbst nachgezogen. Seit 1. Januar 2023 werden nur noch BEV als Dienstwagen angeschafft. Aber schon im vergangenen Jahr waren 40 Prozent unserer Dienstwagenbestellungen vollelektrische Fahrzeuge.

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Warum spielen Plug-in-Hybride in Ihrer Car Policy keine Rolle?

Für Flotten ergeben Hybride nur dann Sinn, wenn ich Kosten und CO₂ reduziere. Beides findet bei Plug-in-Hybriden nicht statt. Bei den Dienstwagennutzern sind PHEV wegen der Steuervorteile beliebt, aber wir haben uns in einem Pilotprojekt intensiv mit dem Thema beschäftigt. Ich werde als Flottenchefin am tatsächlichen CO₂-Ausstoß unseres Fuhrparks gemessen, nicht an den Angaben der Hersteller und der WLTP-Norm. Und die Verbräuche in der Praxis sind deutlich höher als im Verkaufsprospekt, selbst dann, wenn die Fahrer und Fahrerinnen häufig laden und damit elektrisch fahren. Auf der Autobahn kamen wir zum Teil auf 16 Liter/100 km, und das ist absolut nicht mehr zeitgemäß. Eine Ausnahme sind PHEV mit Dieselmotor – aber da gibt es nur einen Hersteller, und die Modelle sind alle in einer Preisklasse, die für unseren Fuhrpark nicht passt. Hinzu kommt, dass PHEV nicht nur beim Verbrauch, sondern auch bei den Wartungskosten deutlich teurer sind als reine Verbrenner oder Elektrofahrzeuge. Ganz zu schweigen von Unfallreparaturen. Was sich allerdings positiver entwickelt als erwartet, sind die Restwerte. Trotzdem haben wir im vergangenen Jahr den Diesel-Hybrid aus unserem Portfolio genommen und setzen nun auf rein elektrische Fahrzeuge.

Können Sie rein elektrisch alle Mobilitätsbedürfnisse Ihrer Mitarbeiter bedienen?

Wir haben 50 Modelle in unserer Fahrzeugliste. Allerdings sind davon aufgrund der bekannten Lieferprobleme aktuell nur 34 bestellbar. Modelle mit langer Lieferzeit nehmen wir temporär aus dem Bestellportal, das Angebot bleibt trotzdem vielfältig, und es ist für jeden etwas Passendes dabei. Bevor wir ein Auto in unser Portfolio aufnehmen, schauen wir uns alle Daten genau an. Bietet es die passende Reichweite, gibt es ein zuverlässiges Werkstattnetz? Wir haben Dienstwagennutzer deutschlandweit, und wir versprechen ihnen eine Mobilitätsgarantie.

Ändert sich die Car Policy, etwa durch Aufnahme neuer Hersteller in den Kreis erlaubter Marken?

Wir empfehlen, die E-Flotte nicht zu klein zu halten, sondern den Kreis der möglichen Modelle so breit wie möglich zu fassen. Bei uns zum Beispiel gehörte Tesla von Anfang an zu den bestellbaren Marken, wir waren die erste Fleet, die Tesla eingesetzt hat – auch wenn Tesla durch sein System, direkt mit dem Fahrer zu kommunizieren, nicht in unsere normalen Abläufe passt. Aber Tesla war zum Zeitpunkt 2019/2020 das einzige Modell mit einer zuverlässigen Reichweite. Inzwischen gibt es ein breites Angebot an Autos, die mindestens 350 Kilometer Reichweite bieten. Unser Top-Ranking nach Bestellungen sind BMW i4 und iX3, Tesla Y und Model 3, Audi Q8 und VW ID.4 – und danach weitere Modelle anderer Hersteller. Mit den chinesischen Anbietern, vor allem BYD und Maxus, kommen neue Marken hinzu – die wir uns selbstverständlich auch anschauen. Bestellbarkeit, Kaufpreise, Restwerte, Lieferzeiten, Werkstattnetz sind die Faktoren. Die chinesischen Hersteller versuchen vor allem, mit schnellem Handeln zu punkten – wir nennen es China-Speed.

Über wie viele Fahrzeuge reden wir in Ihrem Fuhrpark?

Wir haben insgesamt 20.000 Fahrzeuge auf der Straße und sind damit zweitgrößter Fuhrpark in Deutschland. 14.000 sind Servicefahrzeuge, die werden erst nach und nach auf Elektroantrieb umgestellt. Dienstwagen unter Car Policy gibt es 6.000. Die teilen sich wiederum auf in 1.500 Autos als klassische Executive-Autos, die Gehaltsbestandteil sind. Sie gehören zu unserem Programm Mobility as a Benefit, bei dem anstatt des Autos oder ergänzend dazu eine Bahncard, zusätzliche Altersvorsorge-Bausteine oder Guthaben in einem Arbeitszeitkonto gewählt werden können. Dazu kommen 4.500 Dienstwagen, die zum Job gehören, zum Beispiel für Sales-Mitarbeiter, ich nenne sie einmal Funktions-Dienstwagen.

Kaufen oder leasen Sie die Fahrzeuge, und wie lange sind die Autos im Einsatz?

Unsere Dienstfahrzeuge werden gekauft und auch von uns selber vermarktet. Früher haben wir sie alle drei Jahre ausgetauscht, aus Nachhaltigkeitsgründen haben wir den Zeitraum auf vier Jahre verlängert. Bei Dieselmodellen haben wir Autos ab 150.000 Kilometern rausgenommen – bei Elektrofahrzeugen haben wir diese Erfahrungen noch nicht und werden beobachten, wie sich zum Beispiel die Reparaturkosten entwickeln. Bei den Restwerten für BEV, die wir nach drei Jahren verkauft haben, waren die Ergebnisse sehr gut, deutlich über 50 Prozent. Der Markt steckt noch voller Überraschungen. Wegen Corona zum Beispiel hatten die Autos sehr unterdurchschnittliche Laufleistungen.

Elektroautos sind teurer als Verbrenner – müssen Sie auch die Dienstwagenbudgets anpassen?

Im Prinzip nicht, weil es bislang ja die Innovationsprämie gab. Die ist aber ab September weg. Bei Mobility as a Benefit ist der finanzielle Spielraum groß genug, für die Funktionsautos müssen wir uns aber etwas einfallen lassen. Wir werden für jede Budgetklasse drei passende Autos definieren – zum Beispiel unter Berücksichtigung der Restwertentwicklung – auch wenn der reine Kaufpreis höher liegt als der Budgetrahmen.

Aber das Thema Restwerte ist ja immer ein sehr unsicheres Terrain?

Restwerte sind aktuell immer noch wie eine Glaskugel. Mit der Ankündigung, dass die Innovationsprämie ausläuft, sind sie gestiegen. Wie sich die Entwicklungen bei der Batterietechnologie auswirken, wissen wir noch nicht. Die Reichweite der Fahrzeuge wird sich nicht signifikant erhöhen, aber die Ladegeschwindigkeiten werden unter Umständen deutlich steigen – und sich stark auf die Restwerte auswirken. Aber wie genau, da stehen noch einige Fragezeichen.

Welcher Kostenvorteil ergibt sich beim BEV durch entfallende Wartungskosten?

Unsere Erfahrung zeigt, dass die Kosten für die Instandhaltung der Fahrzeuge deutlich sinken. Durch den Wegfall zahlreicher Wartungsarbeiten und Verschleißreparaturen wie Ölwechsel entfallen viele Werkstattkontakte. Anders sieht es im Bereich Unfall- und Reparaturmanagement aus. Die Abschleppkosten sind höher, und die Reparaturkosten steigen, da E-Fahrzeuge sehr viele Sensoren und Kamerasysteme an Bord haben – die andererseits für eine geringere Unfallquote sorgen. Wir sehen heute, dass die Kosten für die Instandsetzung unterm Strich deutlich fallen.

Wie sehen Sie die Kostenentwicklung beim Ladestrom?

Auch nach dem zum Teil starken Anstieg ist ein elektrisches Auto immer noch günstiger als ein Diesel. Da hab’ ich also ein gutes Gefühl. Was uns aber Probleme bereiten kann, ist der weitere Ausbau der Lade-Infrastruktur. Laden kann sehr anstrengend sein, die öffentliche Infrastruktur ist einfach unbefriedigend. Für unseren gewerblichen Fuhrpark, der ja auch in den nächsten Jahren auf Elektromobilität umgestellt werden soll, benötigen wir aber sehr viel mehr öffentliche Ladesäulen – der Techniker, der beim Kunden ist, kann nicht am Firmenstandort laden, sondern muss das schnell und unkompliziert unterwegs erledigen, ohne dass es zu lange dauert.

Kommt in Ihrem Wortschatz Reichweitenangst noch vor?

Als wir die ersten elektrischen Dienstwagen in den Fuhrpark aufgenommen haben, hatten wir noch Mobilitätsalternativen für die Mitarbeiter – zum Beispiel einen Verbrenner als Mietwagen für die lange Urlaubsfahrt. Dieses Angebot hat aber nicht mal jeder zweite in Anspruch genommen, weil die Umstellung auf Elektromobilität schnell dazu führt, dass man sich ans Laden gewöhnt. Außerdem macht e-Fahren einfach Spaß.

Vita

Dr. Olga Nevska, 44, ist seit 2019 Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions. Das Unternehmen betreut den Fuhrpark der Deutschen Telekom mit insgesamt rund 20.000 Fahrzeugen und gestaltet die Transformation zu einem innovativen Mobilitätsanbieter mit digitalen und nachhaltigen Mobilitätsangeboten jenseits des Individualverkehrs.

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