Aston Martin Valkyrie AMR Pro
Du kriegst die Tür nicht zu

Wir reisten zur Testfahrt in der Rennversion des Valkyrie zum Formel-1-Kurs nach Silverstone. Aus der Mitfahrt wurde nichts – brutal war es trotzdem.

Aston Martin Valkyrie AMR Pro
Foto: Dominic Fraser für Aston Martin

Kalt ist es heute früh auf dem Silverstone Circuit – wenn hier die Formel 1 jährlich den Großen Preis von Großbritannien austrägt, ist es brechend voll. Wir sind nur ein paar Leute, die unter strahlend blauem Himmel im Aston Martin Valkyrie AMR Pro mitfahren möchten. Der Valkyrie ist Aston Martins Hypercar – das Traumauto von Starkonstrukteur und Aerodynamik-Guru Adrian Newey. Bei der Straßenversion musste Newey noch Rücksicht auf Zulassungsregeln nehmen, bei der Rennversion konnte er seine Ingenieurs-Genialität voll ausleben. Ein riesiger Frontsplitter und ein das Heck umspannender riesiger Flügel sorgen bei 340 km/h für zwei Tonnen Abtrieb – bei einem Fahrzeuggewicht von einer Tonne. Die genaue Leistung des 6,5-Liter-V12-Saugmotors hat der Hersteller noch nicht veröffentlicht – es sind aber auf jeden Fall über 1.000 PS. Ein PS pro Kilogramm Fahrzeuggewicht und der Wind klebt das Auto während der Fahrt erbarmungslos an den Asphalt – das weckt Erwartungen. Selber fahren darf ich nicht, aber eine Mitfahrt ist okay – hinterm Steuer sitzt schließlich Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg. Mehr Rennfahrer geht nicht, also nichts wie rein in den Valkyrie.

Unsere Highlights

Die Flügeltüren des Rennwagens stehen einladend offen, Nico Hülkenberg ist schon in seine Sitzschale geglitten. Jetzt steige ich durch die im Vergleich zu einem herkömmlichen Pkw kleine Öffnung ins Auto – natürlich mit Rennanzug, Helm und HANS-System (Head and Neck Support – Kopf-und-Nacken-Stütze). Den optimalen Einstiegs-Vorgang schlägt mir das Aston-Martin-Rennteam vor: Erst mit dem linken Bein tief in den Beifahrerfußraum, dann sich mit der linken Hand vorn oben am Rahmen festhalten und sich mit der rechten Hand unten auf der hoch liegenden Karbon-Einstiegsschwelle abstützen. Jetzt das rechte Bein kräftig nach oben anziehen und ebenfalls in den Fußraum gleiten lassen, während man an der Rücklehne entlang in die Rennschale rutscht. Als das erledigt ist, bekomme ich eine neue Ahnung davon, was der Begriff "eingemauert" bedeutet.

In den Innenraum gepresst

Meine Füße sind fest gegen die Stirnwand gepresst, meine Knie drücken von unten ans Armaturenbrett und ich sitze komplett auf dem Boden der Sitzschale. Das Anlegen des Sechspunkt-Gurts geht – aber mein behelmter Kopf schaut nach oben zirka fünf Zentimeter aus dem Auto raus. Trotzdem versucht das Team, die Tür zu schließen – keine Chance, selbst mit maximal eingezogenem Kopf bleibt sie einen Spalt offen. Also stemme ich mich wieder raus aus der engen Stube und ein Mechaniker nimmt die Sitzpolster heraus. Ich bin skeptisch – die Polster sind optisch keinen Zentimeter dick. Aber einen Versuch ist es wert. Dann wieder rein nach der bewährten Choreografie. Wieder sitzt gefühlt alles auf Pressung. Und wieder schaut mein Helm oben aus dem Auto. Ich muss es einsehen: Ich passe nicht in dieses Auto.

Aston Martin Valkyrie AMR Pro
Dominic Fraser für Aston Martin
Sechspunktgurte im engen Cockpit gehören zum Serienumfang.

Eigentlich hätte die Tür des Valkyrie über mir schließen müssen – eigentlich. Schließlich passt Aston-Martin-Designer Marek Reichman mit seinen 1,95 Meter angeblich in das Hypercar. Aber Reichmann ist schlanker und vielleicht gilt die Angabe nur für die Straßenversion, in der man ohne Helm sitzt. Ein ebenfalls großer Kollege aus Frankreich zieht extra seine Schuhe aus, was ihm noch einen weiteren Zentimeter Platz bringt – er passt auf den Millimeter genau (und ein wenig gequetscht) in seine Hälfte des engen Innenraums. Was mir die Aston-Martin-Mechaniker später verraten: Der Fußraum ist auf der Beifahrerseite des Renn-Valkyrie etwas kürzer, weil sich davor elektronische Steuerungskomponenten und die Klimaanlage verbergen. Trotz allem Leichtbau ist also Klimatechnik in dem Auto – bei heißen Stunden auf der Rennstrecke ist dies sicher ein großer Vorteil. Die Tür hat sich über dem Franzosen geschlossen, Hülkenberg lässt den Renner über sein 48-Volt-System elektrisch anfahren – nach ein paar Metern schaltet sich der V12 zu. Der blubbert und knattert infernalisch, kreischt aber bei weitem nicht so laut wie ein Formel-1-Motor.

Blitzartige Vorbeifahrten

Mir bleiben erstmal nur ein paar Vorbeifahrten – wir schauen aus der Boxengasse zu. Ein anschwellendes Röhren und Brummen kündigt den Valkyrie an, dann zischt er so schnell vorbei, dass ihn die Augen kaum klar erfassen. Innerhalb von wenigen Sekunden aus dem Sichtfeld verschwunden, brummt die überschüssigen Kraft des Valkyrie Luft noch lange in der Luft. Die Flunder kommt in die Boxengasse zurück und der französische Kollege steigt verschwitzt und mit erstaunter aber auch freudiger Mine aus. Er teste seit 25 Jahren Sportwagen, aber das hier sei brutal. Das sei ein anderes Level. So etwas habe er noch nicht erlebt. Ich will wissen, was an der Fahrt besonders beeindruckend war. Die Antwort: alles! Die monströse Beschleunigung, dann das unwirkliche Anbremsen vor der ersten Kurve mit einer Verzögerung, die einem Auffahrunfall gleicht, und dann die unfassbaren Kurvengeschwindigkeiten, bei denen jeder Nicht-Rennfahrer überzeugt ist: Das war's, Abflug, Ende Gelände, Feierabend. Dabei hält der Valkyrie einfach seine Spur und grölt zur nächsten Kehre.

Nico Hülkenberg schaut nach seinen ersten Valkyrie-Silverstone-Runden frisch und entspannt aus seinem Helm. Das Auto sei mit einem Formel-2-Wagen vergleichbar – an einen Formel-1-Renner komme der Valkyrie zwar nicht heran, aber mit einem Formel-2-Auto könne er mithalten. Und es müsse jedem klar sein, dass das hier ein echter Rennwagen sei – "mit einem Sportwagen ist so ein Fahrzeug nicht vergleichbar. Fahrer eines GT3-Renners können sich nicht vorstellen, wie so ein Hardcore-Rennwagen fährt, das ist eine ganz andere Liga", so Hülkenberg. Das gelte natürlich auch für den Preis, ergänzt Sebastian Vettels Ersatzfahrer. Klar, die Straßenvariante des Valkyrie geht bei zirka drei Millionen Euro los, für die Rennversion muss der Kunde mindestens 3,5 Millionen Euro ausgeben. Und mit der Anschaffung ist es nicht getan: Der Eigentümer muss permanent Verschleißteile wie Reifen und Bremsen ersetzen und weiteren Wartungsaufwand betreiben. Außerdem muss er sich in kostenpflichtige Trackdays einmieten und den Valkyrie dorthin und wieder zurücktransportieren. Womöglich braucht er für das gesamte Handling sogar ein kleines Team. Vielleicht sind deshalb von den 40 gebauten AMR Pro (plus zwei Prototypen) noch ein paar wenige Exemplare verfügbar, während die Straßenvariante des Valkyrie schon mit der Bekanntgabe ausverkauft war.

Alle haben den gleichen Eindruck

Weitere Kollegen fahren mit Hülkenberg mit – alle sind sich einig: Die Rennversion des Valkyrie ist brutal. Der Unterschied zwischen Sportwagen und Rennwagen ist bei dem englischen Flachmann überdeutlich. Nico Hülkenberg freut das – schließlich fahren meistens nur Rennfahrer Rennautos, sodass Nicht-Rennfahrer nur schwer verstehen und beurteilen können, was echte Rennfahrer hinterm Steuer leisten. Die Passagiere haben am eigenen Leib erfahren, wie fit und kräftig die Piloten sein müssen. Die Fliehkräfte zerren bei Richtungswechseln an Kopf und Nacken – was ein Kollege auch noch nach der Fahrt spürt. Hülkenberg schlüpft derweil locker aus dem Valkyrie. Ab der ersten Runde war er mit dem Auto vertraut – schließlich fährt seit früher Kindheit Rennen.

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Fazit

Der Aston Martin Valkyrie AMR Pro ist ein waschechtes Rennauto, das mit einem Sportwagen nicht vergleichbar ist. Die Mitfahrt wirkt auf alle Nicht-Rennfahrer brutal und extrem beeindruckend, wie dem Autor glaubhaft versichert wurde. Denn nicht jeder passt in das Auto: Wer 1,88 Meter groß und keine Jockey-Figur hat, sondern eher kräftig oder wohlstandsgenährt ist, muss draußen bleiben, weil sich die Flügeltür über ihm nicht mehr schließen lässt.

Den besten Eindruck hat natürlich der Fahrer gewonnen – bei uns war das Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg. Er attestiert dem Valkyrie das Fahrverhalten und die Wucht eines Formel-2-Autos – damit sei der Renner locker vergleichbar. Ein GT3-Auto hätte gegen den Valkyrie nicht den Hauch einer Chance, so Sebatian Vettels Teamkollege.