BMW testet neue Lacktechnik am M4
Freihand-Lack-Signatur vom Roboter spart CO2

Um ein neues Lackierverfahren auszuprobieren, legt BMW extra eine Kleinserie des M4 Coupés auf. Das System zeichnet komplexe Grafiken millimetergenau – ohne Schablone, ohne Abkleben und weniger verschwenderisch.

10/2021_Neues Lackverfahren BMW  M4
Foto: BMW

"Eco Paint Jet Pro" – so heißt die neue Lacktechnik, die BMW präsentiert hat. Das klingt ja fast wie eine Canon-Produktbezeichnung. Jagt BMW seine Karosserien jetzt durch den Tintenstrahl-Drucker? Nein, das nicht. Trotzdem kann man sich das Ganze so in etwa vorstellen. Aber der Reihe nach.

Bei dem Pilotprojekt fertigt das Werk Dingolfing eine Kleinserie des M4 Coupés. Sie ist auf 19 Stück limitiert und nur für den internen Fuhrpark bestimmt. BMW entwickelte das spezielle System gemeinsam mit dem Maschinen- und Anlagenbauer Dürr.

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Unterschiede zum Standard-Verfahren

Beim herkömmlichen Lackiervorgang zerstäubt eine Rotationsglocke – sie bewegt sich mit 35- bis 55.000 Umdrehungen pro Minute – den Lack. Dieser bleibt durch elektrostatische Aufladung an der Karosserie haften.

Das neue Verfahren arbeitet hingegen ohne Elektrostatik. Der Applikator für den Eco Paint Jet Pro wird an einem Roboterarm installiert und verfügt an der Unterseite über eine spezielle Düsenplatte. Das ist also der Druckkopf, wenn man so will. Er ist mit 50 Löchern ausstaffiert, die sich jeweils individuell öffnen und schließen lassen. Deren Durchmesser: gerade mal ein Zehntelmillimeter. Obwohl die Öffnungen mit dem Auge kaum erkennbar sind, wird der Lack durch sie hindurch verabreicht – im Gegensatz zu konventionellen Methoden, wo eine Zerstäubung des Lacks erfolgt. Die Düsenplatte des Eco Paint Jet Pro trägt ihn durch parallel angeordnete Strahlen direkt auf. So kann mit einer Breite zwischen einem und 50 Millimeter trennscharf gezeichnet oder flächendeckend lackiert werden.

Voraussetzung dafür ist ein perfektes Zusammenspiel zwischen Roboter, Messsystem und Applikator. Wie das genau funktioniert? Nun, das Messsystem verfügt über Sensoren, die die zu lackierende Fläche inspizieren. Anschließend sendet das System die Daten an die Steuerungs-Software. Diese dirigiert sowohl den Roboterarm als auch den Applikator. Denn neben den Bahnen, in denen der Druckkopf über die Fläche geführt werden muss, errechnet sie auch permanent die richtige Lackdosierung. Das alles passiert vollautomatisch.

Individuell, präzise, nachhaltig

Die Besonderheit der Technik wird im folgenden Video deutlich. Zu sehen: Ein Roboter, der den Applikator an den Flächen der M4-Karosse entlangchauffiert. Auf die orangene Grundlackierung zeichnet die Düsenplatte eine schwarze Grafik fein auf die Motorhaube, spart dabei mal eben noch einen orangenen M4-Schriftzug aus – und das alles ohne jede Schablone. Eine Maskierung, also die Abklebung angrenzender Karosserieteile? Ebenfalls Fehlanzeige. So will BMW eigenen Angaben zufolge Material- und Personalaufwand sparen. Außerdem ermögliche die Technik individuelle Lackdesigns an Fahrzeugen – je nach Kundenwunsch.

Ebenso wichtig: Das Verfahren verhindert den sogenannten Overspray. Es handelt sich dabei um die überschüssigen Lackpartikel, die normalerweise entsorgt werden müssten. Auf gut Deutsch: Da geht nichts nebenraus, auch kein Lacknebel. Selbst in Sachen Energieverbrauch arbeitet das System laut BMW nachhaltiger als traditionelle Methoden: Bei der herkömmlichen Lackiertechnik werden verdunstende Lösemittel und der Lacknebel durch gefilterte sowie konditionierte Luft zu einem Abscheidesystem transportiert. Der Eco Paint Jet Pro braucht hingegen keine Lackabscheidung.

Einsatz im Produktionsnetzwerk ab 2022?

Bei rund 7.000 Betriebsstunden führe das zu Energie-Einsparungen von mehr als 6.000 Megawattstunden und reduziere den CO2-Fußabdruck um fast 2.000 Tonnen pro Jahr. Kein Wunder also, dass das Pilotprojekt mit den 19 M4 Coupés aus dem Werk Dingolfing für den internen Fuhrpark nur der Anfang ist. Den Serieneinsatz des neuen Lackverfahrens im Produktionsnetzwerk plant BMW schon für das kommende Jahr.

Fazit

Da zeichnet ein Roboterarm mal eben fein-sorgfältig eine saubere Grafik auf die Karosserie – und das quasi Freihand. Das ist schon beeindruckend. Und schön, dass sich Hersteller wie BMW auch in Sachen Produktions-Prozess Gedanken über Dinge wie Nachhaltigkeit und Reduzierung des Personalaufwands machen. Was das Personal angeht, bleibt freilich zu hoffen, dass anderswo Arbeitsplätze entstehen – zum Beispiel bei der Batterieproduktion. Und was die Kleinserie angeht: Bitte vor dem Ausrangieren Bescheid geben: M4 nehmen wir auch in Straßenmeisterei-Farben