Doppelrotor-E-Motor von DeepDrive
Deutsche Antriebstechnik ermöglicht Billig-E-Auto

Inhalt von
Podcast

Ein Münchner Start-up denkt den E-Auto-Antrieb neu und super effizient. Doppelrotoren machen Radnabenmotoren möglich; das spart Platz, ein Getriebe, Reibung und bringt Reichweite.

3/2023, DeepDrive
Foto: BMW I Ventures

Das wichtigste und teuerste Teil an einem Elektroauto ist die Batterie. Sie bestimmt Reichweite, Gewicht und vor allem den Preis. Etwa 40 Prozent der Kosten entfallen auf den Stromspeicher. Motoren schenkten Entwickler vor allem anfangs weniger Aufmerksamkeit (Welche Arten generell in Autos denkbar sind, haben wir hier aufgeschrieben und zeigen Beispiele in der Bildergalerie).

Das ändert sich. Auch, weil die besonders leistungsdichten und effizienten permanent erregten Synchronmaschinen (PSM) mit, tja, eben Permanentmagneten arbeiten und daher sogenannte seltene Erden enthalten. Und vor allem die schweren seltenen Erden sind "prohibitiv" teuer, wie unser Podcast-Gast Alexander Rosen sagt.

Der große E-Ratgeber

Doppelrotor-Motor für höhere Leistungsdichte

Aber der Reihe nach: Rosen ist promovierter Elektro-Ingenieur und Mitgründer des Start-ups DeepDrive. Das kleine Unternehmen in München hat großes vor und eine spannende Entwicklung hinter sich. Deren Ergebnis ist ein neuartiger Elektromotor. Die Doppelrotor-Radialflussmaschine braucht 80 Prozent weniger Eisen, 50 Prozent weniger Magnetmaterial und verursacht 30 Prozent niedrigere Kosten (pro Nm) in der Herstellung als leistungsmäßig vergleichbare herkömmliche Aggregate. Vor allem kann der Doppelrotor-Motor auf die erwähnten schweren seltenen Erden verzichten.

Das geht, weil die Maschine vereinfacht gesagt aus drei konzentrischen Ringen besteht, wobei der mittlere den Stator (feststehenden Teil) gibt, der innere und äußere Ring als Rotoren agieren. Der äußere (der handelsüblichen E-Motoren fehlt) sorgt dafür, dass die magnetischen Feldlinien geschlossen sind. Damit spart das DeepDrive-Aggregat wie der Axial-Flussmotor von Yasa / AMG das sogenannte Stator-Joch (Eisengehäuseanteile um die Spulen) ein, was wiederum teils erklärt, warum weniger Eisen nötig ist.

Gleichzeitig nutzt der äußere Rotor die Feldlinien produktiv, wo anderswo feststehendes Eisen nur dafür da ist, die Magnetfeldlinien zusammenzuführen. Darum verspricht DeepDrive für sein Aggregat höchste Drehmomentwerte und Leistungsdichte. Beim Wirkungsgrad kommen die DeepDrive-Motoren auf 97 bis 98 Prozent.

Enorme Drehmomentstärke

Das wiederum macht die Motoren vergleichsweise leicht: Der DeepDrive RM1250 mit 125 kW (171 PS) und satten 1.250 Nm maximalem Drehmoment wiegt inklusive integriertem Silizium-Karbid-Inverter lediglich 32 Kilogramm. Der vordere Motor des Porsche Taycan stemmt 440 Nm und wiegt 70 Kilogramm, die Maschine des BMW i3 mit 125 kW und 250 Nm wiegt angeblich gut 50 Kilogramm, der Heckmotor des VW ID.3 mit bis zu 204 PS und 310 Nm kommt mit Einganggetriebe auf 89 kg – das Getriebe dürfte dabei etwa 20 kg wiegen.

Der Vergleich macht deutlich, dass das DeepDrive-Aggregat vor allem bei der Drehmomentdichte große Vorteile bietet. Das liegt an der Bauweise: Beim E-Motor steigt das Drehmoment mit dem Durchmesser, der quasi den Hebel für die Kraft erhöht. Der Anstieg verläuft dabei quadratisch. Doppelter Durchmesser bedeutet vierfaches Drehmoment. Der RM1250 misst 19 Zoll, also gut 48 Zentimeter. Die klassischen E-Motoren haben nur etwa den halben Durchmesser.

Kein Getriebe, weniger Reibung, weniger Gewicht

19 Zoll – das Maß kommt einem als Radgröße moderner, vor allem E-Autos bekannt vor. Tatsächlich ist der RM1250 als Radnabenmotor gedacht. Dafür ist das hohe Drehmoment hilfreich, gleichzeitig ermöglicht es den Verzicht auf ein (Ein-Gang-)Getriebe und Antriebswellen.

Und das wiederum ist, entgegen landläufiger Einschätzung, der größte Hebel für Effizienzverbesserungen – vor allem in der Praxis. Alexander Rosen erklärt, dass Getriebe grundsätzlich einen hervorragenden Wirkungsgrad von etwa 98 Prozent erreichen. Allerdings gilt der für eine optimale Getriebetemperatur; die liegt im Bereich von 65 Grad, die im Straßenbetrieb aber praktisch nie erreicht werden. Da sind selbst einstellige Werte keine Seltenheit. Die Folge: Die sogenannten Plantschverluste durch das dann zähflüssige Öl steigen. Die erreichen solche Dimensionen, dass der Wirkungsgrad des Getriebes unter 85 Prozent sinken kann. Darum verspricht Rosen für den DeepDrive-Antrieb insgesamt Effizienz und Reichweitenvorteile von 20 Prozent. Die sind in Messungen validiert und von einigen Interessenten als plausibel bestätigt.

Ein umgebautes Serienauto soll die Vorteile nachweisen

Die Effizienzvorteile will DeepDrive-Entwickler auch auf der Straße herausfahren, indem sie ein Serienauto mit ihrem Radnabenantrieb ausrüsten. Als Versuchsträger ist ein Automodell wahrscheinlich, das schon von Haus aus als sparsam bekannt ist, z.B. ein Tesla Model 3.

Nach dem Umbau ließe sich erkennen, dass der DeepDrive auf den Achsen den Platz freigibt, die bei herkömmlichen E-Autos Motoren und eben Getriebe belegen. Ebenso entfallen die Antriebswellen. Die so gewonnenen Freiheitsgrade könnten der Unterbringung größerer Batterien dienen, ohne den Radstand über Gebühr zu vergrößern. Denn die könnte über eine Achse ohne Antrieb laufen bis zum Ende der Bodengruppe. Das wäre nicht nur für mehr Reichweite gut, sondern auch für neue Batterietechnologien, deren volumetrische Energiedichte nicht so gut ist, die aber dafür billiger sind, wie etwa Lithium-Eisenphosphat Akkus.

Antriebstechnik macht Billig-Batterie möglich

Mehr Platz für den Akku bei gleicher Fahrzeuggröße könnte den DeepDrive-Antrieb sogar zum Enabler für noch günstigere Zellchemien mit zum Beispiel Natrium machen. Da geht der Blick nach China, wo im April der BYD Seagull debütierte, ein Kleinwagen für umgerechnet 10.400 Euro mit 3,8 Meter Länge und einem Natrium-Akku, der bei einem Radstand von 2,50 Meter auf eine überschaubare Kapazität von 30 kWh kommen soll. Das reicht realistischerweise für etwa 200 Kilometer – ok für ein Stadtauto, aber nicht für einen Erstwagen.

20 Prozent Effizienzgewinn durch den DeepDrive-Antrieb, etwa 20 Prozent mehr Platz für den Akku dank Radnabenmotoren – das brächte die Real-Reichweite Richtung 300 Kilometer und erweiterte die Einsatzmöglichkeiten des E-Kleinwagens beträchtlich – ohne dass der Preis steigen müsste, weil der Doppelrotor-Motor nicht nur das Gewicht im Zaum hält, sondern auch die Kosten.

Antriebstechnik weniger kapitalintensiv als Akku-Technologie

Anders als bei der Batterietechnik wären für die Serienanwendung des DeepDrive-Antriebs keine hohen Investitionen über Jahre nötig – vergleichsweise schlanke 20 Millionen haben Kapitalgeber (unter anderem BMW iVentrues) bislang in das Start-up investiert.

Aber der Einsatz eines Radnabenmotors wäre für deutsche Hersteller ein Paradigmenwechsel – der zentrale E-Motor mit Einganggetriebe als Achsantrieb kommt dem von Verbrennern nahe und hat sich als Industriestandard auch bei E-Autos etabliert; drum hat DeepDrive auch einen Zentralantrieb entwickelt, der aber nur die 5 Prozent Effizienzsteigerung des Doppelrotor-Motors hebt. Den Radnabenmotor denken große Hersteller zudem nicht als sinnvolle Alternative, weil er ihrer Einschätzung nach die ungefederten Massen über Gebühr erhöht. Bleibt das Potenzial der Idee also womöglich ungenutzt?

Nutzt China die neue Technik?

In Europa vielleicht. In China vielleicht nicht. Auch DeepDrive hat im April die Messe in Shanghai besucht. Mitgründer Alexander Rosen hält die DeepDrive-Erfindungen durch internationale Patente für gut geschützt, wie er im Moove-Podcast sagte. Am Ende ist das Ziel die DeepDrive-Technik in die Serie zu bringen – wenn das mit chinesischen Herstellern gelingt, dann haben die zur Batterietechnologie auch die passende effiziente Antriebstechnik.

Umfrage
Können Sie sich für die Technik von Elektromotoren genauso begeistern wie für die von Verbrennern?
78691 Mal abgestimmt
Nein, die Wärmekraftmaschine ist viel spannender und wird immer mit ihrem Sound faszinieren.Ja, ausgefuchste Konstruktionen mit viel Kraft und höchster Effizienz stecken jeden Spritschlucker in die Tasche.

Fazit

Start-ups müssen nicht erfolgreich sein – man hat schon von zahlreichen vielversprechenden Ideen irgendwann nichts mehr gehört. Aber das DeepDrive-Konzept klingt so nachvollziehbar schlüssig, dass es hier anders sein könnte. Hoffen wir für die deutsche Autoindustrie, dass der Durchbruch gelingt – aber bitte nicht in China!