AgroScience patentiert Verfahren
CO₂ aus Dünger-Herstellung als Retter von E-Fuels?

Eigentlich forschte das deutsch-schweizerische Start-up AgroScience nur an einem umweltfreundlichen Flüssigdünger. Doch dann entstand als Nebenprodukt hochreines CO2 – an sich ein Treibhausgas. Wie das jetzt im großindustriellen Maßstab für die e-Fuel-Herstellung nützlich sein kann.

Porsche E-Fuels Pilotanlage Haru Oni Punta Arenas Chile
Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

In der Energiebranche ist AgroScience noch weitestgehend unbekannt. Denn eigentlich ist das deutsch-schweizerische Start-up auf die Entwicklung klimafreundlicher Prozesse und Produkte für eine nachhaltigere Landwirtschaft spezialisiert. Einer der zentralen Geschäftszweige ist etwa die Produktion von umweltfreundlichem Flüssigdünger, der frei von Schadstoffen ist und Böden nicht versauern lässt. Doch was hat dieser grüne Daumen mit synthetischen Kraftstoffen zu tun?

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Die Antwort fiel den Wissenschaftlern ganz nebenbei auf. Im Fokus der Entwicklung stand zunächst ein sehr umweltfreundlicher NPK-Volldünger, wie es ihn etwa in grünen Flaschen für Zimmerpflanzen zu kaufen gibt. NPK steht für die Nährstoffe Stickstoff, Phosphor und Kalium. Dabei stießen die Entwickler auf einen relativ einfachen und nachhaltigen Produktionsprozess, der im Detail noch geheim, aber mittlerweile patentiert ist. Im Vergleich zur konventionellen Herstellung soll die neue zweiphasige Methode rund 70 Prozent Energie einsparen. Als Nebenprodukt entstehen dabei relativ große Mengen CO₂. Was zunächst schädlich fürs Klima scheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als wichtige Rohstoffquelle.

Sauberes CO2 als Rohstoff

Tatsächlich hat Kohlendioxid (kurz: CO₂) als Treibhausgas keinen guten Ruf. Dabei ist es doch einer der wichtigsten elementaren Bestandteile des globalen Kohlenstoffzyklus und macht die Photosynthese, also das Pflanzenwachstum, überhaupt erst möglich. Zudem dient CO₂ der Industrie als Kühlmittel (Trockeneis), kommt in Feuerlöschern zum Einsatz oder als "Kohlensäure" in Erfrischungsgetränken.

AgroScience ist sich der industriellen Bedeutung des gewonnenen Kohlendioxids bewusst. Und bei ihrem Dünger-Produktionsprozess entsteht es sogar direkt am Quellpunkt und in hochreiner Lebensmittelqualität. Die Kopplung an die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie liegt also nah. Hochreines Kohlendioxid braucht auch die Landwirtschaft – beispielsweise für die Harnstoffproduktion. Harnstoff ist eine der meisthergestellten Chemikalien weltweit und Stickstoffdünger Nummer eins.

E-Fuel-Anlagen melden großen Bedarf

Mit der Energiewende meldet aber auch die Energiewirtschaft einen großen Bedarf an hochreinem CO₂ an. Denn es wird in großen Mengen zur Herstellung von Methan, Methanol-Derivaten und am Ende auch für synthetische Kraftstoffe benötigt. Die Pilotanlagen für die E-Fuel-Herstellung von Porsche in Süd-Chile oder Texas verlangen schon heute nach vielen Tonnen Kohlendioxid, obwohl die Massenproduktion noch nicht einmal begonnen hat (mehr zur E-Fuel-Pilotanlage in Chile in der Galerie). Derzeit wird das Kohlendioxid, das ab einem Druck von 5,2 bar flüssig wird, von LKW angeliefert.

Die Idealvorstellung der E-Fuel-Produktion wäre, das Kohlendioxid aus der Umgebungsluft zu filtern, um der Atmosphäre das CO2 zu entziehen, das der spätere Verbrennungsprozess wieder freisetzt. Doch da die Luft in der Erdatmosphäre zu gerade 0,04 Volumenprozent aus CO₂ besteht, müssen zur Gewinnung gigantische Mengen davon in sogenannten Direct-Air-Capture-Anlagen angesaugt, gereinigt und aufwändig katalytisch "gewaschen" werden. Allein das kostet extrem viel Energie und verschlechtert die Bilanz. Mindestens 250 Kilowattstunden (kWh) pro Tonne CO₂ – davon gehen Wissenschaftler in einer Studie von 2018 aus – verhageln die Energiebilanz von E-Fuels.

Organische Abfälle als Energiespeicher

Hochreines Kohlendioxid als Nebenprodukt eines ohnehin nötigen Herstellungsprozesses abzufangen, ist also die effektivere Lösung. Beim Kalkbrennen ist dies längst üblich. Warum also nicht auch bei der Düngemittelherstellung? Hier ist das CO₂ sogar in organischen Stoffen gebunden, stammt also ursprünglich ebenso aus der Atmosphäre. Die Technik haben die Ingenieure von AgroScience entwickelt – auch wenn die geheimen organischen Ausgangsstoffe noch nicht öffentlich gemacht wurden. "Die stehen aber überall reichlich zur Verfügung", versicherte uns einer der Firmen-Gründer.

Ein Detail verrät er im Gespräch. Aus 1,2 Kilogramm organischem Grundstoff (Edukt) entstehen etwa 1,0 Kilogramm Dünger und 0,2 Kilogramm hochreines, "grünes" CO₂, das direkt komprimiert und verflüssigt werden kann. Eine Pilotanlage in der Nähe einer modernen Wasserstoff- und Erdgas-Infrastruktur könnte also eine einfache Brücke in die Energiewirtschaft schlagen. Genau das könnte im Nordosten Deutschlands in der Nähe der PCK-Raffinerie Schwedt passieren. Schließlich will der Großinvestor Verbio aus dem Standort die größte Bio-Raffinerie Europas machen. Wenn der Plan aufgeht, dürfte AgroScience in der Energiebranche bekannter werden.

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... so ineffizient, dass sie nur dort zum Einsatz kommen sollten, wo es keine Alternativen gibt.... eine weitere Möglichkeit, den Verkehr umweltfreundlicher zu machen.

Fazit

Das deutsch-schweizerische Start-up AgroScience hat einen umweltfreundlichen Prozess zur Düngerherstellung entwickelt, bei dem CO₂ in Lebensmittelqualität als Nebenprodukt entsteht. Damit lässt sich grünes und hochreines Kohlendioxid wirtschaftlich und in großindustriellem Maßstab herstellen. Das ist nicht nur für die Lebensmittel- und Chemieindustrie interessant, sondern könnte auch für die Energiebranche und E-Fuel-Hersteller wichtig sein. Eine Pilotanlage ist gerade in der Planung.