Skoda-Chefdesigner im Interview
„Vielleicht kommt mal ein Cabrio“

Skoda-Chefdesigner Oliver Stefani im Gespräch über den Gegensatz von Rationalität und Emotionalität, die Herausforderungen der Gesetzgebung sowie ein möglicher Traumwagen, der zur Marke passt.

Skoda-Chefdesigner Oliver Stefani, Interview
Foto: Skoda

In Anbetracht einiger neuer Wettbewerber aus China, die mit sehr außergewöhnlich designten Fahrzeugen an den Start gehen: Wie sehr ärgert es Sie als Kreativen, dass Sie für eine Marke arbeiten, bei der Revolutionen definitiv nicht Teil des Konzepts sind?

Ehrlich gesagt, empfinde ich das gerade jetzt nicht so. Schließlich sind wir aktuell dabei, im Design unserer zukünftigen Fahrzeuge alles anders zu machen, sowohl im Interieur als auch im Exterieur. Da habe ich überhaupt keine Sorge, dass wir da nicht modern sind.

Unsere Highlights
Wie definieren Sie "modern"?

Wir versuchen unsere Produkte noch mehr auf den Kunden hin zu entwickeln, den Kunden noch mehr in den Mittelpunkt zu stellen und dabei die Designsprache auf ein neues Niveau zu heben. Das kann man an der Studie Vision 7S wunderbar sehen. Da spielen wir mit neuen Materialien und Techniken, die uns bislang noch gar nicht zur Verfügung standen.

Geben Sie dafür doch bitte ein paar Beispiele.

Nehmen Sie die Frontpartie. Wo bislang der Kühlergrill war, können wir künftig die aufwendigere Sensorik hinter einer Polycarbonatscheibe regelrecht verstecken. Dann gehen wir bei den Scheinwerfern weg von Reflektoren und LED-Elementen, können das alles kompakter, kleiner ausführen. Zudem werden wir versuchen, die gerade bei Elektrofahrzeugen für die Aerodynamik unverzichtbaren Air Curtains kleiner, geradezu unsichtbar auszuführen. Bei den Materialien können wir sowohl beim Exterieur als auch beim Interieur viel mit wiederverwerteten Kunstoffen arbeiten, speziell dort, wo sie nicht sichtbar sind.

Gerade bei den Scheinwerfern waren Sie doch bislang stolz darauf, Elemente einarbeiten zu können, die an die tschechische Kristallglas-Tradition erinnern. Das entfällt also?

Das wird nicht mehr so intensiv sein wie bislang, richtig. Aber wir sind stolz darauf, eine tschechische Marke zu sein und das wollen wir auch zeigen. Wir werden das Thema Glas durchaus weiterhin spielen.

Welche Zwänge und welche Freiheiten bei der Fahrzeuggestaltung gibt Ihnen denn die E-Mobilität?

In erster Linie gibt uns die Elektromobilität Vorteile bei den Gesamtproportionen, sodass die Überhänge der Fahrzeuge kürzer werden, vor allem vorne. Zudem können die Räder größer gestaltet werden. Außerdem profitiert die Größe des Innenraums von den Radständen, was gerade für Skoda ein sehr wichtiges Thema ist. Schließlich ist die Aerodynamik bei Elektrofahrzeugen entscheidend. Hier liefert das Enyaq Coupé ein gutes Beispiel, das mit seinen Kanten und Sicken sehr gut in unser Gestaltungskonzept passt.

Welche Herausforderungen für das Design bergen die immer ausufernderen gesetzlichen Bestimmungen?

Ich sehe das als sportliche Herausforderungen. Das ist ein Prozess, der ja bereits seit Jahren andauert. Für unsere Arbeit als Designer sehe ich da keine großen Probleme. Da zeichnet sich auf gesetzgeberischer Seite nichts ab, was uns davon abhält, das Design umzusetzen, das wir wollen. In den 30 Jahren, in denen ich Autos entwerfe, habe ich schon so vieles erlebt. Mit Kreativität lässt sich vieles umsetzen.

Dann geben Sie doch mal ein Beispiel, wo Sie ganz kreativ sein mussten.

Der Fußgängerschutz beschäftigt uns sehr stark. Der gesamte Bereich um die A-Säule und die Motorhaube sind da schon sehr herausfordernd, da dort viel Raum benötigt wird, um bei einem Unfall möglichst viel Energie aufzunehmen. Beim Scheinwerfer-Thema zum Beispiel spielt uns die Technologie in die Hände, da tut sich noch sehr viel.

Was tut sich da?

Die Größe nimmt weiter ab, da lassen sich Tagfahrlicht und Hauptscheinwerfer in noch kompakteren Modulen zusammenfassen. Dazu kommt die Kommunikation, die über die Scheinwerfer mit der Außenwelt möglich ist, ebenso die individuelle grafische Gestaltung für den Kunden.

Sie haben das Enyaq Coupé angesprochen. Erreicht Skoda damit neue Kunden oder vorwiegend Aufsteiger innerhalb der Marke?

Das Auto ist bezüglich der Akzeptanz einmalig. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele positive Reaktionen es hervorruft, wenn ich damit unterwegs bin – womöglich auch wegen der außergewöhnlichen Lackierung in Mamba Green. Typisch Skoda ist eben, dass es trotz der Coupé-Form auch großen Nutzwert bietet, der Kauf also keine rein emotionale Entscheidung sein muss.

Wie viele Kunden bestellen denn tatsächlich ihr Auto in mamba green?

In 2022 haben sich 17 Prozent der Kunden des Enyaq Coupé gerade für Mamba Green entschieden. Es handelt sich um eine attraktive Kommunikationsfarbe, die Aufmerksamkeit für das Auto erregt. Demnächst wird es wieder so eine auffallende Farbe geben.

Der Vision 7S wirkt gut eine halbe Nummer größer als der Kodiaq. Warum verträgt das die eher volksnahe Marke Skoda?

So viel größer wird der 7S am Ende gar nicht, er bewegt sich in Kodiaq-Dimensionen. Und der Kodiaq ist ja ein akzeptiertes Fahrzeug – auch wegen der hervorragenden Nutzbarkeit des Raums. Dies ist generell eine Stärke von Škoda. Ich bin heute mit einem Superb gekommen, in dem ich nicht nur problemlos mein Rennrad verstaut habe, sondern auch noch einen Koffer dahinter. Diese Funktionalität macht die Marke aus und darauf sind wir auch stolz. Letztlich erwarten das die Kunden von Skoda.

Was zeichnet das Design des 7S aus?

Der Vision 7S ist die Verkörperung unserer Modern Solid-Strategie. Wir haben einen Karosseriekörper geschaffen, der sehr solide wirkt. Darauf haben wir die Aero-Kabine gesetzt. Uns war eine ganz einfache Gestaltung wichtig. Das Fahrzeug basiert im Prinzip auf einer Linie, die sich um das gesamte Fahrzeug zieht. Dadurch wirkt das Auto so, als habe es diese Schulter-Pads, wie sie US-Football-Spieler tragen. Das unterstreicht den beschützenden Charakter, den der Vision 7S für seine Insassen haben soll. Schließlich ist er mit seiner 6-plus-1-Sitzanordnung, bei dem die Babyschale zentral in der Fahrzeugmitte angeordnet ist, klar als Familienfahrzeug positioniert. An Front und Heck verfügt der Vision 7S über sehr markante Leuchten. Wir nehmen an der Front das Vier-Augen-Prinzip des Kodiaq wieder auf, wenngleich in eher vertikaler Anordnung. Dazu kommt die typische Gestaltung der Haube mit dem neuen Schriftzug.

Und das klassische Emblem ist verschwunden?

Bei den BEVs ja, dort nutzen wir den neuen Schriftzug an Front und Heck. Übrigens: Während die Scheinwerfer in einer F-Form dargestellt sind, bilden die Rückleuchten ein T. Durch die Verbindung mit der Leiste entsteht ein extrem hoher Wiedererkennungswert. Wichtig ist für mich, dass man ein Auto mit wenigen Strichen zeichnen kann.

Was schafft es in die Serie: Die gegenläufig öffnenden Türen ohne B-Säule oder die rahmenlosen Scheiben?

Ich gehe davon aus, dass weder das eine noch das andere kommen wird. Beim Showcar allerdings hilft es, das Gestaltungskonzept des Interieurs zu zeigen. Hier ist uns eine demokratische Gestaltung wichtig, also dass Fahrer, Beifahrer und Passagiere gleichermaßen in das Geschehen einbezogen werden. Bei der Bedienung führen wir Dreh-Drücksteller auf der Mittelkonsole ein, um damit eine Brücke zwischen Touch- und haptischer Bedienung zu bauen. Außerdem kommt ein vertikaler Bildschirm zum Einsatz, um bestimmte Informationen gleichwertig untereinander darstellen zu können. Für Pausen jedoch, beispielsweise beim Laden, lässt er sich um 90 Grad drehen. Generell holen wir uns für die Interieur-Gestaltung Inspiration aus der Outdoor-Welt anstelle von Chrom und Leder. Es gibt da tolle Materialien aus dem Camping-, Wander-, und Fahrrad-Bereich.

Kurz nachdem Sie bei Skoda anfingen, habe ich Sie gefragt, welchen Traumwagen Sie einmal für die Marke zeichnen möchten. Haben Sie mittlerweile eine Ahnung, welcher das sein könnte?

Momentan darf ich nur Traumwagen entwerfen! Im Ernst: Mir liegt sehr viel an den Serienfahrzeugen. Träumereien mit irgendwelchen Cabrios sind zwar ganz nett, doch es ist mir eine Herzensangelegenheit, für unsere Kunden gutes Design abzuliefern. Das ist ein Design nicht nur für die Show, sondern das einen Mehrwert für die Menschen bietet.

Verträgt die Marke keinen traditionellen Traumwagen?

Das kann ich nicht abschließend beurteilen. Heute sind die automobilen Herausforderungen eben andere, als dass wir über sowas nachdenken. Sicher, ein Coupé bringt schon aerodynamische Vorteile, was es wieder interessant macht und so einen gewissen Wert bietet. Das Thema Cabrio ist dagegen sehr weit weg. Wer weiß, vielleicht kommt das irgendwann mal.

Wenn jeder neue Skoda für Sie ein Traumwagen darstellt, wie sieht dann das künftige Einstiegsmodell der Marke aus?

Das muss in erster Linie zu einem sehr günstigen Preis anzubieten sein. Was dies für die Gestaltung bedeutet, kann ich noch nicht sagen. Jedenfalls ist es eine sehr reizvolle Aufgabe, daran zu arbeiten. Schließlich haben wir gesellschaftliche betrachtet einige Aufgaben zu lösen. Wir können daher nicht nur SUV auf den Markt bringen. Gerade die Marke Skoda hat durchaus eine gewisse Verantwortung für Vielfalt in der Modellpalette.

Gut, der SUV hat die klassische Stufenheck-Limousine in der Mitteklasse praktisch vollständig verdrängt. Ist der Trend vielleicht doch unaufhaltsam?

Ich bin überzeugt, dass es in Zukunft auch weiterhin flache Fahrzeuge geben wird. Schließlich ist ein SUV gerade in Hinblick auf die Effizienz nicht unbedingt das Beste.

Im Bereich der E-Mobilität steht oft die Fahrzeugarchitektur einem flachen Aufbau im Weg. Ändert sich das mit dem Wechsel von MEB auf SSP im Volkswagen-Konzern?

Das hoffe ich sehr, wir arbeiten zumindest daran.

Damit lässt sich also ein elektrischer Octavia realisieren?

Damit könnte man auch flachere Fahrzeuge realisieren, wie sie schon heute im Angebot sind, ja.

Ist der Octavia noch immer der Skoda schlechthin?

Er ist schon das Herz der Marke, bei allem Erfolg der SUV-Modelle. Der Octavia macht aber die Marke sicher nicht mehr ganz allein aus.

Wann ist Skoda reif für ein Retro-Modell wie dem VW ID.Buzz?

Sehen Sie, der alte VW Bus ist auf der ganzen Welt bekannt, den gibt’s in jedem Spielzeugladen. Ein solch ausgeprägtes Fahrzeug gibt es bei Skoda nicht – stattdessen dienen uns die Klassiker durchaus als wichtige Inspiration. Nehmen Sie zum Beispiel unsere äußerst erfolgreichen Familienfahrzeuge – zum Beispiel den Škoda 1000 MB von 1964 oder alle Generationen der Octavia-Baureihe ...

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten