Batterie mit Silizium-Anode und Passivkühlung
Das Geheimnis des Mercedes-EQXX-Akkus

Bislang galt die Batterie als Schlüsseltechnologie des Elektroautos. Am EQXX betont Mercedes hingegen besonders die Effizienz als entscheidend für die angekündigten 1000 km Reichweite. Aber was ist das Besondere an seinem Akku?

Mercedes-Benz VISION EQXX
Foto: Mercedes

Riesen-Reichweite durch Riesen-Akku – das war von Anfang an eben nicht das Ziel beim Mercedes EQXX. Der sollte stattdessen aus der überschaubaren Energiemenge, die ein Lithium-Ionen-Akku zu speichern in der Lage ist, das Maximum rausholen. Zur Erinnerung: Selbst die riesige Batterie des EQS mit rund 108 kWh Kapazität, trägt vollgeladen nur das Energie-Äquivalent von gut 11 Litern Dieseln. Damit kam Alex Bloch trotzdem rund 680 Autobahnkilometer weit. Das entspricht also einem Verbrauch von rund 1,62 Liter Diesel auf 100 Kilometer – super effizient für eine gut 5 Meter lange Luxuslimousine. Dass da trotzdem noch was geht, zeigen ausgerechnet supersparsame Verbrenner wie beispielsweise VWs 1-Liter-Auto XL1.

Unsere Highlights

Effizienz und Energiedichte rauf, Akkukapazität runter

Der teilt sich mit dem EQXX einen besonders geringen Luftwiderstand, den Mercedes durch einen cW-Wert von nur 0,17 und eine vergleichsweise kleine Stirnfläche erreicht. Aber auch bei der Antriebstechnik haben die als sparsam bekannten Schwaben rausgeholt, was geht. Alex Bloch erklärt im Video wie: Der Motor kommt im Bestfall auf einen Wirkungsgrad von 98 Prozent, ist vergleichsweise klein und arbeitet daher entsprechend oft im optimalen Bereich, bei der Leistungselektronik setzt Mercedes wie Tesla und Hyundai auf Silizium-Karbid, was 50 Prozent weniger Verluste bringt und selbst Getriebe- sowie Motorlager sind auf extremen Leichtlauf ausgelegt.

Mercedes-Benz VISION EQXX
Mercedes
Statt wie aktuell üblich aus Graphit, bestehen die Anoden im EQXX-Akku aus Silizium. Das ist zwar nicht leichter als Graphit, ein Silizium-Atom kann aber vier Lithium-Ionen speichern, während sechs Graphitatome nötig sind, um ein Lithium-Ion unterzubringen.

Das alles erlaubt dem EQXX sogar auf einen Teil der Batteriekapazität des EQS zu verzichten: Statt rund 108 hat er nur rund 100 kWh zur Verfügung. Aber die haben es in sich: Der Akku ist erheblich energiedichter als der des EQS. Volumetrisch ist er laut Mercedes mit 400 Wh/l rund 50 Prozent besser, gravimetrisch sind es 30 Prozent. Der EQS-Akku wiegt 692, der des EQXX nur 495 Kilogramm. Alex Bloch (siehe Video) rechnet anhand der von Mercedes genannten Verbesserung aus, dass der EQXX statt wie der EQS auf 160 Wh/kg auf 210 Wh/kg kommen müsste – ein Wert der vor nicht allzu langer Zeit schon auf Zellebene als gut galt, beim EQXX bezieht er sich auf die Gesamtbatterie. Die profitiert hierbei von einer lediglich passiven Kühlung durch den Fahrtwind, der eine der Aerodynamik wegen flache Platte im Fahrzeugboden an der Akku-Unterseite bestreicht. Fehlende Kühlflüssigkeit und -leitungen sparen natürlich auch Platz, die Zellen können näher aneinander rücken.

Erste Batterie mit Silizium-Anode auf der Straße

Das ist um so bemerkenswerter, als die beim Laden eine beträchtlich Ausdehnung erfahren – zumindest an der Anode. Hier setzt Mercedes nämlich auf eine neue Zell-Chemie: Statt wie aktuell üblich aus Graphit, bestehen die Anoden im EQXX-Akku aus Silizium. Das ist zwar nicht leichter als Graphit, ein Silizium-Atom kann aber vier Lithium-Ionen speichern, während sechs Graphitatome nötig sind, um ein Lithium-Ion unterzubringen. Theoretisch lässt sich so mit Siliziumanoden bis zu zehn Mal mehr Strom bei gleichem Volumen speichern als mit herkömmlichen Graphitanoden. Aber beim Aufladen dehnen sich die Siliziumanoden eben aus – und zwar auf etwa das Vierfache. Beim Entladen schrumpfen sie zwar wieder, aber sie finden dabei nicht automatisch wieder zur selben Form wie vorher, was der Stabilität der Batterie nicht gut tut und aufwendige Gegenmaßnahmen erfordert. Die richtigen haben die Entwickler weltweit noch nicht serienreif, auch der Mercedes-Akku ist ein Prototyp, der aber die beschriebenen 50 Prozent Plus bei der volumetrischen Energiedichte erreicht und im Straßenbetrieb funktionieren soll – ohne aktive Kühlung.

An Hochleistungszellen mit Silizium-Anoden arbeiten auch Porsche und Custom Cells, Elon Musk sprach auf dem Battery Day 2020 davon. Auf eine leistungsfähigere Kühlung kann Mercedes auch deshalb verzichten, weil der EQXX angesichts der großen Reichweite nicht sonderlich schnell Strom nachtanken können muss. Er kommt auf eine maximale Ladeleistung von 120 kW. Zum Vergleich: Der Porsche Taycan schafft bis zu 270 kW.

Hohe Spannung, weniger Stromstärke und Verluste

Dafür ist nicht nur die hohe Bordnetzspannung von 800 Volt (statt der meist üblichen 400 Volt) des Viertürers aus Zuffenhausen verantwortlich – seine Batterie ist eben aufwendig gekühlt. Klar, mit der doppelten Spannung braucht es nur die halbe Stromstärke zur Übertragung der gleichen Leistung, weil die elektrische Leistung sich aus dem Produkt von Spannung und Stromstärke berechnet.

Für den EQXX ist wichtiger: Die halbe Stromstärke bedingt nur ein Viertel der Verluste oder benötigt alternativ dünnere Kabel, die Gewicht sparen. Darum arbeitet die Batterie des EQXX sogar mit 920 Volt. Wie viel der Vorteile durch die entsprechend niedrigere Stromstärke die Schwaben in geringeren Kabelquerschnitt gesteckt haben, war Ergebnis aufwendiger Berechnungen und Simulationen, mit denen die Entwickler ihr Rekordauto in spe insgesamt optimiert haben, um das große Ziel zu erreichen: Einen Verbrauch von weniger als 10 kWh pro 100 km im Straßenbetrieb und damit eine Reichweite von 1000 Kilometer – nicht nur nach WLTP und bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nur wenig unter 100 km/h. Umgerechnet auf einen Diesel entspricht das übrigens einem Praxis-Verbrauch von 1 Liter.

Fazit

Bei den Bemühungen um die bahnbrechende Effizienz des EQXX gerät seine neue Akkutechnologie ein wenig aus dem Blick. Während der Motor ein optimiertes Serienaggregat aus der für 2024 angekündigten Kompaktfamilie auf Basis der neuen Mercedes Modular Architecture (MMA) ist, könnte die Batterie den umgekehrten Weg nehmen: Schon 2020 hat Daimler auf einem Investorentag angegeben, dass man an Silizium-Anoden arbeite – unter anderem mit einem Partner namens Sila.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten