Teststrecken und Prüfgelände
Hier testet die Autoindustrie

Vor jeder Modelleinführung wird die Neuentwicklung von den Autoherstellern unter härtesten Bedingungen auf Herz und Nieren getestet. Wir haben die Testgelände der Autobauer, der Auftragsentwickler und der Reifenhersteller aufgespürt.

BMW Group Future Mobility Center FMDC Sokolov Tschechien Testgelände
Foto: BMW Group

Jüngster Testgelände-Zugang ist das "Future Mobility Center" (FMDC), das die BMW Group nun offiziell in Sokolov in der Nähe der tschechischen Stadt Karlsbad eröffnet hat. Erste Streckenabschnitte sind jedoch bereits seit fast genau einem Jahr in Betrieb. Am neuen Erprobungsstandort treibt der Autohersteller Themen wie Elektrifizierung, Digitalisierung und automatisiertes Fahren voran. In das Areal haben die Bayern rund 300 Millionen Euro investiert; rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um den Testbetrieb.

Unsere Highlights
BMW Group Future Mobility Center FMDC Sokolov Tschechien Testgelände
BMW Group
Auf seinem neuen Testgelände im tschechischen Sokolov testet BMW unter anderem Technologien zum autonomen Fahren.

Auf einer rund 90.000 Quadratmeter großen homologationsfähigen Fläche mit drei getrennten Anlaufspuren lassen sich Assistenzsysteme und das Verhalten bei Querverkehr sowie Notbrems- und Ausweichsituationen optimal testen. Der sechs Kilometer lange Autonomous Driving Highway, ein autobahnähnlicher Rundkurs mit Auf- und Abfahrtsszenarien, dient der Erprobung von autonomen Fahrzeugen auf Autobahnen.

Hankook mit Mega-Reifentestcenter

Reifenhersteller Hankook hat am Standort Taean auf einer Fläche von 126 Hektar das nach eigenen Angaben größte Testareal in Asien hochgezogen und im Mai 2022 eröffnet.

Hankook Teststrecke Technoring Taean Südkorea
Hankook
Auf dem Technoring stehen 13 verschiedene Strecken zur Verfügung.

Das Gelände umfasst 13 Teststrecken vom High-Speed-Oval bis hin zur Offroad-Piste und ermöglicht umfassende Tests aller Produktkategorien, darunter Reifen für Elektrofahrzeuge und Supersportwagen. Die Teststrecken sind für alle Fahrzeugtypen ausgelegt, von Supercars bis hin zu Lastwagen und Bussen. Das Testgelände verfügt zudem über einen Kontrollturm, Bürogebäude, Werkstätten und Tankstellen sowie Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Der 37,1 Meter hohe Tower erfasst den Testfortschritt durch integrierte Überwachungssysteme für alle Testflächen und Klimabedingungen.

Für autonome Fahrzeuge

Der Dienstleister Digitrans unterhält in St. Valentin in Niederösterreich auf dem Gelände von Magna ein Testzentrum, das neben klassischen Testelementen wie Asphaltstrecken mit unterschiedlichen Bodenmarkierungen, Schlechtwegstrecken, Verwindungsbahnen, Offroad-Terrain, unterschiedliche Steigungen und Kreisbahnen bis Ende 2022 um Teststrecken für autonomes Fahren erweitert wird. Die Teststrecke wird speziell für Entwickler und Anwender ausgelegt, die Fahrfunktionen in autonomen Fahrzeugen und Nutzfahrzeugen testen wollen. Der Fokus liegt dabei auf dem Testen unterschiedlichster Verkehrs- und Logistikszenarien bei schlechten Witterungs- und Straßenverhältnissen.

Reifentest-Gelände in Spanien

Im spanischen Santa Cruz de la Zarza, eine Stunde südlich von Madrid, wird der finnische Reifenhersteller Nokian 2021 ein neues, 300 Hektar großes Testzentrum in Betrieb nehmen. Das Gelände ermöglicht ganzjähriges Testen von Sommer-, Ganzjahres- und Winterreifen. Die Gesamtinvestition in das Areal belaufen sich auf etwa 60 Millionen Euro.

Das wohl beeindruckendste Element bildet die ovale, über sieben Kilometer lange Teststrecke mit ihren extremen Steilkurven, die Reifentests mit Geschwindigkeiten von 300 km/h oder mehr ermöglicht. Inmitten der ovalen Strecke wird es mehrere Teststrecken geben, auf denen das Fahrverhalten der Reifen auf nasser und trockener Fahrbahn, beim Bremsen sowie bei Aquaplaning getestet wird. Auf dem Gelände werden außerdem Tests für Reifenzulassungen – wie zum Beispiel Geräusch- und Nassgrip-Einstufungen – durchgeführt werden.

Prüfzentrum in Ungarn

AVL-ZalaZONE entwickelt sein neues Test- und Prüfgelände in Ungarn Stück für Stück weiter. Das 265 Hektar große Areal liegt in Zalaegerszeg und hört auf den schönen Namen "Zala Zone". Das Testzentrum soll das größte seiner Art in Europa sein. Zala Zone bietet unter anderem einen Autobahnabschnitt, ein Hochgeschwindigkeitsoval, eine Smart City Zone für den Test von autonom fahrenden Autos sowie einen knapp zwei Kilometer langen Handlingkurs. Dazu jede Menge Prüfstände und Prüflabore.

Toyota mit neuem Testzentrum in Michigan

Toyota Teststrecke Ottawa Lake
Toyota
Toyota-Testrecke in Michigan.

Um künftig autonom fahrende Autos zu testen baut Toyota am Standort Ottawa Lake in Michigan/USA eine ganz spezielle Teststrecke. Die bietet neben einem Oval, Stadtkulissen und Skidpads. In Betrieb gehen soll die neue Testsrrecke im Oktober 2018. Daimler besitzt ein Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen, 2018 eröffnet der Konzern auf über 500 Hektar eines ehemaligen Bundeswehrstandorts unter anderem seine Teststrecke. Auf den Plänen zeigen sich großzügig angelegte Bahnen für Handling, Top-Speed und Bremsentests.

"Porsche kauft Nardo" lautete im April 2012 die Schlagzeile. Der Stuttgarter Sportwagenhersteller holte die legendäre Teststrecke in Süditalien unter das Dach des VW-Konzerns. Nardo steht für Highspeed. Die 12,5 Kilometer lange überhöhte Kreisbahn gilt als schnellster Rundkurs der Welt. Über 400 km/h sollen hier fahrbar sein. Doch Nardo bietet mehr als nur den Highspeed-Kick. Auf dem über 700 Hektar großen Areal stehen den Testern auch verschiedene Handling- und Offroadpisten zur Verfügung.

Zehn Millionen Testkilometer bis zur Serienreife

Teststrecke Fahrzeugerprobung
Ford
Auch auf Marterstrecken müssen sich die Autos beweisen.

Diese gehören auch bei nahezu jedem anderen Hersteller zur Standardausstattung der Testgelände. Zudem wird auf speziellen Akustikmessstrecken und Bremspisten gefahren. An Steilstrecken mit bis zu 30 Prozent Steigung bleibt kein Testerauge trocken. Marter- und Schlechtwegestrecken setzen dem Fahrwerk zu. Pisten mit Kopfsteinpflasterbelag haben sich hier sogar den Beinamen "Belgische Straße" verdient. Auf Skidpads und bewässerten Pisten werden Fahrdynamiksystemen die optimale Abstimmung beigebracht. Andere Kurse simulieren Bergstraßen oder Stadtfahrten. Getestet werden einfach alle Fahrsituationen die Autos im Alltag begegnen können.

Ergänzend zu den Fahrten auf den Testgeländen müssen sich die Prototypen natürlich unter anderem auch unter eisigen Bedingungen im hohen Norden beweisen und Hitzeschlachten in Afrika oder dem Death Valley schlagen. Auf dem Programm stehen aber auch schnelle Runden auf der Rundstrecke – gerne trifft man sich dazu auf der Nürburgringnordschleife – oder auf etlichen Kilometern im normalen Straßenverkehr.

Wie hoch die Testvorgaben sind, zeigt Porsche am Beispiel Nardo. Begünstigt durch das milde Klima sollen sich dort die Testräder ganzjährig in drei Schichten an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr drehen. Insgesamt sammeln die neuen Modelle so schon vor dem Marktstart gut zehn Millionen Testkilometer.

Wo die Autobauer diese Distanzen zurücklegen, zeigt die Fotoshow mit zahlreichen Testgeländen der Autobauer weltweit.

Fazit

Autohersteller, Zulieferer und Auftragsentwickler unterhalten weltweit zahlreiche Teststrecken und Testzentren, in denen Testfahrerinnen und Testfahrer Millionen von Kilometern abspulen. Ein enormer Aufwand, um die Produkte alltagstauglich zu machen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

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