Digitale Sprachassistenten im Test
Wer gehorcht dem Fahrer am besten?

Nach Apple Siri und Google Assistant drängt mit Amazon Alexa ein weiterer Sprachassistent ins Auto. Mercedes hingegen kontert mit einem eigenen Dienst, der besonders auf die Bedürfnisse im Fahrzeug ausgelegt sein soll. Wer gehorcht am besten?

Digitale Sprachassistenten, Innenraum
Foto: Hans-Dieter Seufert

Von Liebe aufs erste Wort kann bei der Sprachbedienung im Auto nun wirklich keine Rede sein. Obwohl die Entwicklung schon in den 1980er-Jahren begann, redeten Mensch und Maschine lange aneinander vorbei. Mehr als schlichte Navigationsadressen oder Telefonnummern verstand die einfache Auto-Hardware bis vor Kurzem meist nicht.

Die Sprachassistenten der großen Internetkonzerne laden Kommandos hingegen auf ihre Server, wo sie von leistungsfähigen Rechnern analysiert werden. Dies versetzt sie in die Lage, natürliche Sprache zu verstehen, ohne dass Anwender an Schlüsselbegriffe oder konkrete Formulierungen denken müssen. Über ein gekoppeltes Handy funktionieren Apple Siri und Google Assistant auch im Fahrzeug und lassen die Eingabesysteme der meisten Autobauer ziemlich alt aussehen. Jetzt drängt mit Amazon ein weiteres IT-Schwergewicht ins Fahrzeug, und Seat gelang es als erstem Hersteller, Amazons Assistentin Alexa zu integrieren. Doch die Autobauer wollen Sprachassistenten nicht mehr länger anderen überlassen.

Kommando: „Hey Mercedes“

Beim Infotainment-System MBUX, das in der A-Klasse debütierte, nutzt Mercedes ebenfalls das Cloud- Prinzip. Autohersteller haben prinzipiell den Vorteil, die Sprachassistenz mit Fahrzeugfunktionen koppeln zu können, um auch Heizung oder Bordcomputer zu steuern.

Digitale Sprachassistenten, Mercedes M-BUX
auto motor und sport
Mercedes entwickelt ein eigenes Assistenzsystem.

Das funktioniert zum Teil prima. So genügt es, „Hey Mercedes, wie viel Sprit ist im Tank?“ zu fragen, und schon nennt die Assistentin die Restreichweite in Kilometern. Selbst Nebensächliches wie „Stelle das Ambientelicht auf Rot“ setzt das System ohne Nachfrage um. Zudem ist das zusammen mit Nuance entwickelte System in der Lage, logische Zusammenhänge zu erkennen: „Mir ist kalt“ deutet MBUX als Aufforderung, die Heizung ein Grad höher zu schalten. Infotainment-Eingaben wie Navigationsadressen versteht MBUX ebenfalls mit hoher Trefferquote. Um mit der A-Klasse sprechen zu können, muss mindestens das Basis- Navigationspaket für 1.357 Euro bestellt werden, das mit einer SIM- Karte zum Datenaustausch ausgestattet ist.

Zu hohe Erwartungen sollte man aber nicht hegen: Mit „Fahr mich zur günstigsten Tankstelle“ konnte MBUX nichts anfangen, obwohl auf dem Display die Spritpreise umliegender Zapfsäulen angezeigt werden. Bei „Navigiere mich zu einem Bäcker auf meiner Route“ wurden auch Bäckereien genannt, die abseits davon liegen. Und die für Mietwagenfahrer interessante Frage „Auf welcher Seite ist der Tankdeckel?“ führte zur Verwirrung.

Mercedes teilt hierzu auf Nachfrage mit, dass das System am Anfang seiner Entwicklung stehe und nach und nach mit weiteren Funktionen versehen werde. Dafür punktet MBUX anderweitig: Da die klassische Onboard- Sprachsteuerung parallel zur Cloud-Variante eingebaut wird, lassen sich viele Sprachfunktionen auch im Funkloch nutzen. Und wer lieber mit Assistenten aus Fleisch und Blut redet, ruft einfach den Concierge-Service an.

Alexa hat bei Seat noch nicht viel zu melden

Zudem funktioniert MBUX auf Anhieb, was man von Alexa im Seat nicht behaupten kann: Um den Dienst im Kompakt-SUV Ateca zum Laufen zu bekommen, muss zunächst Seats Media-Control-App aufs Handy geladen werden. Das Smartphone wird dann per Bluetooth gekoppelt und anschließend gleich nochmals als WLAN-Hotspot, um überhaupt eine Internetverbindung aufbauen zu können.

Doch was die Steuerung von Fahrzeugfunktionen betrifft, lohnt sich der Aufwand nur bedingt: Beim Test ließen sich zwar Radiostationen und Navigationsadressen eingeben, doch Anfragen zum Spritvorrat oder zu Sonderzielen entlang der Route verliefen ergebnislos. Auch die Klimaanlage ließ sich nicht einstellen. Kurios endete die Frage nach Staus, worauf im Handy-Display eine Internetseite mit der aktuellen Verkehrslage erschien – in winziger Schrift.

Digitale Sprachassistenten, Amazon Alexa
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Nur Seat hat Alexa bisher integriert.

Bei Funktionen, die nichts mit dem Auto zu tun haben, stellte sich der Dienst wesentlich besser an: Den nächsten Termin im Kalender nannte Alexa umgehend. Zudem greift sie bei entsprechendem Abo auf Millionen Songs von Amazon Music zu oder nimmt Bestellungen der Versandhausmutter entgegen, sofern die „1-Click“-Option eingestellt wurde. Auch vernetzte Heimgeräte lassen sich so steuern. Doch all dies funktioniert auch mit der Alexa-App auf dem Handy, der Mehrwert durch die Verbindung mit der Autoelektronik hält sich in überschaubaren Grenzen.

So gut sind Siri und Google Assistant

Die Assistenten von Apple und Google sind ohnehin ans Handy gebunden, sie lassen sich jedoch auch im Fahrzeug nutzen, sofern das eingebaute Infotainment-System Apple Carplay oder Android Auto unterstützt. Die Systeme machen Reisen komfortabler, weil sie Restau- rants am Zielort per Sprachsuche finden, die Wetteraussichten kennen oder sich Whatsapp-Nachrichten diktieren lassen, ohne dass die Hände vom Lenkrad genommen werden müssen. Wird ein Radiosender gewünscht, öffnet Google die Internetradio-App TuneIn, während Apple auf den UKW-Tuner im Auto schaltet und den zuletzt eingestellten Sender spielt – immerhin.

Digitale Sprachassistenten, Goggle Assistant
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Google Assistant geht als Testsieger aus dem Vergleich.

Wer die Navigationsfunktion des Handys nutzt, kann zudem Zieladressen aufsprechen oder sich zu Geschäften und Sonderzielen entlang der Route führen lassen.

Sich Staus auf der Strecke durchsagen zu lassen, funktionierte jedoch in beiden Fällen nicht, obwohl Google Maps und Apple-Karten diese detailliert einzeichnen und die Behinderungen daher kennen müssten. Dafür lassen sich die unterstützten Musik-Apps wie Spotify per Sprache steuern.

Zudem begeistern beide Systeme mit ihrer hohen Erkennungsrate der Sprachansagen. Google hatte hier die Nase vorn und schnitt von allen vier Assistenten am besten ab. Selbst lange und undeutlich dahingenuschelte Befehle wurden fast immer korrekt verstanden.

Info: Alexa zum Nachrüsten

Digitale Sprachassistenten, Alexa nachrüsten
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Alexa zum Nachrüsten ist bisher nur in den USA erhältlich.

Derzeit integrieren mehrere Hersteller Alexa in ihre Infotainment-Systeme. Doch auch Fahrer von älteren Autos sollen die Sprachassistentin bald an Bord holen können. In den USA bietet Amazon seit September 2018 ein kleines Kästchen mit dem Namen Echo Auto an, das über acht Mikrofone verfügt, um Kommandos auch bei Fahrgeräuschen im Hintergrund verstehen zu können. Ein gekoppeltes Smartphone mit installierter Alexa-App stellt die Internetverbindung her, Strom kommt über USB oder Zigarettenanzünder. In den USA kostet das Gerät umgerechnet 25 Euro; wann es nach Deutschland kommt, ist noch unklar.

Fazit

Seats Alexa-Integration enttäuscht durch die komplizierte Anbindung und den begrenzten Funktionsumfang bei Fahrzeugdiensten. Obwohl beides bei Mercedes besser gelöst ist, spürt man deutlich, dass sich das System erst am Anfang seiner Karriere befindet. Mercedes muss schnell nachlegen, um es lebendig zu halten. Wie komplex das Thema ist, zeigt sich daran, dass selbst bei den Software- Profis Apple und Google nicht alles glatt läuft.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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