Alexander Bloch erklärt Technik rund ums Auto
Fünf Todsünden auf den ersten 1.000 Kilometern

Sind moderne Autos so exakt gefertigt, dass ein Einfahrprozess überflüssig ist? Nein. Ein gut eingefahrenes Auto fährt besser und lebt länger. In dieser Folge von "Bloch erklärt" erfahren Sie, warum das so ist.

Was war das früher für ein Aufwand: Nach rund 1.000 km musste der Neuwagen der Werkstatt schon wieder Hallo sagen, um das sogenannte Einfahr- gegen Langzeit-Öl auszutauschen. Das Ganze war nötig, um gröberen Metallabrieb aus dem Motor zu schwemmen. Ein lästiger Akt, der heutzutage dank exakter gefertigter Motoren nicht mehr notwendig ist. Wer jetzt aber denkt, damit sei der Einfahrvorgang eines Autos obsolet, der fügt ihm Frühschäden zu, von denen sich der Motor nie mehr richtig erholt. Die ersten ein-, zweitausend Kilometer sollte er besonders behutsam behandelt werden.

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Erste Grundregel, die im Übrigen für jedes Motoralter gilt: Höhere Drehzahlen erst dann abrufen, wenn das Öl und der Motor warm sind. Kaltes Öl schmiert noch nicht richtig, und die verschiedenen Motormetalle dehnen sich bei Erwärmung unterschiedlich aus. Dabei werden Toleranzen im Tausendstel-Millimeter-Bereich aufgebraucht. Aber selbst mit warmer Maschine sollten bei einem ganz neuen Motor weder Hochdrehzahl- noch Volllast-Orgien gefeiert werden. Auch hier müssen sich winzige Unebenheiten im Zylinder und Kolben erst einlaufen, ohne dass feine Fräsmuster, an denen das Öl besser haftet, beschädigt werden. Wer am Anfang eine längere Strecke bei wechselnden Drehzahlen im mittleren Bereich absolviert, macht schon viel richtig. Dass sich die beweglichen Teile beim Auto erst mal einlaufen müssen, zeigt sich zudem am leicht sinkenden Spritverbrauch über die ersten paar Tausend Kilometer.

Bremsen einschleifen

Obwohl ein Turbolader nicht direkt eingefahren werden muss, sollte ihm der Fahrer nach einer größeren Anstrengung das ganze Autoleben lang eine lastarme Abkühlphase im Fahrtwind gönnen. Jochen Müller, Leiter Vorentwicklung bei Bosch Mahle Turbo-Systems, erklärt: "Stellt der Fahrer nach einer längeren Vollgasfahrt den Motor unmittelbar ab, kann sich ein Hitzestau am turbinenseitig bis zu 1.000 Grad heißen Lader bilden, der zur Verkokung des Schmieröls im Lager führen kann." Dieser Ölschmodder killt den Lader.

Die Bremsen benötigen dagegen eine Einbremsphase, bei der sich das Riefenbild von Belag und Scheibe anpasst, sich also Berge in Täler fügen. Reiben kleine Bergspitzen aufeinander, bilden sich Hitzenester. Bis die Topografie von Scheibe und Belag perfekt ineinanderschleift, dauert es einige Hundert Kilometer, bei denen die optimale Verzögerung noch nicht erreicht wird. Daher sollte sich der Fahrer auf einen längeren Bremsweg einstellen. Ein allzu sportlicher Gas- und Bremsfuß verbietet sich am Anfang von selbst, aber einige mittlere Verzögerungen aus nicht zu hohem Tempo verkürzen den Anpassungsprozess. Darauf sollte immer eine Abkühlphase im Fahrtwind folgen. Das Ausgasen der Bremsbeläge übernehmen freundlicherweise die Herstellerfirmen im Produktionsprozess. Vollbremsungen, die der Sicherheit dienen, sind vom Einfahrprozedere ausgenommen. Der Vordermann wird es nicht als Entschuldigung annehmen, wenn Sie in seinem Heck stehen und von Hitzenestern faseln.

Neue Reifen benötigen ebenfalls einen Einfahrprozess. Damit sie besser aus ihrer Vulkanisierungsform herausflutschen, wird bei manchen noch ein Trennmittel eingesetzt, das wie die Butter in einer Kuchenform wirkt. Dieses muss auf den ersten 150 Kilometern abgetragen werden, damit der Reifen richtig greift. Wenn die Lauffläche nicht mehr glänzt, ist das Zeug runtergefahren. Wie Rennreifen zeigen übrigens auch normale Pneus besseren Grip, wenn sie warm gefahren sind. Schlussendlich sollte man dem Feder-Dämpfer-System des Autos eine mechanische Einschwingphase gönnen. Ganz allgemein gilt eben: Am besten behandelt man sein mobiles Schätzchen das ganze Autoleben lang sorgsam.

Für welche mobilen Schätzchen sich die Mehrheit in der EU aktuell entscheidet, erfahren Sie in unserer Bildergalerie.