24h-Projekt Langstreckenrennen Nürburgring 2010
Hockenheimrunde im Porsche 911 GT3 RS

Inhalt von

Unter Aufsicht und Mitwirkung der Rallye-Legende Walter Röhrl lieferte der für das 24-Stunden-Rennen am Ring vorbereitete Porsche 911 GT3 RS die ersten Zeugnisse seines Könnens ab: Die Bombenzeit mit Straßenreifen auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim war aber nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen soll...

Porsche GT3 RS, 24h-Projekt 2010 Logo
Foto: Gargolov, Bauer

Mit einem nagelneuen, konzeptionell primär nicht auf eine steile Rennkarriere hin optimierten Seriensportwagen beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring anzutreten, ist grundsätzlich in etwa so risikobehaftet wie das Ausscheidungsprozedere des TV-Formats Deutschland sucht den Superstar. Jeder, der nur eine vage Vorstellung davon hat, welche Dramaturgien das Traditionsrennen am Ring parat hält und welch ungewohnter Belastung Mensch und Maschine ausgesetzt sind (noch dazu solche, deren Profession normalerweise eine andere ist), würde abwinken und die Empfehlung geben, stattdessen besser Geld und Engagement in Erfolg versprechendere Projekte zu stecken – frei nach dem Motto: Eine Sternfahrt durch die Eifel – wie wär‘s damit?

Unsere Highlights

Das von sport auto seit nunmehr zehn Jahren gelebte Prinzip, beim jährlich anberaumten 24-Stunden-Klassiker bewusst nicht auf Nummer sicher zu gehen, sondern wegen der sich dahinter verbergenden interessanteren Geschichte das Risiko eher zu suchen denn zu minimieren, ist in diesem Jahr zugegebenermaßen etwas aufgeweicht. Der Hauptakteur des von sport auto in Zusammenarbeit mit der Porsche AG initiierten 24h-Projekts 2010, der neue Porsche GT3 RS, zeigt in seinem für den Gebrauch auf öffentlichen Straßen adaptierten Gencode nämlich ein paar Abschnitte, die eine starke Übereinstimmung mit jenen Hardcore-Typen aufweisen, die als reinrassige Rennfahrzeuge jährlich zu Dutzenden die Porsche-Rennsportabteilung in Weissach verlassen. „Bei anderen Straßenautos musst du mindestens 80 Prozent der Teile austauschen, bevor du mit ihnen Rennen fahren kannst. Bei einem Porsche sind das höchstens 30 Prozent“, sagt einer, der es wissen muss. Und der als Mitinitiator maßgeblichen Anteil an der Aufmerksamkeit hat, die das ebenso kühne wie thematisch naheliegende Projekt schon jetzt hervorgerufen hat.

Supertest-Kandidaten vom Band zum 24-Stunden-Racer umfunktionierte

Die Rallye-Ikone Walter Röhrl fungiert keineswegs bloß als Porsche-Repräsentant: Er ist in Personalunion auch als Fahrer und Integrationsfigur in einer seit Kurzem fest formierten Vierer-Riege engagiert, deren Rennstrategie sicher nicht aufgrund ihres gehobenen Altersschnitts eine betont zurückhaltende Attitüde zeigt: „Wir müssen einfach nur ankommen“, lautet die einfache Formel, die den Erfolg am Ende zwar fest mit einschließt, aber zu Beginn der spannenden 24-Stunden-Aufführung nicht unbedingt ein veritables Feuerwerk erwarten lässt. Solch nassforsches Vorgehen möchte man zunächst doch lieber den anerkannten Favoriten überlassen, deren vornehmliches Betätigungsfeld die Rennstrecke ist, und nicht – wie beim GT3 RS – die öffentliche Straße.

Die 30-Prozent-Schätzung des als „Wiederheimkehrers“ am Ring huldvoll gefeierten Rallye-Doppelweltmeisters erscheint angesichts des überschaubaren Maßnahmenpakets, das man dem GT3 RS seitens der Motorsportabteilung in Weissach angedeihen ließ, freilich fast schon etwas übertrieben. Das binnen kürzester Zeit vom einfachen Supertest-Kandidaten vom Band zum 24-Stunden-Racer umfunktionierte RS-Modell zeigt sich nämlich ab Werk bereits so stark qualifiziert, dass es die ersten Proberunden auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim unter Röhrls kritischen Augen aus dem Stehgreif mit einer Bestzeit von 1.09,5 Minuten absolviert – knapp eine Sekunde schneller als die Basis-Variante GT3 (1.10,4 min) – Hier geht es zum Supertest Porsche 911 GT3. Und das bei äußeren Bedingungen, die dem 450-PS-Boxer wegen der höheren Sauerstoffkonzentration zwar gemundet, aber nicht den wärmeabhängigen Semislicks (Michelin Pilot Sport Cup 2) das passende Arbeitsfenster geöffnet haben dürfte. Die Rede ist von einer Lufttemperatur, die üblicherweise nicht zu den Bedingungen gehört, um fahrdynamische Höchstleistungen zu vollbringen: null Grad Celsius.

Die begeisternde Darstellung des Status Quo hat insofern große Aussagekraft, als daraus schon mal eine grobe Hochrechnung bezüglich der Ring-Kompetenz abgeleitet werden kann. Die kühne Schätzung, wonach eine Nordschleifen-Runde mit dem Serien-GT3 RS in rund 7.30 Minuten möglich erscheint, ist von Röhrl unter der Hand spontan bestätigt worden.

Das Fahrerteam: Walter Röhrl, Roland Asch, Horst von Saurma und dem Engänder Chris Harris

„Der fährt sich so einfach, das ist fast ein Kinderspiel, den am Limit zu bewegen“, beschreibt auch er das Fahrverhalten des RS-Modells, das in seiner Ausgewogenheit und Kontrollierbarkeit dieselbe Qualität aufweist wie das schon mit Höchstpunktzahl im Supertest geehrte Basismodell GT3. In Summe nur eben alles einen Tick besser – und schneller – als das etwas zivilere Schwestermodell, das die Nordschleifenrunde binnen 7.40 Minuten hinter sich brachte. Die in Hockenheim in serienmäßiger Verfassung gezeigte Vorstellung geriet beim darauffolgenden Roll out auf dem Porscheeigenen Can Am-Kurs in Weissach nicht minder eindrucksvoll – wenn auch unter anderen Vorzeichen und in sichtbar veränderter Verfassung. Die serienmäßigen 19-Zoll-Zentralverschlussräder sind den 18-Zöllern des GT3 Cup gewichen, der rückwärtige Käfig ist mit einer verschraubten Ergänzung versehen, die nun auch den vorderen Cockpitbereich mit einschließt. Statt der Keramikbremsscheiben blitzen nun Stahlscheiben durch das Kreuzspeichendesign der rot lackierten Cup-Räder, und die Mittelkonsole sowie das Lenkrad offenbaren ein paar zusätzliche Schalter, Knöpfe und Kipphebel, die in ihrem funktionalen Minimalismus gleichfalls eindeutig auf das bevorstehendes Großereignis schließen lassen.

Porsche 911 GT3 RS-Rennmodell wiegt 1.420 Kilogramm

„Das zusätzliche Gewicht durch die schwereren Stahlbremsscheiben, das auf 110 Liter erweiterte Tankvolumen und den raumgreifenden Käfig haben wir“, so Projektleiter Andreas Preuninger, „durch die Demontage des Beifahrersitzes natürlich nicht kompensieren können.“ Mit vollgetankt knapp 1.420 Kilogramm ist der für die Langstrecke mit den notwendigsten Accessoires ergänzte GT3 RS somit etwa 50 Kilogramm schwerer als die in der Serie leichteste RS-Version mit 67-Liter-Tank (1.370 kg). „Auf den Geraden werdet ihr wegen des guten cW-Werts und des geringeren Abtriebs trotzdem zu den Schnellsten zählen“, zeigt sich ein Mann überzeugt, der als Regisseur an den Rennstrecken der Welt eine Berühmtheit erlangt hat, die der eines Walter Röhrl nur wenig nachsteht: Porsche-Renningenieur Roland Kussmaul wird das Fahrerteam, bestehend aus Walter Röhrl, Roland Asch, Horst von Saurma und dem Engänder Chris Harris, beim 24-Stunden-Rennen mit seinen Mitteln genau dort hin manövrieren, wo er es hin haben will – sofern die Piloten denn willens und in der Lage sind, ihm aufs Wort zu gehorchen.

Technische Daten
Porsche 911 GT3 RS
Grundpreis150.155 €
Außenmaße4460 x 1852 x 1280 mm
Kofferraumvolumen105 l
Hubraum / Motor3797 cm³ / 6-Zylinder
Leistung331 kW / 450 PS bei 7900 U/min
Höchstgeschwindigkeit310 km/h
Verbrauch13,2 l/100 km