Mercedes A 220 d im Test
Unsere Bilanz nach 100.000 km mit dem Kompakten

In Generation vier der A-Klasse hat Mercedes den digitalen Assistenten eingeführt, der sich über den knappen Ausruf "Hey Mercedes!" aktivieren lässt. Vor allem auf den weiten Reisen während des Dauertests erwies er sich als hilfreich.

Mercedes A 220 d
Foto: Christian Gebhardt

Bitte nicht "Mercedes" sagen, denn dann fragt sie resolut: "Was kann ich für dich tun?" Selbst wenn es nichts zu tun gibt. Sie, das ist die virtuelle Sprachassistentin im A 220 d. Sie musste vor Übereifer geschützt werden – indem man den Mitfahrern noch vor dem Zustieg die Reizwortregel erklärte. Bis zum Fresh-up 3, einem Update des Systems – seitdem reagiert die Digitaldame nur nach einem "Hey" oder "Hallo" vor dem "Mercedes".

Woke Zeitgenossen mieden sicherheitshalber völlig das M-Wort. Indes sorgte "Hey Mercedes" in Verbindung etwa mit "Ich habe Hunger" für direkt ins Display eingespielte Restaurant-Tipps – in einer unbekannten Region äußerst praktisch. Wem a) die Reizwortregel zu mühselig oder b) die Idee, einen permanenten digitalen Lauscher an Bord zu haben, zu gruselig ist, der kann die "Hey Mercedes"-Erkennung im Menü abstellen. Fortan werden Spracheingaben ausschließlich nach Druck auf eine Taste erkannt.

Unsere Highlights

Gerne in fremden Gegenden

Der Vorteil von gesprochenen gegenüber getouchten Bedienbefehlen: Man muss nicht aufs Display schielen. Obgleich das hilfreich sein kann, etwa in der Pole-Position an der roten Ampel. Dann zeigt MBUX die Leuchtzeichen auf dem Bildschirm an. Kein Kopfverrenken nötig, um das Umschalten auf Grün zu erkennen. MBUX, die Mercedes-Benz User Experience, ist das Infotainment mit Internetanschluss. Optional projiziert es Richtungspfeile auf den Screen. Zusätzlich zu den kleinen Navigationspfeilen im praktischen Head-up-Display (1.178 Euro) erscheinen größere Pendants, virtuell ins Bild der Frontkamera integriert, auf der gefilmten Abbiegespur. Toll bei unklarer Straßenführung in der Fremde.

Mercedes A 220 d
Achim Hartmann
Das Auto: Agiler Kompakter mit Vierzylinder-Diesel (190 PS), Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und Vorderradantrieb Der Preis: Testwagenpreis 58.343 Euro inklusive luxuriöser Ausstattung.

Und die A-Klasse ist gern, häufig und lange in der Fremde unterwegs. Was daran liegt, dass man einfach gern, häufig und lange mit ihr unterwegs ist. Denn im A 220 d ist das Mercedes-Gefühl tatsächlich präsent. Es äußert sich etwa in der überraschten Feststellung, dass man nun bereits seit geraumer Zeit am Steuer sitzt, dabei schnell vorwärtskommt und die Mühen der Reise kaum spürt. Wir beschreiben hier die Mercedes-Moderne; die bräsige Behäbigkeit früherer Basisbaureihen wird längst nur noch im Museum ausgestellt. Mit der A-Klasse erwirbt man liquide Agilität gepaart mit fürsorglichem Federungskomfort – sofern man sich die adaptiven Stoßdämpfer für 1.178 Euro gegönnt hat.

Damit stellt sich trotz der überschaubaren Karosseriegröße tatsächlich ein Hauch des markentypischen Umsorgtsein-Gefühls ein – zumindest auf den beiden vorderen Sitzplätzen. Hinten im nicht gerade urgemütlichen Fond, da zieht man ein Zweite-Klasse-Billett. Die Musik spielt vorn. Wortwörtlich. Kollegen berichteten begeistert von Fahrten, auf denen sie eine tolle Zeit hatten: mit sich, ihrer Lieblingsband und der druckvollen Burmester-Anlage. Sie lohnt die 863 Euro Aufpreis.

Weil unser Testwagen mit vielen Extras verwöhnt, würde er heute 58.343 Euro kosten. Sie merken: Die Mercedes-Haftigkeit macht nicht vor den Preisen halt. Im Oktober 2019, als der Dauertester erstmals in unsere Tiefgarage rollte, da hätte ein A 220 d ohne alles mindestens 37.045 Euro gekostet; heute 39.002 Euro.

Gut, dafür gibt es den nicht leise, aber satt loslegenden Vierzylinder-Diesel. Leider auch das zwangsverplombte Doppelkupplungsgetriebe. In Verbindung mit dem Start-Stopp-System sorgt es an Ampeln für lähmende Momente: etwa wenn man an die Rotphase heranrollt, der Motor gerade stoppt und das Lichtzeichen auf Grün springt. Woraufhin das erneute Zünden störend lange dauert, sich die Kupplung verhaspelt und es verzögert weitergeht – dafür mit einem spürbaren Ruck. Ein anders gearteter Ruck kann durchaus Adrenalinstöße verursachen: beim Rückwärtseinparken am Berg. Zunächst rollt die A-Klasse vor, daraufhin, mit etwas stärkerem Druck auf das Gaspedal, schließt die Kupplung zu rabiat und der Kompakte springt in die Lücke. Wohl dem, der den linken Fuß vorsichtshalber über dem Bremspedal schweben hat.

Mercedes A 220 d
Achim Hartmann
Assistenz: Einige Systeme irritieren mehr, als dass sie nützen. Bedienung: Man kann sich in einigen Untermenüs verirren – besser per Sprache bedienen.

Ruck, die Dritte: Dieser geht durchs Fahrzeug, sobald man sich einer durchgezogenen Begrenzungslinie nähert. Der Spurhaltewächter scheint einen drohenden Ausritt zu befürchten und geht abrupt einseitig in die Eisen. Dem Schreck folgte das vergrätzte Deaktivieren via Schnellzugriff – bei jedem künftigen Fahrtantritt aufs Neue. Ähnliches, nur umgekehrt, gilt für den beliebten Eco-Modus. Ihn merkt sich das Set-up nicht. Dabei ist er gut abgestimmt, hält die Drehzahl im niedrigen Bereich, surft die Drehmomentwelle. Und er kuppelt im Schiebebetrieb aus. Auch das hilft, den Kompakten sparsam zu bewegen – Verbräuche unter fünf Litern auf 100 Kilometer setzen keine Schleichfahrt voraus.

Panisches Bremsen

Zurück zu den Assistenten: Der Abstandstempomat irritiert – indem er spät auf langsamer werdende Vordermänner reagiert, dicht auffährt, anschließend panisch bremst, zuweilen untermalt von Warntönen. 1440 Euro will wohl nicht jeder für überaktive Helfer springen lassen.

Doch sie schleichen sich möglicherweise durch die Hintertür ins Fahrzeug. Dann, wenn man sich für das Technik-Paket mit den tollen Adaptivdämpfern, der standfesten größeren Bremsanlage vorn und dem hellen Multibeam-Licht für 3.558 Euro entschieden hat. Und damit – Zwangskoppelung! – auch für die Aufpasser.

Viermal zum Service

Ein weiterer digitaler Aufseher meldete sich serienmäßig: der Hinweis im Cockpit, um den Kundendienst anzumahnen. Alle 25.000 Kilometer oder einmal im Jahr zog es die A-Klasse Richtung Hebebühne. Also insgesamt viermal über den Testzeitraum – anderen Langstrecken-Läufern reichten während der 100.000 Kilometer drei Aufenthalte.

Mercedes A 220 d
ams
Antrieb: Effizient und kräftig – der Motor passt gut zur A-Klasse. Fahrwerk: Unbedingt die adaptiven Stoßdämpfer wählen – für einen tollen Komfort.

Mit Reparaturen dagegen hielt sich der A 220 d zurück. Nach einer Fehlermeldung musste die Frontkamera justiert werden. Zudem wurde eine Undichtigkeit im Kühlmittelkreislauf vermutet, und später gab es einen rätselhaften kurzzeitigen Leistungsverlust zu klären – in beiden Fällen ließ sich jedoch kein Defekt feststellen. So schließt der Kompakte im Mängelindex zwar nicht mit dem ersten Platz ab, verdient sich dennoch die sehr gute Beurteilung "A" – im US-amerikanischen Notensystem entspricht das unserer "1", also der fast besten Note. Darüber gäbe es noch das Plus, im Deutschen den Stern. Den enthalten wir dem A 220 d nach 100.000 Kilometern vor. Der im Kühlergrill muss genügen.

Stärken & Schwächen

Interessant bis faszinierend waren die Extras der A-Klasse im Bereich der Mercedes-Benz User Experience (MBUX). Etwa die Abbiegepfeile der Augmented Reality, welche das Navigieren in unklaren Verkehrssituationen sehr erleichterten. Oder die ins Display ein- gespielte Ampel, die man somit bequem auf dem Bildschirm beobachten konnte, statt den Kopf nach schräg oben verrenken zu müssen. Doch Extras wie diese sorgten andererseits dafür, dass der A 220 d einmal ungeplant die Werkstatt zum Justieren der Frontkamera aufsuchen musste – tatsächlich kostete das nichts, im übertragenen Sinne allerdings den ersten Platz in der Rangfolge des Mängelindex (siehe dazu auch die letzte Testseite).

Mängelindex

Mit einem einzigen Mängelpunkt landet der Mercedes A 220 d auf dem zweiten Rang hinter drei Erstplatzierten – darunter die A-Klasse von 2016. Den einzigen Mängelpunkt rief übrigens eine Fehlermeldung hervor und kein Defekt im eigentlichen Sinne. Was unter anderem positiv auffällt: der vergleichsweise geringe Wertverlust des kompakten Fließheck-Viertürers.

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Vor- und Nachteile
Plus/Minus
Angenehmer Reisewagen
Kompetente Federung
Kräftiger Motor
An den Fahrleistungen gemessen niedriger Verbrauch
Hohe Reichweite
Präzise Routenführung
Praktisches Head-up-Display
Bildschirme mit hoher Auflösung
Vorwiegend leichte Bedienung
Guter Qualitätseindruck
Helles Licht (Multibeam-LED), das ...
... teils den Gegenverkehr blendet
Irritierende Bremseingriffe
Ruckelig arbeitendes Getriebe
Tief sitzende Karosserie mit langem Frontüberhang

Fazit

Angesichts des umfangreichen Technikangebots samt permanentem Internetzugang und Augmented Reality sowie kamerabasierten Helfern hatten wir zu Beginn des Dauertests Bedenken, was da an Fehlern und Defekten auf uns zukommen könnte. Tatsächlich aber machten vor allem die Assistenten für Spurhaltung und Bremsvorgänge negativ auf sich aufmerksam. Von deren Sperenzchen abgesehen bereitete der A 220 d viel Freude – vor allem im ganz eigentlichen Sinne: Man fuhr sehr gerne mit dem Kompakten. Fahren, jawohl, ganz einfach fahren. Herrlich!

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten