Audi E-Tron 55 und Q8 50 TDI im Test
Welcher Audi-SUV bietet das bessere Paket?

Diese beiden Audi-Modelle zählen zu den größten und besten SUV hierzulande. Doch während der Q8 auf einen Dreiliter-Diesel setzt, wartet der E-Tron Sportback mit E-Motoren und elektrischem Allradantrieb auf. Welcher bietet das bessere Paket?

Audi E-Tron Sportback 55 oder Q8 50 TDI
Foto: Hans-Dieter Seufert

Das Richtzeichen 315 aus der Anlage 3 § 42 der StVO erhält derzeit mehr Gewicht, als es seine Erfinder wohl je erwartet hätten. Zu sehen ist ein weißes P auf blauem Grund und ein Auto, das mit zwei Rädern auf einem Gehweg parkt. Die Botschaft: Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 2,8 Tonnen dürfen hier nicht parken. Bei einem Verstoß werden mindestens zehn Euro fällig. Mag sein, dass solvente Kunden sich um die Knöllchen nicht weiter scheren, doch für Wiederholungstäter könnte es mal enger werden, wenn der SUV via Abschlepper ins Nirgendwo reist. Besonders im Visier der städtischen Zielfahnder sind – Sie ahnen es längst – die richtig großen SUV.

Unsere Highlights

Womit wir zu diesen beiden Audi schwenken, die zu den Schwergewichten des Genres zählen. Was schätzen Sie? Darf der Q8 50 TDI auf dem Bürgersteig parken? Nein, darf er nicht. Wobei er mit 2.900 Kilo Gesamtgewicht so knapp über dem Limit liegt, dass Laternenparker fast schon wieder ablasten könnten. Über den E-Tron Sportback 55 Quattro, der unsere Waage schon ohne Gepäck mit 2.578 Kilogramm belastet, brauchen wir gar nicht weiter reden. 3,25 Tonnen sind laut Fahrzeugschein erlaubt.

Die Gründe sind ja bekannt und sichtbar. Hinter seinem opulenten Grill streckt sich der Q8 auf fünf Meter Länge, ist 1,7 Meter hoch und mit einem Radstand von drei Metern sowie 20 cm Bodenfreiheit gesegnet. Plus großer Diesel, aufwendiges Fahrwerk, Allradantrieb, 22 Zoll große Räder, mitlenkende Hinterachse, reichlich Bordelektronik und so weiter.

Edel, schwer und kräftig

Der technisch ebenso fitte, aber nicht ganz so wuchtige E-Tron 55 – hier als Sportback in Coupéform – trägt unter seiner Fahrgastzelle einen rund 700 Kilo schweren Batterieblock mit einer Kapazität von 95 kWh. An jeder Achse sitzt ein Asynchron-Elektromotor, wobei der vordere maximal 135 kW und 309 Nm liefert, der hintere 165 kW und 355 Nm. Daraus ergibt sich eine Systemleistung von 300 kW und 664 Nm, allerdings nur im Boost-Modus für acht Sekunden. Regulär stehen bis zu 265 kW und 561 Nm zur Verfügung. Planetenradgetriebe übertragen die Drehmomente auf die Achsen, via Steuergerät radselektiv verteilt und angepasst an den gewählten Fahrmodus. Ein elektrischer Allradantrieb also, wobei der E-Tron meist seine hintere E-Maschine nutzt.

AUDI E-Tron Sportback
Hans-Dieter Seufert
Audi E-Tron 55: 408 PS, 664 Nm, 33,8 kWh/100 km Testverbrauch, 281 km Reichweite, ab 85.200 Euro.

Der Antrieb im Q8 ist schneller erklärt: Vorne sitzt ein Dreiliter-V6-Diesel mit 286 PS und 600 Nm Drehmoment ab 1.750/min, der seine Kraft über eine Achtgangautomatik und ein mechanisches Mittendifferenzial (Kraftverteilung 40 : 60) an alle Räder weiterleitet. Dazu ein 48-Volt-Bordnetz inklusive Riemenstartergenerator und eine Lithium-Ionen-Batterie über der Hinterachse. Ähnlich wie der E-Tron kann der Q8 also (mit abgeschaltetem Motor) segeln oder vorausschauend (bei aktivem ACC) mit bis zu 12 kW rekuperieren.

Liest sich nicht schlecht, und doch fährt ihm der E-Tron mit einer frappierenden Lässigkeit um die Ohren. Während sich der Q8-Pilot noch über die massive Anfahrschwäche seines V6 aufregt, zieht der E-Tron mit überragender Traktion ansatzlos und ohne Unterlass davon. Ob nun auf 100, auf 140 oder 160 km/h – der 336 kg leichtere Q8 kommt kaum hinterher. 180 knackt der E-Tron beispielsweise fast vier Sekunden früher – ganz leise, während der TDI längst nicht so betörend klingt wie die BMW-Sechszylinder. Erst bei der Spitze ist der Q8 im Vorteil, stampft locker Richtung 240, während im E-Tron bei 200 km/h Schluss ist.

Zur unbeschwerten Leistungsentfaltung des E-Tron passt auch das variantenreiche Luftfahrwerk (Serie beim Sportback), das für einen geschmeidigen Federungskomfort sorgt – selbst in der Sport-Einstellung. Mit solch einer Harmonie kann der Q8 nicht aufwarten. Obwohl ebenfalls luftgefedert, bockelt er auf Fugen, informiert beständig über den Straßenzustand. Und das nicht nur in der Stadt, sondern auch auf der Autobahn, liefert somit nicht den Komfort, den man von so einem Gefährt erwartet.

Dafür überrascht der Q8 dank seiner Allradlenkung mit enormer Agilität. Wirklich beachtlich, wie flink der zwei Meter breite SUV über unsere Hausstrecke kurvt. Der schwere E-Tron gerät früher aus der Fassung, wankt mehr und kann seinen Fondpassagieren auf welligen Strecken deutliche Hubbewegungen nicht ersparen.

Nur einer kommt weiter

Damit steht also schon mal fest: Der E-Tron ist kraftvoller und komfortabler als der etwas widerborstige Q8, der aber bei Verbrauch und Reichweite groß auftrumpfen kann. Denn gegen einen sparsamen V6-Diesel mit 85 Liter großem Tank, der selbst bei forcierter Gangart kaum mehr als elf Liter Diesel braucht, hat derzeit kein E-Auto dieser Welt eine Chance. Vernünftig bewegt, fährt dieser Q8 locker über 1.000 Kilometer ohne Tankstopp. Der E-Tron verbrauchte hingegen im Testmittel 33,8 kWh pro 100 Kilometer, womit er trotz seiner beachtlichen Batteriekapazität nur mickrige 281 Kilometer weit kommt. 500 Kilometer sind selbst für echte Eco-Aktivisten kaum machbar.

Q8 50 TDI
Hans-Dieter Seufert
Audi Q8 50 TDI: 286 PS, 600 Nm, 9,1 Liter/100 km Testverbrauch, 934 km Reichweite, ab 77.900 Euro.

Für viel Frust sorgen darüber hinaus häufige Systemabstürze seiner gesamten IT samt langwierigen Wiederbelebungsversuchen. Wohl dem, der sein Smartphone geladen hat und zur Not via App nach einer Ladestation suchen kann. Groß auch die Freude, wenn der E-Tron trotz Blackout seine Ladeklappen freigibt. Die Vorkonditionierung der Batterie für die optimale Betriebstemperatur am Schnelllader fällt dann natürlich flach.

An der Wallbox füllt der E-Tron seine Zellen via Onboard-Lader (OBC) mit 11 kW Ladeleistung, ein stärkerer OBC (22 kW) kostet 1.665 Euro. Schnellladen gelingt mit bis zu 150 kW – nicht so rasant wie im E-Tron GT (270 kW), aber guter Standard. So sind nach gut 23 Minuten 80 Prozent der Kapazität erreicht. Zum Vergleich: Für die Standardbetankung eines Verbrenners rechnen wir derzeit mit acht Minuten.

Mehr Nutzwert als erhofft

Bezüglich Ausstattung und Materialqualität fallen die Unterschiede gering aus. Beide SUV sind gut verarbeitet und üppig ausstaffiert. Der E-Tron erscheint in der Advanced-Ausführung mit S-line-Interieur, der Q8 mit S-line- Sportpaket. Hier wie dort sind also gut gemachte Sportsitze, matte Alu-Dekore und ein dunkles Interieur an Bord. Die Optionsvielfalt ist wie üblich enorm. Wichtigste Erkenntnis des Preislistenstudiums: Die teuren digitalen Matrix-LED-Scheinwerfer (4.500 Euro) sind dem E-Tron vorbehalten.

Audi E-Tron Sportback 55 oder Q8 50 TDI
Hans-Dieter Seufert
Am Ende gewinnt knapp der Q8, allerdings nur das Kostenkapitel. Den Gesamtsieg erkämpft sich der E-Tron.

Rein funktional steht der Q8 besser da, so stylish er auch sein mag. Eine um zehn Zentimeter verschiebbare Rücksitzbank oder ein Gepäcksicherungsnetz, das sich hinter den Vordersitzen einhängen lässt, hat nur er zu bieten. Bemerkenswert auch der üppige Normsitzraum und die hohe Anhängelast von 2,8 Tonnen. Erstaunlich ähnlich sind sich die beiden beim Kofferraumvolumen, selbst mit umgeklappten Fondsitzlehnen und dachhoher Beladung beträgt die Differenz maximal 100 Liter.

Der E-Tron als Steuersparmodell

Nach so viel Klapperei und Fahrerei geht es nun an die Kasse, und hier wird’s interessant. Denn mit einem Netto-Basispreis von 70.378 Euro kommt der E-Tron als 55 Sportback nicht in den Genuss der Förderung. Als Advanced ist er mit einem Grundpreis von 85.200 Euro sogar deutlich teurer als der Q8 (ab 77.900 Euro).

Der wiederum verbraucht zwar wenig Diesel, doch seine Kraftstoffkosten über 100.000 Kilometer liegen rund 2.300 Euro über der imaginären Stromrechnung des E-Tron. Allerdings reduziert sich die Differenz bei häufigem Schnellladen an der Autobahn, das ja auch verdammt teuer sein kann. Die Wartungskosten des Q8, der regelmäßig nach frischem Öl, AdBlue oder Bremsbelägen verlangt, und die über zehn Jahre nur für den Verbrenner anfallende Kfz-Steuer sollte man freilich ebenso wenig vergessen. Kompliziert also – doch am Ende gewinnt knapp der Q8.

Allerdings nur das Kostenkapitel, denn den Gesamtsieg erkämpft sich der E-Tron. Spurtstark, komfortabel und sicher, ist er ein sehr bequemes E-Auto – solange er wegen IT-Bugs nicht spontan stehen bleibt. Hierzu findet sich im Tatbestandskatalog übrigens ein weiterer Parkverstoß: "Nicht platzsparend geparkt". Also lieber früher laden als später für Knöllchen zahlen.

Fazit

1. Audi E-Tron 55 Quattro
624 von 1000 Punkte

Die Nachteile eines E-Autos egalisiert der SUV mit seinen geringen Emissionen im Testverbrauch. Bestechend: die Kombination aus E-Schub und hohem Fahrkomfort.

2. Audi Q8 50 TDI Quattro
618 von 1000 Punkte

Die Vorteile des kräftigen und sparsamen Diesel machen die hohen Unterhaltskosten und das schroffe Fahrwerk wieder zunichte. Top dafür: Nutzwert und Fahrspaß.

Technische Daten
BMW M5 M5Audi Q8 50 TDI Quattro
Grundpreis117.900 €81.400 €
Außenmaße4966 x 1903 x 1473 mm4986 x 1995 x 1705 mm
Kofferraumvolumen530 l605 bis 1755 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder2967 cm³ / 6-Zylinder
Leistung441 kW / 600 PS bei 5600 U/min210 kW / 286 PS bei 3500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h241 km/h
0-100 km/h3,3 s6,4 s
Verbrauch10,5 l/100 km7,1 l/100 km
Testverbrauch12,2 l/100 km9,1 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten