Corvette Stingray gegen Audi R8 und Porsche 911
Die Mitte zum Glück?

Nachdem die Corvette über Generationen mit Frontmittelmotor angetreten ist, will sie in der C8-Baureihe mit Mittelmotor durchstarten. Wie schlägt sie sich gegen die bärenstarke Konkurrenz?

Audi R8 V10 RWD, Chevrolet Corvette Stingray, Porsche 911 Carrera S, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Siebentausend, achttausend, fast neuntausend Touren – da will einer die Chance nutzen und die Hauptrolle an sich reißen, bevor die anderen überhaupt die Bühne betreten haben. Während Porsche 911 Carrera S und Corvette C8 Stingray von ihren Herstellern direkt für den ultimativen Dreikampf an den Hockenheimring angeliefert werden, reisen wir mit dem Audi R8 V10 RWD auf Achse ins Badische. Auf geht’s mit Hochdrehzahl-Festspielen bis zu 8.700 Umdrehungen.

Unsere Highlights

Bundesautobahn 6 kurz vor Sinsheim – der Dreikampf beginnt als One-Man-Show mit dem R8 V10 RWD. Und wie sich der V10-Saugmotorheld mit den Wurzeln aus dem einen Steinwurf entfernten Audi-Werk in Neckarsulm gerade vorstellt, ist wirklich herzergreifend. Ein derart grandioses Triebwerk müssen wir genießen, solange es so etwas überhaupt noch gibt. Saugmotoren sind rar geworden am Sportwagenhimmel, Zehnzylinder noch viel seltener.

Sechs, acht und zehn Zylinder

Wenn der spontan ansprechende und gierig hochdrehende 5,2-Liter mit seinem metallischen Hochdrehzahl-Klang den 540 Pferden das Gatter öffnet, verwechselt man kurzzeitig die linke Autobahnspur mit Döttinger Höhe, Hunaudières oder Kemmel Straight. Nur wenige Serienmotoren transportieren Motorsportsound so überzeugend in den Alltag wie der R8. Und überhaupt: Nicht viele Sportwagen klingen trotz Ottopartikelfilter noch so emotional.

Den R8-Ersteindruck prägt jedoch nicht nur seine V10-Stimme, sondern auch sein unaufgeregter Geradeauslauf bei hohen Geschwindigkeiten um die 300 km/h. Genauso gelassen und spurstabil nimmt der Mittelmotorsportler auch Autobahnkurven. Weder Fahrwerk noch Lenkung lassen hier Unruhe oder gar Hektik aufkommen. Kurz: Im Alltag legt der R8 V10 RWD einen sehr souveränen Auftritt hin – nicht zuletzt auch dank seines großen Tankvolumens von 83 Litern, das erstaunliche Reichweiten garantiert.

Ankunft Hockenheim, Porsche und Corvette warten bereits. Auf den Alltagseindruck von 911 Carrera S und Corvette Stingray müssen wir heute verzichten, da beide Testwagen angeliefert wurden und direkt nach dem Rennstreckentest wieder abtransportiert werden.

Das Trio überhaupt zu versammeln, war nicht einfach. Der Respekt bei Porsche und auch bei Audi vor der neuen Corvette war in den Telefonaten mit den Presseabteilungen bei den Testwagenanfragen unüberhörbar. Kein Wunder, noch ist die erste Mittelmotor-Baureihe der C8 eine unbekannte Größe. Die Corvette-Verantwortlichen hier in Europa haben dem Vergleichstest ohne große Nachfragen zugestimmt – wie immer. Egal wie stark die Konkurrenz ist, ein Vergleichstest wird nie gescheut. Danke für diese faire Einstellung.

Das Protokoll des Testtags beginnt um 6 Uhr morgens mit der Fotoproduktion und dem obligatorischen Wiegen der Probanden. Die Spielregeln sind für alle die gleichen: Auf die Waage geht’s nur mit vollem Tank. Das Ergebnis überrascht. Dass alle drei Sportler nicht wirklich leicht sind, hatten wir erwartet. Dass aber die Corvette mit 1.665 Kilo schwerer als der Audi R8 V10 RWD (1.649 Kilo) und der Porsche 911 Carrera S (1.574 Kilo) ist, verwundert dann doch.

Audi R8 V10 RWD, Interieur
Hans-Dieter Seufert
Durch den Entfall von Kardanwelle, Lamellenkupplung und Vorderachsdifferenzial soll gegenüber der vergleichbaren R8-Allradversion das Gewicht um 65 Kilo sinken. Mit 1.649 Kilo reiht sich der RWD damit im Mittelfeld der Kandidaten ein.

Kurzer Blick ins Archiv: sport auto 12/2013 – damals mit dem ersten Vergleichstest der Corvette Stingray der C7-Vorgängerbaureihe. Gewicht? 1.577 Kilo. Eine Gewichtszunahme um 88 Kilo vom Frontmittelmotor-C7-Basismodell zum C8-Mittelmotor-Erstlingswerk – da muss man erst einmal schwer schlucken, auch wenn der C7-Testwagen damals ein Handschalter war. Die C8 gibt es übrigens ausschließlich mit Doppelkupplungsgetriebe, was zumindest einen Teil der Pfunde erklärt.

Doch es ist ja nicht so, dass nur die Corvette Fettpölsterchen angesetzt hätte, auch bei Porsche ist dieser Trend seit Längerem zu beobachten. Der 911 Carrera S der 991.1-Generation aus besagtem Vergleichstest 12/2013 wog 1.507 Kilo. Das macht ein Mehrgewicht von 67 Kilo bei dem 992 Carrera S, der heute vor uns steht.

Und wie sieht’s beim Audi R8 V10 RWD aus? Das Kürzel RWD steht übrigens für "Rear Wheel Drive", auf Deutsch: "Hinterradantrieb". Durch den Entfall von Kardanwelle, Lamellenkupplung und Vorderachsdifferenzial soll gegenüber der vergleichbaren R8-Allradversion das Gewicht um 65 Kilo sinken.

Leichter heißt nicht gleich leicht – der RWD stemmt 1.649 Kilo auf die Waage. Zum Vergleich: Der R8 V10 mit Allradantrieb wog 1.669 Kilo (Test sport auto 4/2016) – allerdings handelte es sich dabei um ein Modell vor dem Facelift der aktuellen R8-Baureihe mit der internen Bezeichnung 4S.

Hinterrad- statt klassischer Allradantrieb beim R8? Richtig, gab’s vor gar nicht allzu langer Zeit mit dem auf 999 Exemplare limitierten Sondermodell R8 V10 RWS (RWS: Abkürzung für "Rear Wheel Series") schon einmal. Der RWD läuft jetzt unlimitiert vom Band. Der RWS trat in sport auto 6/2018 zum Test an. Gewicht damals? 1.611 Kilo. Der RWS wurde vor dem 4S-Facelift präsentiert, der RWD danach – die Gewichtstendenz zeigt also auch hier leicht nach oben.

Weiter im Testprotokoll: 9 Uhr, Boxenampel auf Grün. Die Fahrdynamikmessungen starten heute mit den Rundenzeiten auf dem GP-Kurs. Später wird das Thermometer in der Spitze auf 30 Grad (Luft) und 51 Grad (Asphalt) klettern. Die Corvette Stingray bekommt einen kleinen Novizen-Bonus und darf als Erste auf die Strecke. Wirklich kühl ist die Umgebungsluft schon jetzt nicht mehr: Kurz nach 9 Uhr messen wir bereits 25 Grad, während die Sonne unbarmherzig auf die Piste brennt.

Corvette: grandiose Traktion!

Chevrolet Corvette Stingray, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Dank des Gripniveaus und der Fahrstabilität geht die Corvette auch in den schnellen Ecken das Porsche-Kurventempo mit!

Rein ins Cockpit. Die Competition-Sportsitze in der Corvette C8 könnten einen Hauch tiefer montiert sein, dessen ungeachtet sitzen auch Großgewachsene mit Rennhelm gut. Sitzgefühl und Ergonomie haben sich von der C7- zur C8-Generation merklich verbessert. Das Thema Sitzposition ist ohnehin eine stark subjektive Geschmackssache. Mir gefallen die sehr tiefe Sitzposition und die Ergonomie für die Fahrt am Limit im 911 am besten, aber auch die knackigen R8-Schalensitze haben ihren Charme. Wichtig für den Rennstreckenbesuch: Alle drei Fahrzeuge bieten ein fahrerorientiertes Cockpit.

Startschuss für die Corvette: Jetzt fehlt nur noch die richtige Einstellung für den Rennstrecken-Ritt. Bei den sechs Fahrprogrammen (Weather, Tour, Sport, Track, MyMode, Z Mode) fällt die Wahl auf den Track-Modus, um die Kennlinien von Antrieb, Lenkung und Dämpfern so sportiv wie möglich zu trimmen. Die Corvette-Testbegleitung empfiehlt, neben dem Track Mode das ESP vollständig zu deaktivieren.

Schon nach wenigen Kurven ist klar, warum man in Hockenheim die fünfstufige Traktionskontrolle namens Performance Traction Management (Modi: Wet, Dry, Sport 1, Sport 2, Race) gar nicht braucht. Auch mit ausgeschalteten Fahrhilfen glänzt die C8 Stingray mit einer bärenstarken Traktion – und das selbst in engen Ecken, die für Quersteher unter Last bekannt sind (Ausgang Turn 2, Ausgang Spitzkehre, Ausgang Turn 8). Dadurch kann man beim Herausbeschleunigen sehr früh wieder aufs Gaspedal gehen.

Auch gegen Lastwechsel scheint die Corvette fast immun zu sein. Der Konzeptwechsel zum Mittelmotorantrieb macht sich in diesem Punkt aus fahrdynamischer Sicht schon bezahlt. Zukünftige Modellvarianten mit höherer Motorleistung werden mit Sicherheit auch von dieser Traktionsstärke profitieren.

Die Traktion der C8 bewegt sich heute fast auf Porsche-Niveau. Der 911 Carrera S stößt sich mit sehr beeindruckendem mechanischen Grip aus den Ecken. Die Vorderachsen unterscheiden Corvette und Elfer dann jedoch wieder grundsätzlich. Die C8 Stingray lenkt mit einem frischen Reifensatz samt idealen Fülldrücken zunächst präzise ein. Nach einigen Runden – sobald die Laufflächentemperatur gestiegen ist – drängt die Corvette-Vorderachse dann in ein mildes Untersteuern. Als Fahrer muss man sich im Grenzbereich nun etwas zurücknehmen, um den US-Sportler nicht zu überfahren.

Audi R8 V10 RWD, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Wer im R8 das ESP auf der Rennstrecke deaktiviert, sollte wissen, was er tut, und nicht nur ein bisschen Talent am Lenkrad mitbringen!

Im Elfer bleibt die Balance zwischen Vorder- und Hinterachse wesentlich länger neutral. Der Carrera S lenkt auch nach mehreren Runden noch weitgehend präzise ein. Lastwechsel verkneift er sich fast völlig. Und der R8? An das Traktionsniveau von Porsche und Corvette kommt der hinterradangetriebene Audi bei Weitem nicht heran. Speziell beim Herausbeschleunigen aus engen Ecken drückt das RWD-Heck mit präsentem Leistungsübersteuern, das teils schlagartig einsetzt. Mit dem R8 kann man daher auch nicht so früh aus dem Kurvenverlauf herausbeschleunigen wie in 911 und Corvette.

Doch vor dem Herausbeschleunigen kommt ja noch der Einlenkvorgang, der im R8 zunächst präzise verläuft. Lastwechsel sollte man in der ganzen Kurvenchoreografie so gut wie möglich vermeiden, da der RWD auf sie äußerst giftig reagiert. Insgesamt erinnert der R8 im Grenzbereich an einen Mittelmotorsportler alter Schule. Wer das ESP auf der Rennstrecke deaktiviert, sollte wissen, was er tut, und nicht nur ein bisschen Talent am Lenkrad mitbringen.

Zurück ins Corvette-Cockpit: Während die C8 über die Parabolika stürmt, servieren wir noch kurz wissenswerte Infos für künftige Kunden in Europa. Anders als bei den US-Versionen gehört hierzulande nicht nur das Magnetic-Ride-Adaptivfahrwerk mit justierbaren Dämpferkennlinien und strafferer Abstimmung im Track Mode zum Serienumfang. Das schaukelige US-Basisfahrwerk ist bei uns offiziell gar nicht erhältlich.

Ebenfalls serienmäßig bei den Europa-Modellen: das bei den US-Versionen optionale Z51-Performance-Package. Darin enthalten: Federn mit strafferen Federraten, eine Performance-Abgasanlage, das Aeropaket mit Frontsplitter und Heckflügel, eine optimierte Motorkühlung mit einem zusätzlichen Kühler, eine Getriebekühlung, größere Bremsscheiben sowie eine spezielle Bremsenkühlung, eine kürzere Achsübersetzung als beim US-Basismodell (5,17 : 1 statt 4,89 : 1), die elektronisch geregelte Differenzialsperre (US-Basisversion mit rein mechanischem Sperrdifferenzial) und nicht zuletzt die speziell für die C8 entwickelten Michelin-Pilot-Sport-4S-Reifen mit TPC-Kennung.

Und wie geht die C8? Zunächst einmal: Das Volllasthämmern des intern LT2 genannten 6,2-Liter-V8-Saugers mit 502 PS setzt in Gedanken schon die Unterschrift unter den Kaufvertrag. Neben seinem faszinierenden Klang überzeugt der Achtzylinder auch mit seiner spontanen Gasannahme sowie seiner harmonischen und gut fahrbaren Leistungsentfaltung.

Porsche: perfekte Balance!

Audi R8 V10 RWD, Chevrolet Corvette Stingray, Porsche 911 Carrera S, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Der schwüle Hochsommertag und die längeren Gangübersetzungen machen dem Saug-V8 der Corvette merklich zu schaffen. Wenig verwunderlich, dass die Vette heute mit 242 km/h den niedrigsten Topspeed hinter Porsche (248 km/h) und Audi (257 km/h) auf der Parabolika erreicht.

Im direkten Vergleich mit dem 540 PS starken V10 des R8 sowie dem 450 PS starken Dreiliter-Sechszylinder-Biturbo des Carrera S wirkt der Corvette-V8 subjektiv am schwächsten, obwohl er leistungstechnisch zwischen beiden rangiert. Man merkt, wie der schwüle Hochsommertag dem Sauger zu schaffen macht. Außerdem tritt die C8 mit längeren Gangübersetzungen als der 911 an. Wenig verwunderlich, dass die Vette heute mit 242 km/h den niedrigsten Topspeed hinter Porsche (248 km/h) und dem leistungsstärkeren Audi (257 km/h) auf der Parabolika erreicht.

Dessen ungeachtet überzeugt die Motor-Getriebe-Kombi. Erstmals in der Corvette-Historie wechselt die C8 Stingray die Gänge mittels eines Doppelkupplungsgetriebes, das über acht Gänge verfügt. Anders als beim Fahrtermin im Februar nahe Las Vegas kann man in Hockenheim das Doppelkupplungsgetriebe im Track-Modus selbsttätig schalten lassen.

Auf der verwinkelten US-Rennstrecke in Spring Mountain brauchte die C8 beim Anbremsen etwas zu lange, um die Gänge autonom runterzuschalten. Jetzt in Hockenheim schaltet das Doppelkupplungsgetriebe nicht nur punktgenau hoch, sondern prügelt beim dynamischen Anbremsen wie von Geisterhand die Fahrstufen perfekt runter. Die mitdrehenden Schaltwippen haben heute Pause.

Wie in der Formel 1 hilft es auch im Sportwagenbau, bei den Besten zu kopieren. In der C8-Entwicklungsphase nutzte die Corvette ein ZF-Doppelkupplungsgetriebe, das auch bei Porsche im Einsatz ist, bevor der spätere Serienzulieferer Tremec den Zuschlag für das C8-Getriebe bekam.

Porsche 911 Carrera S, Interieur
Hans-Dieter Seufert
Auch das Thema Präzision interpretiert die Porsche-Lenkung am besten von allen Testkandidaten. Das PDK erledigt seinen Job derart zielgerichtet, dass die Paddles quasi überflüssig sind.

Das Porsche-PDK beherrschte diese autonome Schaltstrategie als erstes Doppelkupplungsgetriebe überhaupt mit einem derart hohen Perfektionsgrad, dass die Schaltwippen seitdem in sämtlichen Porsche-Modellen auf der Rennstrecke quasi arbeitslos sind. Auch heute kann man sich im 911 perfekt aufs Fahren konzentrieren, während das Getriebe zielgerichtet seinen Job erledigt.

Beim Doppelkupplungsgetriebe des R8 V10 RWD muss man hingegen noch selbsttätig an den Schaltpaddeln ziehen, um die Gänge am Limit perfekt zu wechseln. Keine Frage, das macht Freude – im Eifer des Gefechts kann aber schon einmal der ideale Schaltzeitpunkt knapp verpasst werden, was schlussendlich wertvolle Zeit auf der schnellen Runde kostet.

R8: Alltag top, Rennpiste wild

Zurück in die Corvette, Anbremsen auf die Spitzkehre. Wie bei Porsche im 992 kommt jetzt auch in der C8 ein elektromechanischer Bremskraftverstärker zum Einsatz, während der Audi – oldschool, aber wirkungsvoll – ein konventionelles System nutzt. Und wie ist das Pedalgefühl in der C8 jetzt beim Anbremsen im Grenzbereich? Die Bremse lässt sich gut dosieren, und die Pedalrückmeldung fühlt sich nicht künstlich an. Dank der sogenannten eBoost-Bremse kann die Pedalrückmeldung in drei Stufen (Tour, Sport, Track) variiert werden. Heute zählt jedoch die schnellste Rundenzeit, daher wird ausschließlich im Track Mode gefahren.

Im direkten Vergleich hat der 992 den kürzesten Pedalweg, und die Bremse spricht noch giftiger als bei Corvette und R8 an. Den längsten Pedalweg zeigt der Audi. Die R8-Bremse bleibt sowohl auf der Rennstrecke als auch bei der späteren Bremsmessung standfest. Dass im R8 noch ein konventionelles Bremssystem zum Einsatz kommt, merkt man bei ABS-Eingriffen. Dann gibt es eine deutlich pulsierende Rückmeldung im Pedal. Bei 911 und Corvette spürt man das konzeptbedingt nicht mehr im Pedal, was aber kein Nachteil ist.

Chevrolet Corvette Stingray, Rad
Hans-Dieter Seufert
Die Lenkkräfte im Track-Modus sind nicht mehr so schwergängig wie bei der C7. Die ABS-Abstimmung verhinderte aufgrund ihrer groben Regelung bessere Bremswerte, obwohl die standfeste Bremsanlage sicherlich mehr könnte.

Welches ABS gut arbeitet und wer noch Optimierungspotenzial hat, merkt man auch ungeachtet des Pedalgefühls sofort. In puncto ABS-Regeltechnik fährt Porsche klar vorneweg. Es folgt mit Respektabstand der Audi. Die Corvette ist beim Thema ABS heute hintendran. In den Anbremszonen auf Turn 2, auf die Spitzkehre oder vor Turn 8 fällt die C8 mit den gröbsten ABS-Regeleingriffen auf. Sehr späte Bremspunkte mag die Vette daher nicht. Oder anders: Mit dem 911 Carrera S kann viel später – fast ein bisschen rennwagenähnlich – in die Kurve reingebremst werden.

Mit dem R8 V10 RWD sollte man die Anbremsphase lieber schulbuchmäßig vor der Kurve abgeschlossen haben. Nicht etwa, weil das ABS im Grenzbereich grob regeln würde, sondern weil es der R8 aufgrund seiner Fahrwerksabstimmung überhaupt nicht mag, wenn man mit ihm in die Kurve reinbremst. Einlenken bei entlastetem Heck? Keine gute Idee, da sich der R8 dann eindrehen will.

Im Alltag top, auf der Rennstrecke wild – der R8 V10 RWD zeigt zwei Gesichter. Eigentlich völlig unverständlich, da der RWD-Testwagen mit den optional erhältlichen Teilen aus dem Zubehörprogramm "Audi Sport Performance Parts" bestückt ist. Neben dem Dreiwege-Gewindefahrwerk trägt der RWD die optionalen Sportbremsbeläge sowie Audi-Sport-Räder mit Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Bereifung samt "AO"-Kennung.

"AO" gleich "Audi Original" – die Mischung, die sich hinter diesem Reifen verbirgt, ist keineswegs eine aggressive Cup-2-Mischung, sondern bewegt sich griptechnisch sogar unterhalb des Pirelli P Zero NA1 von Porsche und nur knapp über dem Michelin Pilot Sport 4S der Corvette. Übrigens: Wir wussten vorab nicht, dass Audi den RWD mit Performance Parts bestückte. Zur Vergleichbarkeit wäre es sicher besser gewesen, den R8 auf Serienreifen zu erleben. Doch Audi kann auch nichts dafür, dass Porsche keine Cupreifen für den Carrera S anbietet und es für die C8 ebenfalls (noch) keine Optionsreifen gibt.

Porsche 911 Carrera S, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Porsche 911 Carrera S: Porsche hat seine Hausaufgaben in der Entwicklung so gut gemacht, dass der Elfer weder Cupreifen noch Heizdecken nötig hat!

Ausgleichende Gerechtigkeit: Die Corvette trat dafür mit zwei Reifensätzen an. Für die Rundenzeit zauberte die Testbegleitung der C8 flammneue Pneus hervor, die vorab auch noch mit Heizdecken aufgewärmt wurden. Nein, wenn einer sich beschweren darf, dann ist es der Porsche, der seine Hausaufgaben in der Entwicklung aber so gut gemacht hat, dass er weder Cupreifen noch Heizdecken nötig hat.

Wo aber hat es die Corvette vermasselt, dass es im Ziel des Vergleichstests nur zum letzten Platz reicht? Vor allem bei der Bremsmessung hat die C8 sehr viele Punkte liegen lassen. Die Bremsanlage an sich arbeitet zwar sowohl auf der Rennstrecke als auch bei der klassischen Verzögerungsmessung sehr standfest – Knackpunkt ist jedoch die ABS-Abstimmung, die vor allem bei der Standardbremsmessung für unterdurchschnittliche Verzögerungswerte sorgt. Hier bietet sich Optimierungspotenzial.

Aus querdynamischer Sicht ist die Corvette trotzdem die Überraschung des Tests. Ihre Rundenzeit liegt nur knapp hinter der des cupbereiften und leistungsstärkeren Audi. Mit 1.54,6 Minuten schlägt die C8 außerdem die C7 Grand Sport mit Michelin-Pilot-Super-Sport-Bereifung, die bei ähnlich heißen Temperaturen eine Zeit von 1.55,3 min hinlegte.

Und: Vergleicht einmal die Kurvengeschwindigkeiten von 911 und C8 Stingray. In den langsamen und mittelschnellen Kurven jagt die Corvette teilweise schneller als der Elfer ums Eck. Dank ihres mechanischen Gripniveaus und ihrer guten Fahrstabilität geht die Vette auch in den schnellen Kurven, wie im Rechtsknick vor der Mercedes-Arena, das Porsche-Kurventempo voll mit. Alle Achtung, und das alles zum absoluten Schnäppchenpreis von nur 99.000 Euro!

Fazit

Da Porsche 911 Carrera S und Audi R8 V10 RWD die zu erwartende Performance abgeliefert haben, dreht sich das Fazit nur um den US-Sportwagennachwuchs. Auch wenn die Corvette im Vergleichstest punktemäßig den Kürzeren zieht, überzeugt das neue Mittelmotorkonzept vor allem aus querdynamischer Sicht. Das mechanische Gripniveau und die Fahrstabilität der C8 Stingray sind beachtlich. Optimierungspotenzial hat die ABS-Abstimmung, die aufgrund ihrer groben Regelung bessere Bremswerte verhindert hat, obwohl die standfeste Bremsanlage sicherlich mehr könnte.

Technische Daten
Audi R8 Coupé 5.2 FSI Chevrolet Corvette Stingray 2LTPorsche 911 Carrera S Carrera S
Grundpreis145.000 €103.122 €137.963 €
Außenmaße4429 x 1940 x 1236 mm4634 x 1934 x 1235 mm4519 x 1852 x 1300 mm
Kofferraumvolumen112 l132 l
Hubraum / Motor5204 cm³ / 10-Zylinder6162 cm³ / 8-Zylinder2981 cm³ / 6-Zylinder
Leistung397 kW / 540 PS bei 7900 U/min354 kW / 482 PS bei 6450 U/min331 kW / 450 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit324 km/h296 km/h308 km/h
0-100 km/h3,9 s3,8 s3,5 s
Verbrauch13,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten