Audi TTS Coupé im Supertest
Potenter Sportler mit einem Manko

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Vorsprung durch Technik: Der neue Audi TTS wird dem Werbeslogan seiner Marke in fast allen Bereichen gerecht. Was der 310-PS-Allradler besser kann als sein Vorgänger und wo noch Nachbesserungsbedarf besteht, verrät der Supertest.

Audi TTS Coupé, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Genau jetzt, als der Audi TTS in die Ameisenkurve auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim einbiegt, steht das Thema für das nächste Mittagessen in der Redaktionskantine fest: Der neue Audi TT ist der erste Audi ohne "Audi-Lenkung". Wie jetzt? Audi, ohne Audi-Lenkung? Pardon, wenn Sie jetzt nur Bahnhof verstehen – bei mehr oder minder lauwarmer Kohlrabisuppe zur Mittagszeit fachsimpeln wir gerne mal. Glänzende Augen gab es bisher immer bei Porsche- und BMW-Lenkungen, bei vielen anderen Fabrikaten eher Stirnrunzeln.

Doch das Blatt wendet sich in letzter Zeit. Aus sportlicher Sicht überraschte zuletzt der Mercedes-AMG GT S mit seiner spitzen Lenkung, die sich sportlicher anfühlte als bei seinem Testgegner Porsche 911 Turbo. Egal ob R8, RS 5 oder TTS – bisher zählten sämtliche Audi-Lenkungen unter sportlichen Gesichtspunkten nicht zu unseren Favoriten. Entweder waren die Lenkwinkel zu groß und damit die Rückmeldung um die Mittellage zu indirekt, oder die Lenkung wirkte im "Dynamic"- Modus extrem überspitzt.

Letzteres fühlte sich vor allem in den Slalom-Disziplinen unseres Testprozederes immer synthetisch und unnatürlich an. Insgesamt spürte man, dass Audi krampfhaft den Spagat zwischen Sport und Alltag auf die Reihe bekommen musste. Und so prägte sich der eingangs erwähnte Gattungsbegriff der eher künstlich wirkenden "Audi-Lenkung".

Audi TTS überrascht mit präziser Lenkung

Umso größer ist die Verwunderung, als der Audi TTS die erste Kurve erstürmt. Großen Einfluss auf die Rückmeldung der elektromechanischen Progressivlenkung hat auch hier das serienmäßige Fahrdynamiksystem "Audi drive select". Per Knopfdruck kann zwischen den Modi "Comfort", "Auto", "Dynamic", "Efficiency" und "Individual" gewählt werden. Während die Kennlinie im Komfortmodus leichtgängig und damit sehr alltagstauglich ausgelegt wurde, überzeugt die Lenkung im sportlichen Dynamikmodus erstmals mit natürlich wirkender Linearität, angenehm straffen Haltekräften und Präzision um die Mittellage.

Präzision muss ein dick markiertes Wort im TTS-Lastenheft gewesen sein. Der Allradler glänzt nicht nur mit seiner für Rennstreckenbesuche nun sehr gut abgestimmten Lenkung, sondern auch mit beeindruckend neutralem Fahrverhalten im Grenzbereich. Egal ob schnelle, mittelschnelle oder langsame Kurven – der Neuling meistert den Kleinen Kurs ohne spürbares Kurveneingangs-Untersteuern, das beim Vorgänger noch moniert wurde.

Neutral, neutraler, Audi TTS

Damals musste dem Audi TTS mit bewusst eingestreuten Lastwechseln zu einem besseren Einlenk- und Eigenlenkverhalten verholfen werden. Heute fragt man sich im Frontmotor- Sportcoupé, was Lastwechselreaktionen noch einmal genau sind. Auf das Spiel am Gaspedal reagiert der TTS nur mit minimal eindrehendem Heck. Dank des neutralen Fahrverhaltens und der guten Beherrschbarkeit kann man den Grenzbereich so einfach wie in kaum einem anderen Sportler entern. Wer das als langweilig bezeichnet, sollte sich fragen, warum er im Winter heute mit taillierten Carving-Ski auf die Piste ausrückt und nicht mehr wie früher mit schnurgeraden Brettern die Hänge runterrutscht. Richtig: die Suche nach der perfekten Kurvenfahrt.

Beim TTS bedeutet das: Der Unterschied zwischen jeder Rundenzeit in Hockenheim liegt innerhalb einer Zehntelsekunde. Mit 1.14,4 Minuten deklassiert der TTS auf dem Kleinen Kurs nicht nur seinen Vorgänger (Supertest- Handschalter mit Michelin-Pilot- Sport-Bereifung: 1.16,1 min; S tronic mit Toyo-Proxes-T1-Sport-Bereifung: 1.15,5 min), sondern auch seinen größeren Vorgängerbruder TT RS (Supertest: 1.15,0 min).

Hervorragende Traktion und harmonischer Motor

Großen Anteil an dem deutlich messbaren Fortschritt hat die Zusammenarbeit des variablen Allradantriebs mit der Torque-Vectoring-Funktion namens "radselektive Momentensteuerung" (siehe Technik-Spotlight). Auch beim Herausbeschleunigen unter Last lässt sich der TTS mit hervorragender Traktion nicht von der Ideallinie abbringen. Das Adaptivsystem "Drive select" beeinflusst dabei nicht nur die bereits erwähnte Kennlinie der Lenkung, sondern auch den Allradantrieb, die Gasannahme, die Schaltstrategie der S tronic sowie die im Audi TTS serienmäßigen Adaptivdämpfer (Magnetic Ride).

Stichwort Fahrwerk: Das S-Modell liegt zehn Millimeter tiefer als die TT-Standardversionen. Speziell bei aktiviertem Dynamic-Modus und mit den aufgezogenen 20-Zoll-Optionsrädern stempelt der Audi TTS zwar im Alltag knochentrocken über Bodenwellen, doch für uns zählt in erster Linie der Grenzbereich. Auf der Rennstrecke verkneift sich der TTS auffällige Nick- und Wankbewegungen. Ebenfalls hilfreich zur Verbesserung der Fahrdynamik: Dank spezieller Material-Mischbauweise liegt der Fahrzeugschwerpunkt nun zehn Millimeter tiefer. Gegenüber dem Vorgänger wuchs der Radstand zudem um 37 Millimeter.

Auch wenn er auf dem Leistungsprüfstand nicht ganz das versprochene Leistungsplus von zuvor 272 PS auf nun 310 PS erreicht, passt der weiterentwickelte Reihenvierzylinder- TFSI so gut zum TTS wie süßer Senf zur Weißwurst. Drehmomentdellen und Turbolöcher sucht man hier vergebens. Sonor, aber nicht aufdringlich grollend puncht der Turbo über ein breites Drehzahlband bis zur Drehzahlgrenze bei 6.800/min. Bei den schnellen Hochschaltvorgängen mit der optionalen S tronic erinnert der Audi TTS mit sattem Auspuffploppen akustisch fast an seinen eigenen Markenpokal-Rennwagen, der im Audi Sport TT Cup seit dieser Saison für Spektakel im Rahmenprogramm der DTM sorgt.

Audi TTS kämpft mit spürbarem Fading der Bremse

Jetzt kommt aber das große ABER des neuen TTS. Mehr als vier schnelle Runden verdaut die Bremsanlage auf dem Kleinen Kurs nicht. Trotz Abkühlrunden zwischen den gezeiteten Runden wird der Bremspedalweg länger und länger – spürbares Fading tritt auf. Bereits beim TTS-Vergleichstest (sport auto 4/2015) fiel dies in Hockenheim auf. Der nahezu baugleiche Supertest-TTS bestätigt diese Problematik erneut.

Zwei Tage vor den Hockenheim-Runden stoppt er bei der Standardmessung mit zehn aufeinanderfolgenden Verzögerungen aus 100 km/h mit einem Bremsweg von 34,0 Metern noch einwandfrei. An der Dimensionierung dürften die auf der Rennstrecke aufgetretenen Probleme nicht liegen – vielmehr an einer unzureichenden Belüftung.

Nach einer längeren Kühlphase erholt sich die Bremsanlage von den Hockenheim-Strapazen zwar halbwegs, doch es folgt ja noch mit der Nordschleife das wichtigste Supertest-Kapitel. Nur damit keine falschen Eindrücke entstehen: Zwischen dem Besuch in Hockenheim und dem auf der Nordschleife lagen 14 Tage, in denen das Fahrzeug ausschließlich unter Alltagsbelastungen bewegt wurde. Kommen wir zur Nordschleife. Nach zwei lockeren Warm-up-Runden zeigt sich hier ein ähnliches Bild wie in Hockenheim.

Bremsprobleme verhindern bessere Rundenzeiten

Während auf der ersten Nordschleifenrunde die Bremsanlage noch halbwegs standfest verzögert, wird auf der zweiten Ringrunde das Bremspedal bereits beim Anbremsen auf die Arembergkurve wieder länger. Wehrseifen, Breidscheid, Bergwerk – die richtigen Herausforderungen für eine Bremsanlage auf der Nordschleife kommen ja erst noch. Bereits beim Anbremsen auf die Brücke in Breidscheid wird das Pedal extrem lang.

Nach dem unter Volllast durchfahrenen Lauda-Linksknick wird im TTS aus 189 km/h hart auf die Bergwerk-Kurve angebremst. Jetzt steht das Bremspedal auf dem Bodenblech. Noch unangenehmer: Die im frischen Bremszustand hervorragende ABS-Regelung funktioniert unter den geschilderten Bedingungen nicht mehr einwandfrei. Jetzt just beim Anbremsen auf den Streckenabschnitt Bergwerk verhärtet das Bremspedal und der TTS nimmt sich eine Gedenksekunde, bevor die Verzögerung eintritt. Ein weiteres Phänomen: Die Bremskraft setzt unter diesen thermischen Belastungen nicht gleichmäßig, sondern an allen vier Rädern unterschiedlich stark ein. "Bremsbelag: Verschleißgrenze erreicht" meldet das Kombi-Instrument – nach 2.409 Testkilometern verlangt der TTS nach einem unplanmäßigen Boxenstopp, der in Ingolstadt eingelegt wird. Dort gibt es neue Bremsbeläge und -scheiben sowie frische Reifen.

Fünf Tage später findet das verschobene Finale auf der Nordschleife statt. Nach einer 60-Prozent-Einrollrunde folgt endlich die schnelle Zeitrunde. Doch Freude angesichts des weitgehend neutralen Fahrverhaltens und der einfachen Fahrbarkeit will auch diesmal auf der Nordschleife nicht aufkommen. Trotz frischer Bremsanlage macht sich die thermische Belastung auf der schnellen Runde erneut mit den bereits geschilderten Symptomen bemerkbar. Mit einer Rundenzeit von 8.15 Minuten ist der neue TTS zwar 14 Sekunden schneller als sein Vorgänger, doch mit einer standfesten Bremse wäre ein noch schnellerer Ritt über den Ring sicherlich möglich gewesen.

Audi TTS: Technik-Spotlight

Auf der Rennstrecke glänzt der TTS dank Allradantrieb mit weiterentwickelter Haldex-Kupplung und Torque-Vectoring-System ("radselektive Momentensteuerung") auch beim Herausbeschleunigen unter Last mit hervorragender Traktion. Anders als beim Vorgängermodell lässt sich die ESC-Funktion komplett deaktivieren. Im Hintergrund helfen auch bei abgeschaltetem ESP minimale Bremseingriffe an den kurveninneren Rädern mit, um das Einlenkverhalten zu verbessern. Das überschüssige Drehmoment gelangt dadurch an das jeweils gegenüberliegende Rad. Dank der Differenz der Vortriebskräfte dreht sich der TTS ganz leicht in die Kurve ein. Das System ist so perfekt abgestimmt, dass im Grenzbereich keine Regeleingriffe spürbar sind. Auch Fans von mechanischen Sperren (so auch der Supertester) müssen das hier lobend anerkennen.

Supercheck Wertungen
Nürburgring Nordschleife
8
maximal 20 Punkte
8.16min

Ähnlich wie in Hockenheim punktet der TTS auch auf der Nordschleife mit sehr einfach beherrschbarem Fahrverhalten im Grenzbereich. Die Kaltluftdruck-Angabe von Audi (VA: 2,3 bar, HA: 1,9 bar) geht für den Alltag in Ordnung. Auf der Nordschleife ist diese Luftdruckwahl jedoch etwas zu konservativ. Tendenziell sollte der Warmluftdruck an der Vorderachse 2,4 bar nicht übersteigen, da der TTS sonst ins Untersteuern drängt. Durch die auf der schnellen Runde aufgetretenen Bremsprobleme konnte der Allradler sein volles Potenzial nicht gänzlich ausschöpfen. Mit standfester Bremse wäre er am Ring sicherlich noch schneller.

Audi TTS Coupé, Nürburgring, Rundenzeit
Rossen Gargolov
Hockenheim-Ring Kleiner Kurs
8
maximal 20 Punkte
1.14,4min

Auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim überzeugt das Audi TTS Coupé mit weitgehend neutralem Fahrverhalten. Eine Überschreitung des Grenzbereichs macht sich durch leicht einsetzendes Untersteuern bemerkbar. Doch so weit kommt es selten. Der TTS lenkt präzise ein. Mit aktiviertem Dynamic-Modus vermittelt die Progressivlenkung dabei ein direktes und lineares Lenkgefühl. Auch beim Herausbeschleunigen unter Last folgt der TTS dank Allradantrieb samt Torque-Vectoring-System mit hervorragender Traktion der Ideallinie, der Einlenkimpuls wird zusätzlich unterstützt. Auf der ersten schnellen Runde arbeitet die Bremsanlage in Hockenheim noch zuverlässig. Durch das hohe Gripniveau und die gelungene ABS-Abstimmung kann man gut in die Kurve hineinbremsen. Bereits auf der zweiten schnellen Runde wird das Bremspedal länger und das Pedalgefühl leicht teigig. Im weiteren Verlauf tritt spürbares Fading auf. Außerdem setzt die Bremskraft dann an allen vier Rädern mit unterschiedlich starker Wirkung ein.

Audi TTS Coupé, Hockenheim, Rundenzeit
Rossen Gargolov
Beschleunigung / Bremsen
4
maximal 10 Punkte
24,5sek

Die Beschleunigungsmessung gelingt im Audi TTS Coupé, auch dank des optionalen Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes S tronic mit Launch-Control-Funktion, problemlos und kinderleicht. Abseits der Rennstrecke überzeugt auch die Bremsanlage mit guten Verzögerungswerten.

Beschleunigung 0-200 km/h:
19,7 s
Bremsen 200-0 km/h:
4,8 s
Windkanal
7
maximal 10 Punkte

Mit 0,30 hat das neue Audi TTS Coupé (Baureihe 8S) einen besseren cw-Wert als das Vorgängermodell (0,32). Der Auftriebswert an der Vorderachse liegt wie beim Vorläufer, der 8J-Baureihe, weiterhin bei 42 Kilo bei 200 km/h. An der Hinterachse konnte der Auftrieb von 17 auf nun 15 Kilo minimiert werden.

Querbeschleunigung
5
maximal 10 Punkte
1,25g

Mit einer maximalen Querbeschleunigung von 1,25 g überbietet der neue Audi TTS erwartungsgemäß sein Vorgängermodell (1,15 g). Zu der gesteigerten Querdynamik tragen unter anderem die optionalen 20-Zoll-Räder bei. Mit Pirelli-P-Zero-Bereifung (255/35 ZR 20) bieten sie ein besseres Gripniveau als die Vorgängerbereifung vom Typ Bridgestone Potenza RE050A im Format 245/40 R 18.

36-Meter-Slalom
8
maximal 15 Punkte
136km/h

Bei konstant gefahrenem Slalom, egal ob 18 oder 36 Meter, neigt der TTS zum leichten Untersteuern im Grenzbereich. Mit etwas härterem Einlenken und wohldosiert eingesetzten Lastwechseln wird das Fahrverhalten nahezu neutral, im schnellen Slalom schaukelt sich der Allradler dann leicht auf. Durch die linear agierende Lenkung fällt das Handling leicht, zickige Reaktionen bleiben aus.

Ausweichtest
9
maximal 15 Punkte
152km/h

Das Fahrverhalten in der schnellen Ausweichgasse gleicht grundsätzlich dem im zuvor gefahrenen Slalom. Hier fühlt sich der TTS aber etwas wohler, stützt sich nach hartem Einlenken gleichmäßig auf die dicken 20-Zöller und bleibt dabei sehr neutral. Zum problemlosen Fahrverhalten trägt natürlich auch die lineare Lenkung bei. Die Abstimmung ist besser geglückt als bei den RS-4- und RS-5-Modellen.

Fazit

49 Punktemaximal 100 Punkte

Der neue Audi TTS begeistert auf der Rennstrecke zunächst mit seinem neutralen und einfach beherrschbaren Fahrverhalten, das ihm in allen Performance-Disziplinen deutliche Fortschritte einbringt. Doch auf der Rennstrecke hält die Freude nicht lange an. Durch die womöglich mangelhafte Belüftung der Bremsanlage macht sich bereits nach wenigen Runden spürbares Fading bemerkbar. Sicherlich wird nur ein geringer Prozentsatz der TTS-Kunden mit dem Fahrzeug überhaupt auf die Rennstrecke gehen, trotzdem besteht hier eindeutig Nachbesserungspotenzial. Im gegenwärtigen Zustand erträgt der TTS, selbst mit frischer Bremsanlage, nur eine schnelle Nordschleifen- Runde am Stück, bevor das Bremspedal immer mehr durchsackt. Das ist für einen Sportler dieses Kalibers einfach zu wenig. Unter Alltagsbelastungen arbeitet die Bremsanlage problemlos.

Technische Daten
Audi TTS Coupé
Grundpreis53.300 €
Außenmaße4191 x 1832 x 1343 mm
Kofferraumvolumen305 bis 712 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung228 kW / 310 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,8 s
Verbrauch6,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten