BMW i5 M60 XDrive im Einzeltest
Bleibt die Freude am Fahren beim Elektro-5er?

Wie der neue BMW 5er fährt? Nun, zunächst mal als i5 ganz elektrisch und gern selbstständig. Was ein guter Anlass ist, zu testen, ob beim 5er nach gut fünf Jahrzehnten etwas Traditionelles bleibt: die Freude am Fahren. Ab dafür mit dem i5 M60 xDrive.

BMW i5 M60 xDrive
Foto: Hans-Dieter Seufert

Nimmt es die Wahrheit mit sich besonders genau, geht sie den Weg über den Widerspruch. Was sich womöglich auch daran zeigt, dass sich der wahre Fortschritt für seinen Auftritt die A 8 auf Höhe Kleiningersheim ausgesucht hat. Da leuchten die beiden grünen LEDs in den oberen Lenkradspeichen des i5 zum ersten Mal grün auf. Und damit fährt der BMW nun selbsttätig – beschleunigt und verzögert nicht nur ohne Fuß auf den Pedalen, sondern lenkt auch ohne Hand am Lenkrad.

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Um das in der ersten Ungewohntheit nicht gleich unangenehm zu finden, lenkst du deine Gedanken (etwas anderes zu lenken hast du ja gerade nicht) dorthin: Warum gerade der 5er? Es gäbe doch so viele Autos, die des Bereitens von Fahrvergnügen ganz unverdächtig sind. Bei denen sich auf das Selbstfahren viel leichter verzichten ließe (wir nennen aus einer großen Liste mal zufällig MG5, Ford Kuga und Mitsubishi Eclipse Cross, sicher können Sie das mit weiteren Kandidaten ergänzen).

Wahrheit orientiert sich neu

BMW i5 M60 xDrive
Hans-Dieter Seufert

Die Feinjustierung der hervorragenden Sitze fingert man sich per Touchscreen zusammen.

Doch der 5er war bei aller formellen Geschäftsmäßigkeit im Auftritt immer genau die Limousine für die gepflegte Herren- und Damenselbstfahrerei: Beschwörer der Kurvendynamik, verschworener Gefährte für die kleine Landstraßensause zwischen zwei oder nach dem letzten von vielen Terminen, von der nie jemand zu wissen brauchte. Doch nach 51 Jahren, zehn Millionen Exemplaren und sieben Generationen bist du dir da beim neuen 5er erst nicht so sicher. Das liegt auch, aber nicht nur daran, dass der 5er per App petzt, wo er herumfährt oder -steht – mit Foto von außen oder innen.

Es liegt auch nicht einfach an der Tatsache, dass du den G60 auf Autobahnen beim Fahren nur noch überwachen musst. Nein, so einfach macht es sich die Wahrheit nicht.

Jetzt ist ein guter Moment, um zu erklären, dass der neue 5er der neuerungsreichste seiner bisherigen Geschichte ist. Schon deswegen, weil er trotz Multi-Antriebsplattform wie der Siebener zuerst in E-Version startet. Die mildhybridisierten Benziner und Diesel sowie die Plug-in-Benzin-Hybride folgen mit kleinem Höflichkeitsabstand nach i5 eDrive40 mit Heckmotor und dem zweimotorigen i5 M60 xDrive hier im Test.

Maße wie ein 7er

BMW i5 M60 xDrive
Hans-Dieter Seufert

2.368 Kilogramm schwer drückt der zweimotorige i5 M60 auf die Waage. Das sind 215 kg mehr als beim Kia EV6 GT aus derselben Leistungsliga. Der erste Fünfer wog als 520 E12 (1972–81) rund die Hälfte: 1.230 Kilo.

Auch damit jede Art von Antrieb – von Verbrenner mit Hinterradantrieb über Plug-in mit Heckbatterie bis hin zum Bimotor-Allradstromer – in der Karosserie des 5er unterkommt, wuchs die in alle Richtungen ganz erheblich: um 9,7 cm in der Länge, um 3,2 cm in der Breite und um 3,6 cm in der Höhe, den Radstand reckt der BMW nun zwei Zentimeter weiter. Damit haben seine Dimensionen einen Umfang erlangt, den man eher einem 7er zugestehen würde und der nun endgültig die ohnehin lange nur noch verklärte Kompaktheit seiner Vorgänger sprengt.

Wobei der Hang zur Maßlosigkeit draußen auch innen zu einer gehobenen Weiträumigkeit führt. Ja, da ist schon viel Platz, selbstredend für die beiden auf den neu entwickelten, ebenso umschmiegenden wie haltintensiven Komfortsitzen vorn (1.200 Euro). Aber auch tatsächlich mal für drei Passagiere auf der kuscheligen, natürlich mit Veganleder bezogenen Rückbank, deren etwas steile Lehne in die Türverkleidung mündet.

Die Lehne klappt serienmäßig dreiteilig um, was den Alltagsnutzen des nicht sehr volumenstarken Kofferraums (490 Liter) hilfreich erweitert. Das Interieur möbliert BMW in hoher Qualität und im neuen Stil der Marke. Also auch hier der gebogene Doppelmonitor des Operating System 8.5. Dem haben sie noch immer keine gut ablesbaren oder wenigstens schönen Instrumente auf den linken Bildschirm programmiert (warum nicht die des E34 nachpixeln, als Classic-Modus samt Reihensechser-Sound statt der Iconic-Sound-Geräusch- kulisse – die eher nach einer Romanze zwischen einer Hirschkuh und einem Thermomix klingt). Je nach Stil ähnelt das Geflimmere in seiner Einfallslosigkeit der Etagenanzeige eines Aufzugs (Relaxed-Modus) oder der Überdrehtheit eines Glücksspielautomaten in einem Casino am falschen Ende von Las Vegas ("Sport").

Wobei Sport und Spiel auch auf dem 14,9-Zoll-Mittelmonitor zu haben sind: Videospiele, Bundesliga-Liveticker, gar ganze Fußball-Übertragungen ermöglichen es der Besatzung, sich in Ladepausen in angemessenem Müßiggang zu ergehen. Wobei es all die Möglichkeiten erst einmal zu finden gilt. Die verschachtelte, mehrlagige Infotainment-Menüschichtung überfordert selbst Orientierungs- und Ordnungssinn des iDrive-Drehdrückers. Da die Tapserei auf dem Bildschirm arg ablenkt, serviert meist die verständige Sprachbedienung die Menüpunkte am schnellsten – selbst Banalitäten wie das Anpassen der Ins-trumentenbeleuchtung, das wir in diesem gar nicht so fernen Früher einfach mit einem Drehrad regelten.

Zimmerservice mit Livree

BMW i5 M60 xDrive
Hans-Dieter Seufert

So richtig schnell schnelllädt der i5 nur auf den ersten 25 Prozent, im Schnitt immerhin mit 139 Kilowatt.

Was dem 5er so gut wie immer gelingt: wie tief er seine Passagiere ins Auto und Geschehen integriert – obwohl die auf dem 400-Volt-Akku sitzen. Der staffelt sich in vier Modulen zu 72 und drei Modulen zu zwölf Zellen am Boden, lässt sich mit 22 kW an der Wallbox und mit 205 kW (Test 211) schnellladen, um dann mit 81,2 kWh das E-Werk zu bestromen.

Die zwei hoch integrierten, strom-erregten (daher keine seltenen Erden benötigenden) Synchros des M60 entstammen der fünften Generation der BMW-E-Maschinen. Der vordere Motor strömt mit 192, der hintere mit 250 kW voran, was zu Gesamtsummen von 380 kW und 795 Nm führt, die sich über einen Zupfer am Boost-Paddel hinter dem Lenkrad kurzzeitig auf 442 kW und 820 Nm eskalieren lassen. Damit egalisiert der M60 die Leistung des vorherigen M5, übertrifft sein Drehmoment um 70 Nm.

Die enorme Wucht legt die Steuerelektronik immer in strecken- und gripgerechten Portionen zurecht. Schon ohne die Boosterei geht es dermaßen voran, wie es eben vorangeht in derlei Stromschnellen der E-Mobilität. Aber richtig nutzen lässt sich das so gut wie nie. Es ist einfach viel zu viel – etwa so, als genügten als Wegzehrung für eine Wanderung zwei Butterbrote und ein Apfel im Rucksack. Stattdessen reiht sich hinter dir eine Kolonne livrierter Kellner ein, die als Zug aus Servierwagen mit einem heißen Buffet den Pfad zum Gipfel hochrumpeln.

So stanzt sich der i5 auf der Messstrecke mit katapultiger Ansatzlosigkeit und einem Surren – so leise, dass es erst recht bedrohlich wirkt – in 3,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h und, ehe man sich’s versieht, weiter bis 230. Ähnlich eindrücklich wie die Effizienz, mit welcher der Antrieb die Tempointensivierung betreibt, ist die beim Verbrauch. Der liegt im Test bei 28,5 kWh/100 km, was schon einen entschlossenen Hang zur Zügigkeit fordert. Auf der Eco-Runde genügen dem i5 21,1 kWh/100 km, das weitet seine Reichweite von 319 km (Testverbrauch) auf 432 km.

Was so richtig weit für eine Fast-100.000-Euro-Limousine mit derart ausgeprägter Langstreckenbrillanz nicht ist. Denn die gestreckte, mal komplett fahrerassistierte, dann mal wieder eilige Autobahnfahrt beherrscht der BMW in Vollendung – auch als M60. Zwar zählt eine gewisse Grundstrammheit unvermeidbar zu den wesensbildenden Eigenschaften eines M-BMW. Doch selbst den Sport-Modus kennliniert er nicht in tumber Bolzigkeit. Im Comfort-Modus steckt er Unebenheiten nicht gar so beflauschend weg wie die Mercedes E-Klasse. Dafür erdet die Umgänglichkeit von Luftfederung und Adaptivdämpfung immer mit jener merklichen Straßenverbundenheit, die du in einem BMW spüren willst.

Überhaupt das Fahrwerk. Da fährt der i5 alles auf, was BMW an Grandiosität zu bieten hat – von Immerschon bis Ganzneu. Also die traditionellen Doppelquerlenker vorn, die Fünflenker hinten, dazu Luftfederung und eine Adaptivdämpfung für Zug- und Druckstufe plus eine hydraulische, hubabhängige Zusatzdämpfung in Zugrichtung, um den Aufbau zu beruhigen. Beim Fahrwerk Professional des Testwagens ergänzen das noch der aktive Wankausgleich, eine sachte 8-mm-Tieferlegung sowie die Allradlenkung (maximal 2,5 Grad Lenkwinkel hinten).

Leben als Einbahnstraße

BMW i5 M60 xDrive
Hans-Dieter Seufert

31,9 Meter genügen dem i5 zur Vollbremsung aus 100 km/h mit kalter Sportbremse. Auch klasse: Pedalgefühl mit fugenlosem Übergang von Rekuperations- zu Bremsverzögerung.

All das soll das Handling des i5 von seiner Last der 2,4 Tonnen Leergewicht befreien. Was sogar zu einem Teil gelingt – auf der Teststrecke. Da fegt der BMW hochagil, schnell, fast unerschütterlich sicher (außer du legst es drauf an) um die Pylonen. Bei Slalom und doppeltem Spurwechsel ist er nicht so weit weg von der Hetz des M240i Coupé (66,5 zu 67,2 und 139,9 zu 141,4 km/h).

Doch dieses Draußen, auf dem Land, wo die Welt eben keine Einbahnstraße ist, ist zu eng, als dass der M60 sein Handlingtalent entfalten könnte. Mit ihm über eine verschlungene Landstraße zu sausen, scheitert wie der Versuch, ein Wurfzelt in einer Telefonzelle (das waren diese gelben Kabinchen, die Älteren erinnern sich) aufzutakeln. Es liegt nicht mal daran, dass er so schwer ist – auf ein Tempo, ab dem dich sein Massendrang in Kurven stören könnte, kommst du kaum. Eigentlich bremst du die meiste Zeit nur seine Vehemenz ein. Denn: Er ist viel zu breit.

Auf den wunderbaren Straßen bei den Flüssen wirbelst du dauernd den Staub am Straßenbankett auf – hängst halb drin, wenn dir einer entgegenkommt. Da lernst du die feinsinnige Präzision, das ansatzlose, aber nicht überspitzte Ansprechen und die verständige Rückmeldung der Lenkung zu schätzen – als zweckmäßig und nutzbringend, aber nicht mehr wie sonst beim Fünfer als vergnügungs- und sinnstiftend.

Daher bleibst du – obwohl doch Zeit wäre – einfach auf der A 81 bei der Ausfahrt Möckmühl, anstatt wie sonst so gern abzubiegen. Für eine kleine Abkürzung, für die dir kein Umweg zu lang ist. Für den Zauber der Kurven und das Glück, das sonst auf den Straßen zwischen Lampoldshausen, Pfinzhof und Oberkessach bis zur Anschlussstelle Osterburken liegt. Stattdessen lässt du dich chauffieren und überlegst, ob es nicht tatsächlich an der Zeit oder zumindest zeitgemäßer ist, dass sich die "Freude am Fahren" zur "Freude am Gefahrenwerden" evolutioniert.

Dass sie in einem BMW, noch dazu in einem M, die erste Stufe der Vollendung findet, ist kein Widerspruch. Sie ist ein neuer, weiterer Stein im Talentmosaik des i5, eines sehr guten Autos. Und es zeigt den BMW-Mut für Innovationen – solchen aus Freude am Wahren: dem wahren Fortschritt.

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Komfort
Überzeugender Federungskomfort
Klasse Sitze
Leise Geräuschkulisse
Als M eher straff statt flauschig abgestimmt
Antrieb
Adäquater Ersatz für Reihensechser-/V8-Benziner
Für Reise-Limo eher knappe Reichweite
Fahrverhalten
Sehr gute Werte auf der Teststrecke
Massige Größe
Umwelt
Beeindruckend geringer Energieverbrauch
Hohe CO₂-Emissionen bei Herstellung
Kosten
Niedrige Energiekosten
Teures Luxus-Sportmodell

Fazit

647 von 1000 Punkte

Mehr neuer Fünfer gab es in 51 Jahren nicht. Mit hocheffizientem, enorm druckvollem E-Antrieb und einem neuen Level an Assistenz zeigt der i5 die Innovationskraft der Marke. Nicht nur technisch stößt er in neue Dimensionen vor, sondern auch bei den Maßen. Die schlagen wie die Masse aufs Handling.

Technische Daten
BMW i5 M60 xDrive
Grundpreis99.500 €
Außenmaße5060 x 1900 x 1505 mm
Kofferraumvolumen490 l
Höchstgeschwindigkeit230 km/h
0-100 km/h3,8 s
Verbrauch18,2 kWh/100 km
Testverbrauch28,5 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten