BMW M135i, Audi S3 Sportback, Mercedes AMG A 35
Der neue 1er gegen Mercedes und Audi

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BMW hat den 1er neu ausgerichtet, was vor allem das M-Modell seine Alleinstellungsmerkmale kostet. Doch wie ist es um die Dynamik des Neuen M135i Bestellt? Ein Vergleichstest mit jenen, denen er nun nacheifert.

Audi S3, BMW M135i, Mercedes-AMG A 35, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Schuld sind? Die anderen! Das ist ja immer so und in diesem Fall tatsächlich. Weil diese anderen, konkret die Tourer-Modelle des Zweier, der X1 und der X2 sowie deren Mini-Derivate, BMWs neu entwickelte UKL-Plattform bisher nicht wie gewünscht zum Laufen bringen, muss ein Stückzahl-Zugpferd her. Und diese zweifelhafte Ehre wird nun dem 1er zuteil.

Das Problem an der Sache: Der Umzug vereitelt ausgerechnet jene Attribute, die ihn bis dato ausmachten, ihn sozusagen herausstechen ließen aus der Kompaktmasse: den Hinterradantrieb und den Sechszylinder. Beides ist mit der neuen Architektur nicht mehr vereinbar, was freilich eine Riesenkatastrophe ist, aber anscheinend nur aus unserem speziellen Blickwinkel.

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Bestimmt erinnern Sie sich noch an diese Umfrage, die vor Jahren die Runde machte. Demnach hatten 80 Prozent der 1er-FahrerInnen keine Ahnung, dass die Kraft bei ihrem Auto an die Hinterräder fließt. Auf gut Deutsch: Den meisten ist es völlig wurscht, was der Motor wie, warum und wohin treibt. Sie wollen einen BMW, weil er ein BMW ist, und nicht weil er wie einer fährt! So gesehen bleibt das Drama jetzt natürlich aus. Wahrscheinlich freuen sich viele sogar über die Umstrukturierung, die ja ach so tolle Sachen mit sich bringt: 20 Liter Extra-Laderaum zum Beispiel oder 3,3 cm mehr Kniefreiheit im Fond.

Jubelarie oder Grabrede?

Allerdings – und das ist dann die Kehrseite der Medaille – besagt die Umfrage eben auch, dass die anderen 20 Prozent sehr wohl von ihrem Glück wussten. Womöglich haben sie sich sogar deshalb und ganz bewusst für den 1er entschieden und gegen den Audi A3 oder die Mercedes A-Klasse. Und ich wage zu behaupten, dass die Mehrheit dieser Minderheit die M-Kunden gewesen sind, die nun genauso bedröppelt dasitzen wie wir und grübeln, wie das wohl werden wird mit dem neuen UKL-1er und dem „M wie Motorsportlichkeit“. Liegen wir uns nachher vielleicht kollektiv in den Armen und fragen uns, warum erst jetzt? Oder wird’s so grässlich, dass es hier anstatt einer Vergleichsgeschichte einen Nachruf zu lesen gibt?

BMW M135i, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Nachruf oder Jubelarie? Weder noch! Der neue M125i ist nach wie vor ein vorzüglicher Kompakter.

Die gute Nachricht ist auch gleichzeitig die schlechte: Beides sollte im Test nicht eintreten. Stattdessen geschah das, was zu befürchten respektive zu hoffen war. Der neue M135i ist ein vorzüglicher Kompakter, ein durchaus sportlicher, aber eben einer wie alle anderen auch!

Immerhin: Eine Errungenschaft der neuen Plattform bleibt dem M135i erspart: der Frontantrieb. Wie der Audi S3 Sportback und AMGs A 35 kommt auch der BMW serienmäßig mit Hang-on-Allrad. Und: Er kommt günstiger als sein Vorgänger, der M140i mit xDrive – 1.650 Euro günstiger, um genau zu sein, was angesichts der Leistungseinbußen aber auch das Mindeste ist.

306 PS trommelt der Vierzylinder-Turbo zusammen, 34 PS weniger als der Dreiliter von einst. Gleichzeitig reduziert sich das Drehmoment um 50 auf 450 Nm – beides mit durchaus gravierenden Folgen für die Längsdynamik. Bereits im Nullhundert-Sprint fällt der Neue deutlich zurück: 5,1 Sekunden heute zu 4,4 Sekunden damals. Im weiteren Beschleunigungsverlauf wachsen die Unterschiede dann weiter Richtung Eklatant: 2,1 Sekunden Rückstand bis 160 km/h, 4,3 bis 200. Die Zeiten, in denen so ein M-1er geradeaus einfach mal alles niedermähte, sind jedenfalls vorbei. Jetzt steckt er mittendrin im Pulk, liegt lange gleichauf mit A 35 und S3, ehe er obenrum sogar leicht abfällt.

Und damit nicht genug: Auch die subjektive Überlegenheit schwindet, die Souveränität im Durchzug ebenso wie die conchierte Leistungscharakteristik, neben der sich die Drehmoment-Aussonderungen des Vierzylinders wie eine kalte Dusche anfühlen. Zum Trost gibt’s ein bombastisches Ansprechverhalten. Ein kurzer Zucker im Gasfuß, schon ist der Zweiliter hellwach und presst – für sich betrachtet – auch überaus kernig voran. Zumindest bis in die Gegend um 6.000/min, wo der Zug dann etwas ausleiert. Im Vergleich? Der Audi-TFSI hat nominell weniger Kraft, wirkt aber fleischiger. Sein Ladedruck kommt weicher, hält dafür länger vor, während der A 35 eine saugmotorähnliche Charakteristik generiert. Keine Spitzen, keine Dellen. Sehr hübsch!

Überhaupt bringt AMG die Dynamik am besten rüber: tief montierte Skinny-Fit-Sitze, eine klare, zudem äußerst informative Lenkung sowie eine staubtrockene Fahrwerksabstimmung mit spür- und sichtbarer Steifigkeit in der Anbindung.

Fahrfreude bei BMW

Der 1er treibt’s zwar nicht ganz so bunt, trotzdem muss man zugeben, dass einem die Fahrfreude nicht komplett vergeht. Das Auspuffgebrummel wirkt zwar ebenso aufgesetzt wie das Lenkgefühl. Das, was dahintersteckt, fetzt aber schon – schon irgendwie. Sicher, man merkt, dass die Vorderachse nicht mehr ganz so unbeschwert die Richtung wechselt wie einst im M140i; dass nun 59,3 Prozent des Gewichts auf ihr lasten anstatt wie früher 54,4; und dass sich die Fuhre in Kurven dadurch etwas stärker übers belastete Vorderrad lehnt. Dennoch: Die Michelins ackern direkt, bauen danach rasch und reichlich Seitenführung auf – je nach Einsatzort sogar zu viel.

BMW M135i, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Mit höher werdendem Tempo ist der BMW zunehmend am Tigern.

Auf der Landstraße ist die zackige Lenkübersetzung ebenso antörnend wie die offensichtliche Wirkung des Torque-Vectoring-Systems, das den 135 richtig schön reinzupft ins Eck. Auf der Autobahn wird’s jedoch hibbelig. Anders als A 35 und S3, die sich auch bei zwofünfzig noch stoisch in die Spur hängen, ist der BMW mit höher werdendem Tempo zunehmend am Tigern. Der Geradeauslauf ist nervös, unter Last entwickelt er einen seltsamen Zug in Lenkrichtung, Spurrillen verwackeln den Kurs.

Und apropos verwackeln: Auch den Slalom absolviert er längst nicht so gekonnt wie seine Rivalen. Die diffuse Rückmeldung und eine Tendenz zum Aufschaukeln verursachen die schlechteste Zeit, der aber ausgezeichnete Bremswerte gegenüberstehen.

Beim A 35 läuft’s genau andersrum. Mit seiner strammen Abstimmung und der Rollresistenz der Karosserie keilt er sich richtig schmissig zwischen den Hütchen hindurch. Und auch auf der Runde ist er im Grunde genau das, was man sich unter einem Kompaktsportler vorstellt. Keiner presst sich so fest auf die Linie wie er, keiner hat seine Vorderachse beim Herausbeschleunigen so gut im Griff, keiner schaltet die doppelgekuppelten Gänge so rabiat.

Der verdiente Sieger verliert

Sein Sieg schien jedenfalls ebenso verdient wie sicher, allerdings spielte die Bremse nicht mit. Wie schon im Einzeltest verzögert der A 35 dürftig, schießt als Einziger des Trios über die 36-Meter-Marke hinaus – und eine hervorragende Leistung damit in den Ofen! Das Problem? Liegt weniger in der Bremskraft als im ABS. Es regelt so stark, dass von der an sich kräftigen Verzögerung wenig übrig bleibt.

Mercedes-AMG A 35, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Die Bremse spielt nicht mit. Der A 35 schießt als einziger des Trios über die 36-Meter-Marke hinaus.

Spätestens jetzt dürfte der 1er seine Chance wittern. Ein Triumph zum Auftakt des kritisch beäugten Neukonzepts, das wär’s doch. Und da schau her: Selbst der Hockenheimring, der nach einhelliger Meinung der Kritiker BMW schon des Holzwegs strafen würde, kriegt den M135i nicht klein. Viel Drive beim Einlenken, viel Stabilität in schnellen Kurven, kaum Untersteuern! Klar, das Heck dackelt bloß hinterher. Doch wer ihm das vorwirft, der vergisst, dass auch seine Vorgänger nie die großen Handling-Helden gewesen sind. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass sich seine querdynamischen Nachteile auf das schnellere Auslaugen der Vorderreifen und die nachlassende Bremse reduzieren. Jedenfalls kommen die drei Sekunden Rückstand auf die Rundenzeit des M140i eher durch die geringere Power zustande als durch den allseits befürchteten Agilitätseinbruch.

Und der Audi? Benimmt sich seinem reifen Alter entsprechend. Jede seiner Bewegungen scheint gemächlicher abzulaufen. Dazu fahrwerkt er vergleichsweise geschmeidig, neigt sich weiter zur Seite, wenn die Querkraft zupackt, und opfert ein quirliges Lenkgefühl zugunsten eines guten Drahts zur Vorderachse. In Summe: ein stimmiges Auto, das Dynamik eher entfaltet als entfacht.

Ob er damit was reißen kann? Niemals nicht, haben wir alle gedacht. Zumal die Rennstrecke seine Sache nicht ist. Das heißt: Eigentlich wissen wir das gar nicht so genau. Weil? Er das, was möglicherweise in ihm steckt, nicht rauslassen darf. Jedes Anbremsmanöver bringt nämlich die ESC-Hilfssheriffs auf den Plan, die eine Notsituation offenbar nicht von provozierter Performance unterscheiden können. Ergo: Sie gehen pauschal vom Schlimmsten aus und knebeln die Kraftzufuhr so lange, bis die Aufregung im Fahrwerk ebenso verflogen ist wie wertvolle Zeit.

Audi S3, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Der Audi zeigt teilweise unsportliches Verhalten, brilliert aber in vielen Diziplinen.

Ein derartiges Verhalten mag grob unsportlich sein, hält den S3 aber nicht davon ab, in anderen Disziplinen zu brillieren. Der Bremsweg ist mit 35,5 m noch so lala, im Slalom jedoch spielt der Audi ganz groß auf. Die Störfeuer der Regelelektronik? Wie ausgeblasen! Die suggerierte Gemütlichkeit? In Wohlgefallen aufgelöst! Stattdessen legt er einen Twist der Extraklasse aufs Parkett, mit dem er sich von seinem ach so verlorenen Posten zickzack an A 35 und M135i vorbei nach vorne schiebt, auf Rang eins dieses Vergleichs – wobei sich aber wieder die Frage stellt, wie viel Prozent der 1er-FahrerInnen das interessiert.

Fazit

Der Audi-Sieg kommt überraschend, ist aber auch deshalb nicht unverdient, weil sein Handling noch aus der Mechanik kommt und nicht aus der Retorte. Ganz anders der BMW. Ihm ist anzumerken, dass er auf jeden Fall sportlich rüberkommen muss. Er motorisiert motiviert, lenkt aggressiv, erreicht aber weder die elegante Dynamik seines Vorgängers noch die fundierte Performance des AMG.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten