BMW M2 im Test
Power-Coupé für Alltag und Rennstrecke

Pur und ganz ohne elektrische Zusatzstoffe schmecken die aktuellen M-Modelle im Vergleich zur Hybrid-Konkurrenz besonders süß. Ist der Kleinste unter ihnen nur Regalauffüller oder eine fahrdynamische Geschmacksexplosion?

BMW M2
Foto: Achim Hartmann

Studien belegen, dass es jüngere Geschwister oft schwerer haben. Ihnen kommt weniger Aufmerksamkeit zugute, sie sind selten erfolgreicher als die Erstgeborenen. Gleichzeitig gelten die Kleineren als risikofreudiger und rebellischer. Der M2 gibt wenig auf wissenschaftliche Vorzeichen. Signifikanter ist, wie der M2 aus dem Erbgut der großen Geschwister M3 und M4 das Traditionelle, besser das Essenzielle destilliert und zu einem würdigen Prosit der Sportlichkeit zusammenfügt.

Unsere Highlights

Doch der Reihe nach: Die 2er-Baureihe dürfte für alle, die den blau-weißen Propeller nicht als Wandtattoo überm Bett hängen haben, ein regelrechter Modellsumpf sein. Sie vereint einen Kompakt-Van und eine viertürige Coupé-Limousine – beide auf einer Frontantriebs-Plattform – mit einem zweitürigen Coupé auf der größeren CLAR-Plattform. Wichtig ist: Das 2er Coupé (ohne "Gran"!) steht für die klassische BMW-Lehre. Hinterradantrieb mit Allradoption, Reihenmotor längs vorn mit vier bis sechs Zylindern. An der Spitze steht der M2, der im Prinzip wie schon das Competition-Modell des Vorgängers Motor und Fahrwerksteile vom großen Bruder M4 auf weniger Verkehrsfläche bindet.

Gleich vor dem Gesetz

Und damit biegen wir schon ein auf die Hausstrecke mit ihrer unsteten Topografie und den sich im Streckenverlauf immer weiter zuspitzenden Kurvenradien. Also: Antrieb auf Sport, Getriebe auf manuell und ... herrje, was ist das denn? Es bimmelt aus den Lautsprechern wie ein Kinder-Xylofon. Eine Woche vorher wurde an einer Stelle die Fahrbahndecke ausgebessert, das 30er-Schild vergessen. Auch ein Athlet wie der M2 muss sich der EU-Gesetzgebung beugen und einen Warner für das Tempolimit integrieren. Blöd nur, dass Verkehrszeichen-Erkennungssysteme fehleranfällig sind und die Beschilderung wie im genannten Beispiel nicht immer der Norm entspricht. Immerhin gestaltete BMW das Geräusch zurückhaltend und einen halbwegs schnellen Abschaltweg in zwei Schritten mit Shortcuts. Ebenfalls verpflichtend: Nach jedem Neustart ist das System wieder aktiv.

Jetzt aber. Der S58-Motor kommt direkt aus den großen Geschwistern, wurde zugunsten der internen Hackordnung auf 460 PS und 550 Newtonmeter gedrosselt. Er braucht eine Gedenksekunde oder exakt 2.650 Umdrehungen, bevor seine beiden Monoscroll-Lader die nötige Luftmasse bewegen, um jeglichen Assoziationen mit der sportlichen Kompaktklasse davonzubeschleunigen. Das kleine Turboloch umschifft die serienmäßige Achtgangautomatik gekonnt, erst im manuellen Modus wird es hin und wieder spürbar. Danach herrscht Dauerdruck bis siebenzwo. Schon im Stand emittiert der S58-Motor dieses M-typische, leicht unrunde Leerlaufbrummeln, klingt leicht rasselig in den niederen Lagen, bevor sich die Klangwolke ab dreieinhalb zur rauen Reihensechserharmonie verdichtet.

Ob der Klang im Innenraum durch Lautsprecher verstärkt wird? Vermutlich. Doch die Synthetik im Klang sucht man vergebens. Die drei Antriebsmodi spitzen den Sound Stück für Stück zu, ohne den M2 zur Krawallbude verkommen zu lassen.

Erfolgreich verbirgt auch die Wandlerautomatik ihr Wirkungsprinzip mit wuchtigen Schaltvorgängen und blitzschnellen Reaktionen auf Paddelbefehle. Dazu passt die knackig kurze Übersetzung der ersten fünf Gänge perfekt auf die Landstraße. Der zweite Gang reicht bis 94 km/h. Ähnlich fix ändert das Coupé die Richtung. Die Lenkung arbeitet äußerst direkt, wobei BMW verglichen mit anderen M-Modellen das Ansprechverhalten um die Mittellage entschärft und der Lenkung einen stimmigeren, harmonischeren Lenkkraftaufbau einprogrammiert.

Mehr Fingerspitzengefühl

Feedback allerdings fließt nicht wie ein Bächlein von den Vorderrädern in die Handflächen, vielmehr tröpfeln ein paar Informationen durch. Zudem wirkt das große, dicke Lenkrad etwas sperrig. Damit ist es gleichzeitig Abbild und Antithese des M2. Denn der ist auf seiner geschrumpften M4-Plattform (minus 21 cm Länge, minus 11 cm Radstand bei gleicher Karosserie- und Spurbreite) wahrlich kein Kompaktwagen mehr. Gewichtsseitig schon gar nicht. Bei immensen 1.721 Kilogramm zeigt sich: Er wurde zum M2 verdichtet, nicht reduziert. Die gute Nachricht: So ärgerlich die zahlenmäßigen Auswüchse erscheinen, so wenig kommen sie dann im tatsächlichen Fahrerlebnis an. Klar, die Breite kann in sehr engen Überland-Sektionen stören, das Gewicht wird dagegen vollständig vom immensen Tatendrang des Chassis eliminiert.

Gegenüber dem BMW M4 fühlt sich der M2 weniger ungelenk an, Masse und Maße scheinen zu verfliegen. Die charakterliche Veränderung zu den Vorgängern ist jedoch die gleiche: Die Lockerheit wich Körperspannung. Üppige 275er tackern den zwischen den Domen, Stirnwand und Achsträger verstrebten Vorderwagen auf die Linie. Die Traktion der 285er-Hinterreifen ist selbst im MDM genannten gelockerten ESP-Modus von beachtlicher Trittfestigkeit. Trotzdem ist der später eintretende Haftungsabriss harmonisch. Erst spürt man, wie die Hinterachse sich richtig reinkniet, dann das elektronisch gesteuerte Sperrdifferenzial sperrt und irgendwann das Heck zu gieren beginnt.

BMW M2
Achim Hartmann

Antrieb: Sechszylinder-Reihenmotor (Benzin-Direkteinspritzung), vorn längs, mit Abgasturbolader und Ladeluftkühler, siebenfach gelagerte Kurbelwelle, zwei obenliegende Nockenwellen (Kettenantrieb), vier Ventile pro Zylinder.

Dank der äußerst steifen Anbindung der Achsträger ist das Chassis-Feedback glasklar, was den BMW M2 auf der Landstraße zu einem großartig kommunikativen Spielgefährten macht. Höheres Limit – geringere Fallhöhe? Der Wechsel auf die Rennstrecke nach Anneau zeigt, wie deutlich sich der M2 von seinem Vorgänger unterscheidet. Bisher war es wie bei lateinamerikanischen Tänzen: So richtig klappt es nur mit lockerer Hüfte.

Drift sich gut

Beim Vorgänger hieß das, seinem übersteuernden Naturell mit Mut zum Gierwinkel zu begegnen und es zum eigenen Vorteil zu nutzen. Der Neue fährt haftungsstärker, neutraler, katapultiert sich viel effektiver aus den Kurven, ohne auf das typische, auf Provokation heckbetonte Handling, das einen M-BMW ausmacht, zu verzichten. Ob man die alte oder neue Handlingrichtung bevorzugt, ist mehr eine Frage des Fahrstils und des Geschmacks, aber keine der Performance, denn hier liegt der Neue meilenweit in Führung mit Grip, Traktion und einer auf der Rennstrecke wie auf dem Testgelände äußerst standfesten Bremse. Die Fahrbarkeit profitiert weiter durch die zehnstufige Traktionskontrolle, mit der sich der gewünschte maximale Gierwinkel präzise einstellen lässt. Oder man deaktiviert alles und lässt sich inmitten rauchender Michelins die eigenen Drifts vom Drift-Analyser mit Sternen bewerten.

Klar, das adaptive M-Fahrwerk kann Unebenheiten notdürftig ausbügeln, lässt aber nie einen Zweifel an seinen eigentlichen Absichten. Dabei ist der M2 mit seinem praktischen Kofferraum und dem abgesehen von erhöhten Abrollgeräuschen recht gemäßigten Umgangston kein Alltagsverächter. Dank Dreh-Drück-Steller klappt die Bedienung, dank Tasten für das Fahrmodus-Menü, DSC und den Auspuff ist das Auto auch schnell passend konfiguriert. Die smarte Sprachsteuerung hilft beim schnellen Deaktivieren der Fahrassistenz. Alternativ schaffen die M-Modes Abhilfe. Über eine Taste in der Mittelkonsole werden das Assistenzarsenal und die Optik von Tacho- und Head-up-Display angepasst, in "Track" deaktiviert sich sogar der Zentralbildschirm, was jedoch jegliche Einstellungen an Traktionskontrolle oder Fahrparametern verhindert – irgendwie am Ziel vorbei.

Kurioses Detail: BMW liefert den M2 ausschließlich mit Dreizonen-Klimaautomatik aus, auch wenn der Klimakomfort die wohl geringste Sorge von bein- und kopffreiheitsberaubten Fondpassagieren sein dürfte. Armaturenbrett und Türoberkanten sind zwar geschäumt, fühlen sich aber nicht nach einem 82.000-Euro-Auto an. Zudem steht die wuchtige Heckschürze an der Kante zum Seitenteil über. Das sind aber auch die einzigen Eigenheiten eines jüngeren Geschwisterchens, das reichlich Aufmerksamkeit seiner Entwicklungseltern genoss und die Familienwerte auf ein erlebnisreiches, emotionales wie auch höchst performantes Level konzentriert.

Darf’s a bisserl mehr sein?

Auf dem Maha-Leistungsprüfstand in Haldenwang will der M2 nichts von einer Drosselung zur Bewahrung der M-internen Hackordnung wissen. Er übertrifft die Serienleistung deutlich.

Der S58-Reihensechszylinder erreicht schon knapp unter 6.000 Umdrehungen ein Plateau von knapp 360 kW (490 PS) und hält die hohe Leistung bis knapp 7.000 Umdrehungen. Mit einer Maximalleistung von 496 PS übertrifft er die Papierwerte des Basis-M4 (480 PS) und rückt nah an den Competition heran (510 PS). Alle zuletzt gemessenen M-Fahrzeuge wiesen eine deutliche Streuung nach oben auf. Auch beim Drehmoment kennt der M2 keine Zurückhaltung und bringt 580 Newtonmeter auf die Rolle.

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Fazit

542 von 1000 Punkte

Toll, wie der klangstarke M2 trotz spürbarem Rundenzeiten-Fokus seine M4-Zutaten zu einem nicht zu verbissenen, gut beherrschbaren und vor allem unterhaltsamen Fahrerlebnis für Straße und Rennstrecke konzentriert. Der Kleinste ist der derzeit größte Star im M-Stall.

Technische Daten
BMW M2 Coupé
Grundpreis75.400 €
Außenmaße4580 x 1887 x 1403 mm
Kofferraumvolumen390 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung338 kW / 460 PS bei 6250 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch11,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten