BMW M5 CS & BMW Alpina D5 S im Test
Gipfeltreffen der Drehmoment-Monster

Newton Appetit! Diese beiden BMW 5er schichten monströse Drehmoment-Berge auf – nicht weniger als 750 Nm hoch –, und dennoch könnte der charakterliche Gegensatz der beiden Limousinen kaum größer ausfallen. Obwohl …

BMW M5 CS, BMW Alpina D5 S, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

Ja, natürlich, Sie haben vollkommen recht. Womöglich sogar ein Anrecht. Worauf? Auf ein ordentliches Zitat von Isaac Newton. Nach dieser Überschrift. Aber nein, jetzt auf der L 1127, als sich gerade ein gemächlich dahindümpelnder Sattelzug in der Windschutzscheibe des BMW Alpina D5 S materialisiert, atmet das marshmallowsofte Leder des Lenkrads ausgerechnet ein Zitat des ollen Konfuzius aus: "An einem edlen Pferd schätzt man nicht seine Kraft, sondern seinen Charakter."

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Dann allerdings fällt das rechte Pedal in die Fußmatte, der Dreiliter-Reihensechszylinder-Motor tritt seine Drehmoment-Lawine von 800 Newtonmetern los, die auf das Achtstufen-Automatikgetriebe fällt, das die Brocken an alle vier Räder verteilt, einen Großteil davon an die hinteren, Dimension 295/30-20. Knurrende Bässe schwappen durch den Innenraum, die 1.951 Kilogramm schwere Limousine zwischenbeschleunigt maximal intensiv. Konfuzius, Sie hatten keinen Schimmer. Hier geht es um Kraft, ausschließlich um Kraft, und ja, auch ein wenig um deren Darreichung. Denn den D5 S treibt ein Diesel-Meisterwerk an, das sich die inhalierte Frischluft von drei Turboladern (zwei davon arbeiten permanent) komprimiert in die Brennräume jagen lässt.

Brock ’n’ Roll

Nein, geschätzte BMW-Kenner, der D5 S trägt nicht etwa Alteisen auf, sondern nutzt die elektronische Steuerung des jüngst beim Stammhaus ausgemusterten Quad-Turbos. In Kombination mit der modifizierten Ansaugluftführung soll das zu optimalem Ansprechen und relativ ausgeprägter Drehfreude führen. Stimmt sogar, denn obwohl das Aggregat nicht nennenswert über 5.000/min hinauskommt, dreht es bis dahin bemerkenswert temperamentvoll. Fürs Protokoll: Viervier für nullhundert, 16,7 Sekunden auf 200 km/h.

Die Kurbelwelle des S63-Triebwerks im M5 CS dagegen will mehr, kann mehr – natürlich. Unter Bierzelt-Gebrüll. "Skandal im Sperrbezirk", "Cordula Grün", allerdings im dezenten Wattemantel, wenngleich hörbar polteriger, donnernder als beim M5 Competition, wegen der neuen Abgasanlage.

BMW M5 CS, Exterieur
Rossen Gargolov
Der M5 CS tönt wegen der neuen Abgasanlage hörbar polteriger, donnernder als ein M5 Competition.

Maximal 750 Nm entwickelt der V8-Motor mit 4,4 Litern Hubraum, bei praktisch identischer Drehzahl wie jener des Alpina-Motors (1.800 zu 1.750/min). Beide zögern also einen Moment, bevor sie den Schleudergang einlegen. Sobald die virtuelle Nadel im noch immer sehr seltsam gegenläufigen Drehzahlmesser-12,3-Zoll-Display-Dings die 2.000er-Marke anpikst, geht’s los. Immerhin: Der M liefert ab Sport-Modus noch eine eindeutige Drehzahl-Skala. Im Alpina dagegen: Farbakzente im traditionellen Blau des Hauses. Auch schön.

Wo wir sind, ist toben

Jedenfalls krönt das Triebwerk mit 635 PS den CS zum stärksten aller Serien-BMW, zündelt immer und überall, will toben, drehen, mit ungeheurem Ehrgeiz, meine Güte. Du fürchtest schon, dass die Kolben bald mit ihrem oberen und unteren Totpunkt durcheinanderkommen. In plakativen Zahlen: 3,1 Sekunden für den Standardsprint, in 10,2 Sekunden auf 200 km/h. Die beiden Twin-Scroll-Lader (also mit je zwei parallelen Strömungskanälen für eine getrennte Zuführung der Abgase auf das Turbinenrad, damit die sich nicht gegenseitig beim Ladungswechsel behindern und so das Ansprechen verzögern) sitzen zwischen den Zylinderbänken, die im 90-Grad-Winkel zueinander stehen.

In der Bucht geht’s heiß her, oft läuft der Kühler nach dem Abstellen lange nach. Abstellen? Auf keinen Fall! Laufen lassen, fahren. Mit beiden. Die Kraft genießen. Drehmoment, einen großen Batzen Drehmoment, bereitgestellt unter verbrennungsmotorischem Drama, als dessen Klimax sozusagen, keineswegs jedoch als retardierendes Moment. Denn selbst wenn Leistungs- und Drehmomentkurve abzuflachen drohen: nächster Gang.

Beide verfügen über Automatikgetriebe mit acht davon. Reicht. Klar, der CS macht mehr Aufhebens darum. Du willst nur mit der kleinen Taste am knubbeligen Wählhebel die Schaltgeschwindigkeit erhöhen? Schon schaltet der Automat früher zurück, bleibt länger im kleinen Gang. Der Auftritt des jugendlichen Helden erfolgt hier permanent, nicht nur alle paar Akte. Immer wieder: frenetischer Applaus.

 BMW Alpina D5 S, Exterieur
Rossen Gargolov
Der D5 S krönt sich mit 408 PS zum stärksten Diesel-BMW.

Und der D5 S? Entspannte Wucht. Wie Smetanas "Moldau". Oder System Of A Downs "Aerials", welche Musik Sie auch immer bevorzugen. Das offensichtlich Wildeste an ihm: die Zierstreifen, die man abbestellen könnte. Aber wer wollte das schon? Schließlich reden wir hier von einem Alpina, so etwas wie BMWs promovierte Subkultur. Ertappt, Konfuzius, allmählich mischt sich der Charakter unter die Kraft. Sollten Sie etwa recht behalten? Der D5 S jedenfalls krönt sich ebenfalls, nämlich zum stärksten Diesel-BMW, weil: 408 PS.

Weich und schön

Ungeachtet dessen beruhigenden Klangs und dieses – noch einmal – unerhört weichen Lederlenkrads (es sollte Schlafanzüge aus diesem Material geben, was aber womöglich verstörend auf Mitmenschen wirken könnte) will er so überhaupt nicht in die Rolle des friedliebenden Helden schlüpfen. Bereits auf der Langstrecke fällt auf, was schon bei anderen Alpina der aktuellen Generation verwunderte: das herbe Ansprechen des Fahrwerks auf kurze Bodenwellen. Zwar verfügen die adaptiven Stoßdämpfer über den hauseigenen Modus Comfort+, allerdings lässt der den Aufbau arg ausgeprägt in der Vertikalen schwingen, ohne dass der initiale Stoß entscheidend gefiltert würde. Anders ausgedrückt: Herber federt der M5 CS auch nicht an.

Danach allerdings lässt er dem Komfort nicht mehr viel Spielraum; stets um maximale Aufbaukontrolle bemüht, wippt die 1.847 Kilogramm schwere Limousine kurz, staucht die Insassen sportwagentypisch leicht zusammen. Unangenehm? Gar nicht mal. Vermutlich auch, weil erwartet. Eigentlich sogar langstreckentauglicher als erwartet.

BMW M5 CS, Interieur
Rossen Gargolov
Am Lenkrad des CS lässt sich ein individuelles Set-up ablegen, abgemischt aus Antriebs-, Fahrwerks- und Regelelektronik-Kennlinie.

Was sicher auch an den extrovertierten Schalensitzen liegt, die fest zupacken und so die Muskulatur entlasten – die dann beim Ein- und Aussteigen umso stärker gefordert ist. Daraus ergibt sich eine wunderbar tiefe Sitzposition am mikrofaserbezogenen Lenkrad mit den beiden roten Fühlern, in denen sich jeweils ein individuelles Set-up ablegen lässt, abgemischt aus Antriebs-, Fahrwerks- und Regelelektronik-Kennlinie.

Tradition vernichtet

Im Alpina erwartest du am Lenkrad die eigenwilligen Druckknöpfe hinter den Speichen für manuelle Gangwechsel – Buchloer Tradition seit 1992. Stattdessen aber: Aluminium-Schaltwippen, schwarz, kühl, nobel. Dazu ebenfalls 5er-typisch tiefe Sitzposition, allerdings auf den vielfach einstellbaren Komfortsitzen.

Gälte es nun, den bayerischen Kolonialismus voranzutreiben, im D5 S ließen sich problemlos Länder, ach was, Kontinente durchmessen. Bei einem Testverbrauch von 8,7 l/100 km gar nicht mal so häufig von Tankstopps unterbrochen. Beim M5 CS hingegen umso häufiger (12,4 l/100 km), der Aktionsradius deutlich eingeschränkt. Ja, der M will weg, weg von den lang gezogenen Autobahnkurven, will raufen, die Raffinesse seines einstellbaren Allradantriebs zeigen, mit der Kleisterigkeit seiner Pirelli P Zero Corsa beeindrucken.

Auf die Reifen und auf das nach Messwerten 48 kg geringere Gewicht gegenüber der Basis (allein 14 kg weniger Schallisolierungen, 11 kg durch die Sitzanlage, 7 kg durch CFK-Karosserieteile) passten die Entwickler Federn und Dämpfer an, mit dem Ziel, dem Eigenlenkverhalten maximale Neutralität anzuerziehen. Und hui, neutral fährt der Fünf-Meter-Apparat. Lange. Schnell. Immer schneller. Makelloser Asphalt, also Dämpfer auf "Sport+", minimale Karosseriebewegung. Allradantrieb im Standard-Modus, also maximale Präzision. Das Heck drückt extrem spät, ganz sacht.

Du packst den CS beim wurstigen Lenkradkranz, spreizt unbewusst die Ellenbogen, M-typisches Ringen, jedoch mit weniger spitzen Ecken, die bei der aktuellen Modellgeneration das Fahrverhalten nicht unbedingt positiv beeinflussen. Dieser M5 sucht nicht nach jedem kleinsten Fehler von dir, um dich sofort auf die Matte zu werfen. Der variable Allradantrieb, das aktive Differenzial, die Reifen, klar, daraus braust du kein alkoholfreies Weißbier, eher schon ein Weizenbock, nur nicht mit maximalen Volumenprozent.

BMW M5 CS, Exterieur
Rossen Gargolov
Auf die Reifen und auf das 48 kg geringere Gewicht des CS gegenüber der Basis passten die Entwickler Federn und Dämpfer an.

Der CS gibt dir den kleinen Freiraum, sich mit den möglichen Kurventempi auseinanderzusetzen, kündigt mit angemessenem Vorlauf an, wann Schluss ist – im Zweifelsfall immer später als gedacht. Wie er sich festbeißt, wie er vorne zieht, hinten schiebt, wie du in ihm drinsitzt, eng verbunden, auf den nächsten Brems- und Einlenkpunkt lauernd, hach, möge es nie aufhören. Oder vielleicht doch? Regelelektronik auf Urlaub schicken, die vorderen Antriebswellen ebenfalls, Modus 2WD. Jetzt beschäftigen 750 Nm allein die 285er- Hinterräder, es bilden sich leichte Schweißperlen (beim Fahrer), denn sie wissen nicht, was sie tun (die Hinterräder). Dritte-Gang-Drifts auf unserem Lieblings-Handlingkurs, Himmel, der wird dann ganz schön eng.

Ort-Findungsstörung?

Und ist womöglich der völlig falsche Ort für den Alpina? Keinesfalls! Klar, die 20-Zoll-Räder auf Schmiedefelgen alleine reichen nicht, da braucht’s noch neue Federn, modifizierte Adaptivdämpfer und ein Grad negativen Sturz an der Vorderachse, an der Hinterachse noch ein mechanisches Sperrdifferenzial sowie eine spezifische Abstimmung des xDrive-Allradantriebs. Dann, ja dann lässt sich der große Dieselwagen extrem lässig über den engen Kurs scheuchen, jedoch bei geradezu furchterregender Schräglage.

Ja, im Vergleich zum CS herrscht im D5 hoher Seegang, doch er rückt an dich, kommuniziert mit dir, lenkt engagiert ein, grippt tapfer. Manuelle Gangwechsel seien empfohlen, um stärker auf Drehmoment zu fahren, also schon bei rund 4.500/min schalten. Die Haptik der Paddel, die Reaktions- und Schaltzeit des Getriebes – auch das: perfekt komponiert, ein extrem schneller Arbeitsablauf ohne Schluckauf. Dann wieder brodelnde Bässe beim Herausbeschleunigen, frühes Anbremsen der nächsten Kurve, auf den Punkt, keine Nachlässigkeiten hier, klarer Druckpunkt, konstante Verzögerung um 11,4 m/s² (der CS kommt trotz Radikal-Bereifung auch nicht über 11,8 m/s² hinaus). Eher langsame Einfahrgeschwindigkeit, dann früh ans Gas. Kein Ringen, kein Fingerhakeln, dafür selbstverständliche Überlegenheit.

Drei-Wetter-Haft

BMW M5 CS, BMW Alpina D5 S, Exterieur
Rossen Gargolov
Während der M5 auf der Langstrecke komfortabler fährt als erwartet, tobt der Alpina agiler über den Handlingkurs als erwartet.

Ja, Konfuzius, da haben Sie Ihren Charakter. Und wenn du jetzt bewusst zu viel Feuer gibst, lässt sich die Hinterachse nicht lange bitten, erlaubt dem Drehmoment, die 295er-Reifen von der Haft- in die Gleitreibung zu überführen. Das passiert übrigens genauso unaufgeregt, wie es sich liest, ehrlich. Was wiederum als typisch für das Fahrverhalten der Allradmodelle des Kleinserienherstellers gilt: wie ein Hecktriebler, nur mit bedeutend mehr Traktion. Eine gekonnt angeschnitten gespielte Billardkugel statt Flipper, Sternschnuppe statt Feuerwerk – beeindruckend ohne großes Bohei. Wie ernst es der D5 S mit der Agilität nimmt, zeigt, dass er mit alltagstauglicheren Sportreifen bei deaktivierter Stabilitätskontrolle knapp drei km/h langsamer durch den 18-Meter-Slalom schuhplattelt als der CS.

Während also der M5 auf der Langstrecke komfortabler fährt als erwartet, tobt der Alpina agiler über den Handlingkurs als erwartet. Na, da passt dann doch ein Newton-Zitat: "Du musst die Regeln machen, nicht sie befolgen." Im Zentrum der beiden 5er steht allerdings die Kraft der Antriebe, deren chemisch-physische Eigenständigkeit, der Charakter, der das alles dem Fahrer in die Hände drückt. Der Charakter. Mist. Hatte Konfuzius also doch recht. Ein kleines bisschen zumindest.

Fazit

Im Diesseits abstruser Leistungswerte, die jedes mäßig begabte Elektroauto aus den Kupferwicklungen seiner Motoren drückt, bereiten die beiden BMW besonderes Vergnügen: die Kombination aus Kraft und Emotion. In weiterer Folge kommen noch in unterschiedlicher Ausprägung Agilität und sogar Nutzwert hinzu. Selbst beim M5 CS braucht’s nicht viel Fantasie, um sich einen gemeinsamen Auto-Alltag vorzustellen. Den D5 S zeichnet hingegen seine Effizienz aus, die nur er so geschickt mit dynamischem Handling aus der dunklen Ecke der puren Vernunft holt. Also volle Punktzahl für beide. Ohne Tabelle.

Technische Daten
Alpina D5 S BMW M5 CS M5 CS
Grundpreis96.900 €180.400 €
Außenmaße4978 x 1868 x 1466 mm4983 x 1903 x 1498 mm
Kofferraumvolumen530 l530 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung300 kW / 408 PS bei 4000 U/min467 kW / 635 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit286 km/h305 km/h
0-100 km/h4,4 s3,1 s
Verbrauch7,0 l/100 km11,3 l/100 km
Testverbrauch8,7 l/100 km12,4 l/100 km
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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