BMW M6 Cabrio gegen Mercedes SL 63 AMG
Open-Air-Turbos mit 575 und 585 PS

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Frischluftcruisen auf der Landstraße oder Autobahntiefflug mit 300 km/h lieben beide. Doch was können BMW M6 Cabrio und Mercedes SL 63 AMG auf der Rennstrecke?

BMW M 6 Cabrio, Mercedes SL 63 AMG, Frontansicht
Foto: Achim Hartmann

Theorie und Praxis liegen manchmal so dicht zusammen wie Untertürkheim und Shanghai. „Welcher Test liegt an?“ Mercedes SL 63 AMG mit 585 PS trifft auf BMW M6 Cabrio mit 575 PS starkem Competition-Paket. Ergebnis der Fotografenbesprechung: Ein Aufmacher-Bild mit Burnout muss her. So viel zur Theorie.

BMW M6 Cabrio wehrt sich gegen Burnout

Zwei Stunden später folgt die Praxis auf einer verlassenen Landstraße. Erster Versuch im BMW M6 Cabrio, DSC deaktivieren. Und während der Bayer vermeintlich seine Elektronikhemmung ablegt, positioniert sich der Fotograf. Bremse gegenhalten, Vollgas geben und dabei die Bremse langsam lösen – so die typische Erfolgsformel für Reifenqualm.

Und beim BMW M6 Cabrio? Selbst bei deaktiviertem DSC wehrt sich seine Elektronik. Mit angelegter Bremse anfahren und dabei die Hinterräder zum Durchdrehen bringen: unmöglich. Und ohne Bremse? Auch bei rabiatem Beschleunigen ist der mechanische Grip so hoch, dass die Hinterreifen kaum Schlupf haben. Ergebnis: eine unspektakuläre Rauchfahne.

Während unser Lichtbildner verwundert im Straßengraben hockt, steigt der Fahrer frustriert von BMW M6 in Mercedes SL 63 AMG um. Auch hier kennt die Getriebeelektronik bei „ESP off“ nur „entweder“ und „oder“ – entweder bremsen oder anfahren. Wild qualmende Burnout-Orgien à la Mustang Shelby – keine Chance. Trauriges, modernes Elektronikzeitalter.

Mercedes SL 63 AMG malt schwarzes 50-Meter-Autogramm auf den Asphalt

Also ohne Burnout-Bild in die Redaktion zurückkehren? Nein, zum Glück offenbaren zahlreiche Youtube-Videos eine Tastenkombination, wie der Mercedes SL 63 AMG in ein verstecktes Untermenü für den Prüfstandsmodus wechselt. Klick, klick, klick, „Rollentest“ im Kombi-Instrument bestätigen – ESP und ABS sind jetzt vollständig deaktiviert. Der 63er mutiert zum ungefilterten Muscle-Car.

Bremse gegenhalten, Vollgas, Bremse langsam lösen – aus den hinteren Radkästen quillen endlich Nebelschwaden, schlagartig liegt Conti-Sport-Contact-Aroma in der Luft, und der Mercedes SL 63 AMG malt sein schwarzes 50-Meter-Autogramm auf den Asphalt. Vorsicht, liebe Kinder unter den Erwachsenen, das Menü ist für so etwas eigentlich nicht konzipiert worden! Selbstverständlich haben wir das Burnout-Foto erst ganz am Ende unseres Mess- und Testprozederes geschossen. So langwierig wie der Vergleich zwischen BMW M6 Cabrio und Mercedes SL 63 AMG Roadster verlief kaum ein anderer Test in diesem Jahr. Womit wir wieder beim eingangs erwähnten Thema „Theorie und Praxis“ wären.

Ursprünglich rückten die beiden Open-Air-Sportler bereits im Juli zum Vergleichstest an. Bei einer Außentemperatur von 27 Grad Celsius ging es zunächst auf unseren Testflugplatz in Lahr zur Ermittlung der Standardmesswerte. Zuerst durfte das BMW M6 Cabrio seine Muskeln anspannen. Das optionale Competition-Paket (Aufpreis 8.500 Euro) beinhaltet neben der Leistungssteigerung um 15 PS auch Fahrwerksmodifikationen mit strafferen Federn, Dämpfern und Stabilisatoren. Außerdem erhält das M-Differenzial mit elektronisch gesteuerter Lamellensperre in Verbindung mit dem Competition-Paket eine modifizierte Regelabstimmung. Zudem wurde die Kennlinie der hydraulischen Servolenkung direkter abgestimmt.

Leistungsplus für BMW M6 Cabrio und SL 63

Auch wenn das Competition-Paket hauptsächlich die Fahrdynamik verbessern soll, verspricht die M GmbH zusätzlich verbesserte Sprinterqualitäten. 0,1 Sekunden respektive 0,2 Sekunden soll das BMW M6 Cabrio den Spurt über die 100- und 200-km/h-Marke schneller absolvieren. Mit 4,3 und 13,3 Sekunden stürmte das gestärkte M6 Cabrio zwei Zehntel zügiger von null auf Tempo 100 als das bereits getestete M6 Cabrio ohne optionales Sportpaket (sport auto 8/2012). Bis auf 200 km/h erarbeitet sich die Competition-Version sogar einen Vorsprung von 0,9 Sekunden.

Und was kann der Mercedes SL 63 AMG im Vergleichstest? Seit Juni 2014 leistet der intern M157 genannte 5,5-Liter-V8-Biturbo in allen SL-63-Modellen einheitlich 585 PS. Die Version mit 537 PS entfällt, wie auch die Ausbaustufe mit Performance Package (564 PS). Interessanter als die neue Ausstattungslinie 2Look Edition, mit kontrastreicher Lackierung wie bei unserem Testwagen in Designo Kaschmirweiß Magno, dürfte für Dynamikfans nicht nur die Leistungssteigerung, sondern auch das Sperrdifferenzial sein, das nun zum Serienumfang zählt.

Bei der Beschleunigungsmessung fiel das 21-PS-Plus im Vergleich zum letzten getesteten Mercedes SL 63 AMG der Baureihe R231 (sport auto 9/2012) nur marginal auf: Der aktuelle Power-SL beschleunigte eine Zehntelsekunde schneller auf 100 km/h und 0,3 Sekunden schneller auf 200 km/h.

Verzögerung auf ähnlichem Niveau

Deutliche Verbesserungen zeigte die SL-Bremsanlage. Während der letzte, mit Stahlbremsanlage ausgestattete Testwagen bei der Verzögerung aus 100 km/h noch schwächelte (Bremsweg 39,4 Meter), überzeugte der mit optionaler Keramikbremsanlage (Aufpreis 8.270 Euro) bestückte aktuelle Testbolide mit vernünftigen Werten (36,7 m). Von Fading oder sonstigen Ausfallerscheinungen konnte diesmal keine Rede sein. Der ebenfalls mit aufpreispflichtiger M-Carbon-Keramik- Bremsanlage (8.800 Euro) ausgestattete BMW M6 mit Competition-Paket verzögerte auf ähnlichem Niveau (36,90 m).

Zurück in die Gegenwart auf unsere heutige Landstraße. In 19 Sekunden reißt sich das BMW M6 Cabrio im Vergleichstest seine Stoffmütze elektrisch vom Schopf, während der Mercedes SL 63 AMG Roadster zeitgleich sein elektrohydraulisches Klappdach mit Panorama-Glasfläche (Aufpreis 2.550 Euro) öffnet. Es warten lang gezogene Landstraßenkurven im Wechsel mit Geradeauspassagen – ein Menü nach dem Geschmack der beiden Power-Cabrios.

Dach auf, Sound genießen: Während der V8-Biturbo von BMW eher mit künstlichem Bass wummert, klingt das Motorenpendant von AMG kerniger. Den emotionalen Saugmotor-Karneval der früheren M6- und SL-63-Aggregate feiern die Biturbos jedoch nicht.

ESP-Lampe flackert im BMW M6 Cabrio

Sound hin oder her, unter Volllast verwechseln auch die heutigen Frischluft-Sportler sämtliche Landstraßengeraden mit der Döttinger Höhe. Das BMW M6 Cabrio wechselt im schnellsten der drei Schaltprogramme die Gänge seines Siebengang-DKG noch zackiger und reagiert flinker auf Schaltbefehle der Lenkradwippen als die Siebengangautomatik namens AMG Speedshift MCT im Mercedes SL 63 AMG.

Maximal 900 Nm im Mercedes treffen im Vergleichstest auf bis zu 680 Nm im BMW. Mit aktivierten Fahrhilfen versteht es der SL 63 galanter, seinen Drehmomentbatzen auf den Landstraßen-Asphalt zu klatschen. Oder sagen wir es anders: Auf Bodenwellen regelt der SL nicht ganz so offensichtlich wie das BMW M6 Cabrio.

Wie oft die Elektronik im SL wirklich die volle Leistung freigibt, weiß man zwar nicht, aber immerhin nervt nur selten ein nervös gelb blinkendes ESP-Lämpchen. Egal ob auf Autobahn-Querfugen oder Landstraßenbodenwellen: die ESP-Lampe flackert im BMW M6 Cabrio bei Fahrbahnunebenheiten wie eine Werbetafel am New Yorker Times Square. Dabei nimmt der BMW spürbar die Leistung zurück.

Zurück von der frühwinterlichen Landstraßenbolzerei zu harten Fakten. Am 23. Juli traten das BMW M6 Cabrio mit Competition-Paket und der SL 63 AMG zum ersten Mal in Hockenheim an. Mit 2.027 Kilo (M6) und 1.847 Kilo (SL) wiegen sowohl der BMW (minus 20 kg) als auch der Mercedes (minus 28 kg) zwar weniger als der jeweils vorherige Testwagen, doch bei diesen Gewichtsangaben wissen wir eins sofort: Beide Cabrios werden wohl häufiger auf den VIP-Parkplätzen der Rennstrecken anzutreffen sein als auf der Piste.

BMW M6 Cabrio in 1.14,7 Minuten um den Kleinen Kurs

Auch wenn das Gewicht im Grenzbereich jederzeit präsent ist, schlagen sich die beiden Dickschiffe auf der Rennstrecke erstaunlich gut. Wichtig zu erwähnen: Am 23. Juli ähnelten die Außentemperaturen dem Klima des Steinkohleofens einer Hockenheimer Pizzeria. 35 Grad Celsius vermeldete das Kombi-Instrument des BMW M6 im Vergleichstest, während die Asphalttemperaturen bei über 50 Grad lagen.

Doch auch nach der schnellen Runde auf dem Kleinen Kurs finden sich viele positive Notizen in der M6-Testwagenkarte: sehr gut ausbalanciert, toller Grip an Vorder- und Hinterachse, erstaunlich neutrales Fahrverhalten, Lenkung in Sport Plus mit ehrlicher Rückmeldung und straffen Haltekräften, ABS-Regelung okay, Getriebe schaltet schnell und nimmt Gänge ohne Schaltverzögerung an. Mit einer Rundenzeit von 1.14,7 Minuten ist der Competition-M6 0,7 Sekunden schneller als das „normale“ Cabrio mit 560 PS.

Während der V8-Biturbo des BMW gut mit den extremen Temperaturen umgehen konnte, ging dem SL-Aggregat auf der Rennstrecke etwas die Puste aus. Wie die Datenaufzeichnung später beim Rundenzeitenvergleich zeigt, war der Durchzug ab 150 km/h nicht ganz so stark wie bei kühleren Bedingungen. Hat da einer thermische Probleme und reduziert vorsorglich die Motorleistung? Subjektiv schien es so. Nach einer Runde, die der Mercedes SL 63 AMG nicht unter 1.14 Minuten bewältigte, brachen wir den Hockenheim-Ausflug ab und schickten den V8-Biturbo zum Technikcheck nach Affalterbach zurück. Laut AMG vermeldete das Diagnosegerät aber keine Probleme.

BMW M6 Cabrio im Pech

Ein zweiter Testtermin für die Rundenzeiten wurde für Ende August anberaumt. Zur Vergleichbarkeit sollten beide Fahrzeuge noch einmal die Chance einer schnellen Runde bei etwas kühleren Bedingungen erhalten. Während der SL 63 den Hockenheimring schadlos erreichte, strandete das BMW M6 Cabrio mit einem unverschuldeten Kühlerdefekt. Ein auf der Autobahn liegendes Trümmerteil, das von einem vorausfahrenden Fahrzeug aufgeschleudert wurde, bohrte sich unglücklich in die BMW-Schnauze. An ein zeitgleiches Rundenzeiten-Duell war nicht mehr zu denken. Da war es wieder, das Thema „Theorie und Praxis“...

Der SL 63 AMG drehte seine Runden alleine auf dem Kleinen Kurs. Bei 26 Grad ging der V8-Biturbo nun engagierter ans Werk. Nicht nur die SL-Sitzposition ist dabei tiefer ausgelegt als im M6, auch der Schwerpunkt des schwäbischen Zweisitzers scheint weiter unten positioniert. Seinen Gewichtsvorteil von 180 Kilo nutzt der Mercedes SL 63 AMG sehr gut. Mit optionalem AMG-Performance-Fahrwerk samt um 30 Prozent strafferen Dämpfern bewegt er sich auf der Rennstrecke leichtfüßiger (sofern man bei 1.847 kg überhaupt das Wort leichtfüßig in den Mund nehmen darf ), lenkt noch direkter ein, schiebt beim Anbremsen nicht so stark und punktet mit überraschend guter Traktion unter Last.

Die Rückmeldung der Lenkung verläuft präzise, jedoch etwas zu leichtgängig. Im direkten Vergleich mit der straffen M6-Lenkung wirkt die SL-Lenkung etwas synthetisch. Während die Keramikbremsanlage in Hockenheim mit standfesten Verzögerungswerten von bis zu 11,5 m/s² überzeugt, limitierten die Conti-Reifen die Fahrt im Grenzbereich. Die schnellste Rundenzeit legte der SL 63 mit 1.13,1 Minuten in der ersten gezeiteten Runde hin. Danach baute das Gripniveau innerhalb der nächsten drei Runden auf dem Kleinen Kurs im Vergleichstest spürbar ab. Nicht zu vergessen: Die Außentemperaturen lagen mit 26 Grad Celsius immer noch hoch.

Keine weitere Chance für M6 und SL 63 AMG

Gefühlt wären bei kühlerem Wetter mit beiden Fahrzeugen noch schnellere Rundenzeiten möglich gewesen. Unser Testehrgeiz, beide Fahrzeuge bei vergleichbaren Temperaturen in Hockenheim zu bewegen, führte zu einer erneuten Testwagenbestellung. Am 27. Oktober, 14 Grad, schien der perfekte Moment für das Rundenzeitenduell von Mercedes SL 63 und BMW M6 gekommen.

Aber es gibt es ja noch das Thema „Streckenverfügbarkeit Hockenheimring“. Eine externe Eventagentur richtete für BMW Motorsport parallel zum dritten Testwagenbesuch von M6 und SL 63 ein einwöchiges Fahrtraining auf der badischen Formel-1-Rennstrecke aus. Normalerweise dürfen wir die einstündige Mittagspause zum Ermitteln von Rundenzeiten nutzen, doch diesmal zeigten sich die Trainingsausrichter hartnäckig. Sowohl der SL 63 als auch das M6 Cabrio bekamen eine Absage und konnten ihre Rundenzeiten nicht mehr verbessern.

So viel also zum Thema „Theorie und Praxis“ aus dem sport auto-Testalltag und warum wir bei den Fotoproduktionen so viel Ehrgeiz in einen perfekten Burnout kurz vor Testende gelegt haben.

Technische Daten
BMW M6 Cabrio M6Mercedes SL 63 AMG AMG
Grundpreis138.800 €161.543 €
Außenmaße4898 x 1899 x 1368 mm4617 x 1877 x 1315 mm
Kofferraumvolumen300 l241 bis 364 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder5461 cm³ / 8-Zylinder
Leistung412 kW / 560 PS bei 6000 U/min430 kW / 585 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h4,3 s4,1 s
Verbrauch10,3 l/100 km9,8 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten