Chevrolet Corvette Z06 und Nissan GT-R im Test
Feucht-fröhliche Super-Plus-Party

Die 100.000-Euro-Boliden Chevrolet Corvette Z06 und Nissan GT-R duellieren sich im Test auf Grand-Prix-Kurs, Landstraße, Nässe und Trockenheit um Punkte und Racer-Ehre.

Chevrolet Corvette Z06, Nissan GT-R, Motorhaube
Foto: Hans-Dieter Seufert

Es nieselt in Hockenheim, der Pfälzer Spargel sprießt - schneller als jedes andere Gemüse. Ein paar Kilometer daneben, auf der Grand-Prix-Strecke, machen auch zwei PS-Boliden Tempo. Mal ist es trocken, mal ist es nass, 1.062 PS suchen Bändiger.

Strecke und Wetter filetieren die Stärken und Schwächen der beiden Dampfhämmer, reproduzierbare Rundenzeiten sind nicht möglich, aber die Endorphine eines Autofans sprudeln konstant im Begrenzer. Es brüllt, es brabbelt, es spratzelt und schreit. Was für eine feucht-fröhliche Super-Plus-Party.

Am Ende der Parabolika ist es trocken, Tempo über 250 km/h, Deutschlands berühmteste Spitzkehre lauert im Abendlicht. Die Chevrolet Corvette Z06 zerrt mit warmen Michelin-Cup-Sport-Reifen am Asphalt, als wolle sie ihn in Stücke reißen und bremst dem Nissan GT-R meterweise Demut in den Kühler: 115 Meter aus 190 km/h. Die Kombination aus Alu-Leichtbau (1.481 Kilogramm), Carbon-Keramik-Anlage und gripstarken Semi-Slicks stoppt schneller als die Brembo-Anlage des Nissan GT-R und jede Konkurrenz bislang.

512 PS starker Riesenhase Chevrolet Corvette Z06

Einlenken - die Ami-Flunder Chevrolet Corvette Z06 schlägt einen Haken wie ein 512 PS starker Riesenhase, zentrifugiert leicht am Gas herrlich präzise herum. Der Nissan GT-R wankt und revanchiert sich doch keine zehn Meter später. Ausgangs der Zweiten-Gang-Kehre holt Godzilla - so rufen ihn die Fans - das Allerbeste aus seinen 1,8 Tonnen und stanzt sie als Traktionskraft auf alle vier angetriebenen Räder.

Jetzt zerrt das leicht frontlastige Tourenwagen-Monster wild am Asphalt, der Fahrerkopf klatscht an die Lederkopfstütze und feuert mitsamt Auto wie von der Abrissbirne getroffen nach vorne. Bis Tempo 100 zertrümmert Godzilla die Beschleunigungsbemühungen der Chevrolet Corvette Z06 mit seiner dank weiterer Entdrosselung von 530 auf 550 PS erstarkten Motormacht und den 20-Zoll-Allrad-Pranken. Traktion sticht, denn beim Leistungsgewicht liegt der Nissan GT-R mit 3,2 kg/PS fast ein halbes Kilo zurück.

Was er im Test jedoch verfehlt, ist seine in Sendai/Japan aufgestellte Werksangabe von 2,8 Sekunden auf 100 km/h. Immer noch hervorragende 3,2 Sekunden zeigt das Messsystem an. Unbestätigte Fabelzeiten haben bei Nissan leider Tradition. Die Nadel der Chevrolet Corvette Z06 huscht nochmals 1,1 Sekunden später über die 100. Beim Nissan GT-R koordiniert eine Launch-Control Drehzahl, Schlupf und Schaltvorgänge des an Schaltgabel und Schwungradgehäuse verstärkten Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes perfekt; dem Z06-Pilot hilft nur eine fünfstufige Traktionskontrolle beim Kampf mit dem Hinterrad-Grip, der Leistung und der störrischen manuellen Schaltbox.

Ein Bad im V8-Grollen nehmen

Die schnelle Rechts vor der Mercedes-Tribüne geht im Vierten. Beide Boliden rattern mit etwas Spiel im Antriebsstrang, hängen aber gierigst am Gas, der Siebenliter-Corvette-Small-Block noch ein Ventilzucken direkter. Du badest im V8-Grollen dieses Motor-Archetyps mit seiner freisaugenden Hubraum- und Drehmomentfülle, genießt schmatzendes Gaswechsel-Grunzen beim Runterschalten, schneidest die Curbs der engen Links und bist dir sicher, dass du hier nie wieder raus willst – billiges Kunststoff-Interieur hin oder her. Für Langstrecken-Fans nicht unwichtig: Der LS7-Block der Chevrolet Corvette Z06 schluckt mit 17,2 L/100 km knapp einen Liter weniger als der Nissan GT-R.

Schnitt und gefühlter Zeitsprung: Der Nissan GT-R als Prototyp des vollgeregelten 21-Jahrhundert-Sportwagens mit High-Power-Downsizing. Kurz, heftig und laut legt die Doppelkupplung die Gänge auf Befehl des Schaltpaddels nach, und es mischt sich ein bissiges Biturbosirren wie der Kampfschrei eines Ninja in das Grollen des 3,8-Liter-V6. Godzilla mag die schnelle Rechts, wie er überhaupt weite Kurvenradien liebt, und hakt mit furchterregend hohem Tempo in die Ideallinie ein. Im schnellen ISO-Wedeltest war er folglich vorne, die Chevrolet Corvette Z06 dafür im Slalom. Geschenkt, wieder bist du dir sicher, dass du aus dem 2+2-Sitzer nie wieder raus willst. Auch wegen der festen Sportsitze und der zuckenden Playstation-Anzeigen, die der Fahrdynamik visuelle Dramatik verleihen. Nochmal zur Erinnerung: Das sind die Spielzeuge der Hersteller, die uns Tiida und Orlando beschert haben.

Nissan GT-R zieht wie mit Zirkel gezogen vorbei

Ausgangs der engen Links wird‘s fies: Pfützen -, und schon befindet sich der Z06-Bändiger mitten im So-quer-geht-sie-also-Exkurs. Schluss ist mit der eben noch herrlichen Neutralität, der Po schlittert über das weiche Opa-Gestühl gegen den warmen Mitteltunnel. Der Nissan GT-R, obschon im respektablen Wankwinkel (immerhin zwölf Zentimeter höher als die Chevrolet Corvette Z06), zieht auch Kraft seiner variablen Kraftverteilung an der Hinterachse (Torque-Vectoring) wie mit dem Zirkel gezogen vorbei.

Es sind die extra für die Centennial-Edition aufgezogenen nassphobischen Cup-Reifen der Corvette, die für so viel mehr Aufregung im Cockpit sorgen. Zumal in der Hektik der Aktion der querliegende Schalthebel auch noch die zweite Gasse versperrt - durchatmen. Vier japanische Ofenrohre mit Auto dran erreichen aus tiefer Z06-Sicht das Motodrom als Erste. Grollend und zart untersteuernd feuert der Nissan GT-R erst durch die Mobil 1- und dann die Sachskurve. Doch der V8-Atem der Chevrolet Corvette Z06 ist schon wieder da. Hier ist es wechselkurvig, trocken und eben - bei diesen Bedingungen muss der nach klassischer Sportwagenlehre leichte, flache und paritätisch ausbalancierte Z06 in seiner Klasse kaum Gegner fürchten. Es sei denn, der Pilot tritt am Scheitelpunkt das Gaspedal wie einen Freistoß, dann gibts die Blutgrätsche der Hinterachse.

Auf welligen Landtsraßen wird aus Spaß allerdings Arbeit

In der Chevrolet Corvette Z06 braucht der Fahrer mehr Ruhe beim Gas, in der lastwechselempfindlicheren Nippon-Rakete Nissan GT-R beim Lenken. Auf welligen, engen Landstraßen wird aus dem Spaß im Chevrolet allerdings Arbeit, wenn die Vorderreifen jeder Rille hinterherschnüffeln und derb über Frostaufbrüche springen - blitzschnelle Dämpfer, deren magnetische Flüssigkeit ihre Viskosität via Stromfluss regelt, hin oder her.

Doch lassen wir diese Zickigkeit außen vor - auf der Rennstrecke zeigt die Chevrolet Corvette Z06 die Form ihres Lebens. Mit jedem Meter Fahrt wächst der Respekt vor den Ingenieuren, die auf einer von der Nordschleife inspirierten US-Teststrecke aus der vermeintlich antiquierten Technik ein Sportwagen-Wunder zaubern, Stoßstangen-V8 und Carbon-Blattfedern zeugen nicht von Gestrigkeit, sondern vom Blick fürs Wesentliche.

Nissan GT-R ist im Alltag pflegeleichter

Der ebenso schnelle Nissan GT-R ist im Alltag pflegeleichter, sicherer und beantwortet schlechte Wege mit leichteren, trockeneren Bewegungen. Diese Federungskompetenz basiert auf Tausenden von Entwicklungsstunden auf der Nordschleife. GT-R-Chef Mizuno schuf auch das Paradoxon eines schweren und zugleich schnellen Sportlers, dessen Leistung bisher nur von der Ausfallhäufigkeit von Motor, Getriebe und Bremsen getrübt wurde. Hier rächen sich die Pfunde. Nissan lässt bei unautorisiertem Rennstreckeneinsatz wohlweislich die Garantie erlöschen.

Jetzt soll der Trumm Nissan GT-R halten, denn immerhin beendeten beim 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife zwei Werks-GT-R im seriennahen Trimm die Vollgas-Tortur. Bei diesem Vergleichstest brabbelt er sogar als Sieger durchs Ziel, weil er ausgewogener und günstiger als die spitzere Chevrolet Corvette Z06 ist. In ihrem Preis-Umfeld dürften jedoch beide provozierend rufen: "Gegen uns ist alles andere lahmes Gemüse."

Fahrsicherheit im Alltag

Auf einer nassen und engen Landstraße ist mit den Cup-Sport-Reifen der Chevrolet Corvette Z06 höchste Vorsicht geboten. Sie neigen schon früh zu Aquaplaning, schmieren auf Nässe blitzschnell weg und sind extrem spurrillenempfindlich. Der GT-R ist mit seinen Dunlop-Pneus erheblich kalkulierbarer, aber plötzliche Lastwechsel gibt es bei ihm auch.

Kazutoshi Mizuno: So und nicht anders

Eine Tafel und ein dicker Filzstift reichen Kazutoshi Mizuno - und mindestens 90 Minuten Zeit. Der inzwischen 70-jährige Japaner erklärt dann mit großer Hingabe, warum sein Baby Nissan GT-R so frappierend agil fährt, wie er eben fährt. Dabei flitzt der Stift quietschend umher, skizziert, warum Masse keine so furchterregende Größe für einen Supersportwagen darstellt, wie allgemein behauptet wird. "Beim GT-R handelt es sich immerhin um ein Straßenauto, es muss also leicht beherrschbar bleiben. Dazu ist guter Grip unabdingbar. Dieser wird im Motorsport über massiven aerodynamischen Abtrieb generiert, was hier natürlich nicht möglich ist", erklärt Mizuno, vermutlich zum Tausendsten Mal, aber stets freundlich lächelnd.

Ebenfalls typisch japanisch: Direkt nach seinem Universitätsabschluss 1972 stieg er bei Nissan ein und blieb dort bis heute. In dieser Zeit kümmerte er sich zwar auch um irdische Projekte wie beispielsweise Frontantriebsplattformen. Doch zwischen 1987 und 1995 mischte Mizuno beim Gruppe C-Projekt mit, leitete später das Motorsport-Engagement und stieg nach dem Rückzug Nissans aus der Prototypen-Serie bis zum Entwicklungschef für Serienfahrzeuge auf. Seit 2003 kümmert sich der Japaner vorwiegend um Infiniti - und natürlich den GT-R. Und was ist mit Rente? Offenbar keine Option, denn in Interviews betont Kazutoshi Mizuno gerne, dass das GT-R-Konzept noch längst nicht ausgereizt sei. Und auch die Leistung des Antriebs hat angeblich noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Es wird also sicher noch eine beträchtliche Menge Filzstifte dran glauben müssen.

Fazit

1. Nissan GT-R
303 von 1000 Punkte

Für unter 100.000 Euro ist er nicht nur der Dampfhammer schlechthin, sondern ein feinfühlig dirigierbares Traktionswunder mit Restkomfort und reichlich High-Tech an Bord.

2. Chevrolet Corvette Z06
297 von 1000 Punkte

Auf Rennstrecken muss sie mit den Cupreifen in ihrer Klasse kaum einen Gegner fürchten,. Der grandiose V8 begeistert auch im Alltag, Geradeauslauf, Federung und Schaltung nicht.

Technische Daten
Nissan GT-R Premium EditionChevrolet Corvette Z06 Coupé 6.2 V8 Performance Package
Grundpreis96.900 €104.002 €
Außenmaße4670 x 1895 x 1370 mm4459 x 1927 x 1246 mm
Kofferraumvolumen315 l634 l
Hubraum / Motor3799 cm³ / 6-Zylinder7011 cm³ / 8-Zylinder
Leistung404 kW / 550 PS bei 6400 U/min377 kW / 512 PS bei 6300 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h320 km/h
0-100 km/h3,2 s4,3 s
Verbrauch11,8 l/100 km14,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten