Ferrari California T (2015) im Test
Erster Ferrari mit Turbo

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Das Facelift fällt eher gering, die technische Neuerung dagegen bahnbrechend aus: Als erster Ferrari der Neuzeit erhält der California – jetzt mit Namenszusatz T wie Turbo – eine Aufladung samt Downsizing. Der 3,9-Liter-Achtzylinder ist dabei nicht weniger als der erste lochfreie Turbo.

Ferrari California T, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Warum sich Ferrari erst jetzt zum Turbo bekennt? Die Entscheider wollten so lange warten, bis ihre Ingenieure das Turboloch zugeschüttet hatten – wenn schon nicht komplett, dann zumindest weiter als alle anderen Hersteller. Beim Ferrari California T – das T steht für Turbo – soll es so weit sein. Wir sind gespannt.

Taktisch klug kommt das erste Downsizing-Triebwerk mit dem Facelift des alltagsnahen Ferrari California T. Hier sind die Erwartungen an die Radikalität des Achtzylinders nicht so hoch wie beim Mittelmotor-Zweisitzer 458 Italia, dessen Nachfolger 488 GTB auch den doppelt aufgeladenen V8 erhalten wird. Bis dieser im kommenden Jahr vorgestellt wird, könnte Ferrari also auf eventuelle Beanstandungen reagieren.

Nur ein Facelift

Trotz des Verkaufserfolges wurde am Frontmotor-Cabrio weiter gefeilt, um Kritikpunkte auszumerzen. Beim Testwagen von 2009 stellte auto motor und sport nachlässige Verarbeitung fest – jetzt dagegen präsentiert sich der Innenraum des Ferrari California T in perfektem Zustand. Das häufig gescholtene pummelige Heck hat sichtlich abgespeckt, und die Front zeigt die aktuelle Linie des Hauses.

Der Sprung vom 360 Modena zum F430 etwa war dramatischer – beim Ferrari California T handelt es sich trotz vieler neuer Blechteile nur um ein Facelift. Alles, was wirklich interessant ist, steckt im Inneren. Und damit meinen wir nicht den Entfall einer bislang kaum bestellten Option, wonach sich die Rücksitze gegen eine Ablage tauschen ließen. Nein, wir sprechen vom zusätzlichen Display auf dem Armaturenbrett; es zeigt den Ladedruck an.

Ferrari California T von 3,9-Liter-V8 befeuert

Und damit wären wir wieder beim entscheidenden Thema, dem Turbotriebwerk. Mit dem bisherigen 4,3-Liter-Sauger hat der neue 3,9-Liter-V8 nur die Zylinderzahl und die um 180 Grad gekröpfte Kurbelwelle gemein. Letztere ist übrigens ein wichtiger Baustein für den typischen Ferrari-Sound. Der neue Motor im Ferrari California T ist langhubiger als der alte – ein Nachteil beim Drehvermögen?

Druck auf den Startknopf. Kurzes Wimmern, ein Blaffen, dann summt der Ferrari California T im tiefen Leerlauf – kaum ein Unterschied zum bisherigen California. Wir starten im Automatikmodus des Doppelkupplungsgetriebes, das fast so geschmeidig wie ein Wandler arbeitet.

Ferrari California T kann auch komfortabel

Schon bisher war der California nicht gerade als Rabauke bekannt, doch der T zeigt nochmals bessere Manieren. Vor allem beim Fahrkomfort: Obwohl die Federn um 15 Prozent härter wurden, sprechen die Dämpfer besser als bisher an – ihr Losbrechmoment wurde entscheidend verringert. Und selbst bei forciertem Autobahntempo halten sich Windgeräusche so weit zurück, dass man fast daran zweifelt, ob der Ferrari California T tatsächlich ein faltbares Blechdach mit allen dafür nötigen Fugen und Kanten besitzt.

Ohne Frage bezwingt der Ferrari California T den Alltag noch gelassener als bisher, weshalb er mittlerweile ähnlichen Erstauto-Charakter besitzt wie ein Mercedes SL. Zumal die Wartungskosten – das K.O.-Kriterium schlechthin – längst ihren Schrecken verloren haben: Ferrari übernimmt die Routine-Reparaturen sieben Jahre lang.

Offensichtlich hat die Geschmeidigkeit des neuen Ferrari California T unsere Gedanken zwischenzeitlich ins Versonnene abdriften lassen – die Kilometer flogen vorbei, ohne dass wir nennenswert Tempo gemacht hätten. Ein Ferrari für ruhige Gemüter.

Auf der Suche nach dem Turboloch

Los jetzt, befiehlt der Verstand, der wieder die Oberhand gewinnt, gib’s ihm! Er will es. Braucht es. Ist ein Ferrari. Also in den manuellen Getriebemodus wechseln, Vollgas bei 2.000/min. Und ab dafür. Klick, nächster Gang im Ferrari California T. Drehgier wie beim Saugmotor, aber noch fetterer Schub.

Wo war jetzt eigentlich das Turboloch? Kaum zu lokalisieren. Den minimalen Verzug bis zum Einsatz der vollen Beschleunigung könnte man als angesoftete Gasannahme interpretieren – aber sicher nicht als Turboloch. Schon viele wollten es beseitigt haben, doch so nahe dran wie die Italiener mit dem Ferrari California T war bisher noch keiner. Porsche nicht. McLaren auch nicht. Damit wird klar, warum Ferrari erst jetzt eine Aufladung bringt: Sie wollen zeigen, wie es richtig geht.

Durchschlagenden Erfolg haben sie mit den Krümmern zu den beiden Twinscroll-Ladern erzielt; alle Rohre im Ferrari California T sind gleich lang, was die Strömung des Abgases zur Turbine beschleunigt. Nebeneffekt: Der neue Motor klingt typisch nach Ferrari-V8 – voluminös, aber mit aggressivem Unterton. Man habe gegenüber dem bisherigen Sauger lediglich die Obertöne der achten Motorordnung eingebüßt, erklärt Firmenchef Amedeo Felisa, wegen seines enormen technischen Sachverstandes von seinen Untergebenen respektvoll „Ingegnere“ genannt.

Ferrari California T in 3,6 Sekunden auf Tempo 100

Auf der anderen Seite stehen gewaltige Vorteile des Turbo-Triebwerks. 755 Nm etwa – allerdings nur im siebten Gang. Im ersten Gang lässt die Elektronik zunächst nur 600 Nm zu, steigert dann die Zuteilung. Mehr könnte die angetriebene Hinterachse ohnehin nicht verlustfrei auf die Straße bringen. Dank zunehmendem Drehmoment hat der Fahrer im Ferrari California T den Eindruck der kaum enden wollenden Kraftreserven.

So reißt es den Ferrari California T in 3,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 (California: 4,1) und – noch viel beeindruckender – in 11,5 Sekunden auf 200 km/h (California: 14,7). Gleichzeitig verbraucht das überarbeitete Blechdach-Cabrio weniger, jetzt im Schnitt 14,9 Liter pro 100 Kilometer statt ehemals 17,1 l/100 km. Nicht eben sparsam, aber zumindest deutlich sparsamer.

Am Ende kann man einfach nur staunen: Legt Ferrari, bislang Turboverweigerer Nummer eins, doch tatsächlich aus dem Stegreif den besten Turbomotor unter den Sportwagen vor. Respekt und fünf Sterne.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Ferrari California T
einfache Verdeckbedienung
hohe Steifigkeit
luftiges Raumgefühl vorn
ausreichender Kofferraum
gute Variabilität durch umklappbare Rücksitzlehnen
saubere Verarbeitung
enorme Individualisierungsmöglichkeiten
schlechte Übersichtlichkeit
wenig Platz im Fond
Fahrkomfort
sehr guter Federungskomfort
bequeme und gut stützende Sitze
niedrige Windgeräusche
angenehmer Motorsound
Antrieb
exzellente Fahrleistungen
enormes Durchzugsvermögen
hohe Drehfreude
sanft und schnell schaltendes Doppelkupplungsgetriebe
Fahreigenschaften
sehr hohe Kurvenstabilität
hoch liegender und weich
einsetzender Grenzbereich
präzise Lenkung
stoischer Geradeauslauf
mäßige Traktion
Sicherheit
hohe Bremswirkung
gute Sicherheitsausstattung
kaum Assistenzsysteme
schwierige Bedienbarkeit
Umwelt
Start-Stopp-System
hoher Verbrauch
ungünstige CO2-Einstufung
hohes Leergewicht
Kosten
voraussichtlich guter Werterhalt
sieben Jahre lang keine Wartungskosten
hohe Versicherungsprämien
jährliche Inspektion nötig

Fazit

Ferrari hat einen Turbo-V8 entwickelt, der in der Sportwagenliga Benchmark ist. Turboloch? Nein. Kraft? Enorm. Dennoch haben die Ingenieure den komfortbetonten Charakter des Ferrari California T weiter ausgebaut.

Technische Daten
Ferrari California T 4-Sitzer T
Grundpreis184.689 €
Außenmaße4570 x 1910 x 1322 mm
Kofferraumvolumen240 l
Hubraum / Motor3855 cm³ / 8-Zylinder
Leistung412 kW / 560 PS bei 7500 U/min
Höchstgeschwindigkeit316 km/h
0-100 km/h3,6 s
Verbrauch10,5 l/100 km
Testverbrauch14,9 l/100 km
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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