Ford GT, Lamborghini Murciélago und Mosler MT900
Mittelmotor-Racer im Gebrauchtwagen-Check

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Zwischen 1,1 und 1,3 Millionen Gebrauchtwagen tummeln sich in den großen deutschen Internetbörsen. Mit drei Autos startet sport auto eine neue Serie: "Die verrücktesten Gebrauchtwagen Deutschlands". Feuer frei für die Mittelmotor-Sportwagen!

Lamborghini Murciélago, Mosler MT900, Frontansicht
Foto: Achim Hartmann

Kleinwagen", "Diesel-Kombis", "Wohnmobile", "Mopeds", "Anhänger" – gääähn, halt, jetzt reicht's. Wir setzen unsere Häkchen in der Eingabemaske lieber woanders. Das sind wir dem Motto unserer neuen Serie "Die verrücktesten Gebrauchtwagen Deutschlands" schuldig. Ein Klick bei "Sportwagen/ Roadster", dann noch bei "Leistung über 454 PS", "Kraftstoff Benzin", das sollte reichen. Stopp, "Preise über 90.000 Euro", heute darf es exklusiver sein. Zack, schon werden aus über einer Million Angebote nur noch knapp 2.000. Ein paar Minuten später stehen drei Autos auf unserem virtuellen Parkplatz. Drei Supersportwagen, alle mit Mittelmotor, zwischen 600 und 750 PS stark.

Unsere Highlights

Lamborghini Murciélago mit V12-Power

Nummer eins: Der Lamborghini Murciélago LP640 E-Gear. Inseriert von Auto Zitzmann, dem Nürnberger Sportwagen- und Exotenhändler. Nicht sooo verrückt, aber doch so exaltiert, um nicht als Allerweltssportler durchzugehen. Dafür sorgt schon die Farbe: Das Kermit-Grün nennt sich Verde Ithaca (klingt wie die despektierliche Bezeichnung für Italiener, ist aber nur ein dummer Zufall) und zieht alle Blicke auf sich. Dann noch die typischen Scherentüren, die schwarz glänzenden Felgen, der fette Auspuff-Kamin und, und, und. Danke, Luc Donckerwolke, für dieses Design! 178.777 Euro soll der Lamborghini Murciélago kosten. Ende 2010 erstmals zugelassen und erst 7.400 Kilometer auf der Uhr. Schon beim Einsteigen sind die ersten Opfer nötig. Muskelzerrung oder Beule am Kopf? Ohne Übung beides möglich.

Die Schmerzen verfliegen aber fix, sobald man sich in der intimen Höhle eingenistet hat. Okay, die froschähnliche Sitzposition passt zur Außenfarbe. Und: Ja, Audi hat seine Fingerabdrücke hinterlassen, das sieht sehr edel aus. Um die verstreuten Schalter und die hinter einer Klappe versteckte Klimaanlage hat sich aber kein Audianer gekümmert.

Egal, wo ist der Zündschlüssel? Eine Sekunde später heult der Anlasser, und der V12 des Lamborghini Murciélago brüllt auf. Rechtes Schaltpaddel gezogen, das Display wechselt von "N" auf "1". Vorbei an acht Maybach und sechs Rolls-Royce geht's aus der Zitzmann'schen Wunder-Halle. Im dichten Nürnberger Stadtverkehr fühlt sich der Lamborghini Murciélago so wohl wie ein Alligator im Freibad. Begafft von fränkischen Passanten, wärmt der 6,5-Liter-V12 grummelnd sein Motoröl auf. Mit einem Lamborghini Murciélago durch die City cruisen, das ist schon ein echtes Statement. Am Szene-Café langsam vorbei, am besten noch mit offenen Türen, hochgereckt wie zwei Sicheln, dann einen Gang runter, bellendes Zwischengas – Freunde, jetzt komm ich!

Gibt es so einen V12 in 10 Jahren noch?

Kopfkino. Stopptaste gedrückt, zurück zu den Fakten: Der Dachhimmel knarzt, erstaunlich bei der geringen Laufleistung. Dass der Stier vollgetankt 1,8 Tonnen wiegt, spürt man kaum. Nein, der Lamborghini Murciélago ist kein Alu-Auto wie der Gallardo – eine Kohlefaser-Karosserie spannt sich über einen Gitterrohrrahmen. Der mächtige V12 drückt ebenso aufs Gewicht wie der Allradantrieb. Genug sinniert, das Öl ist warm, also rechten Fuß absenken. Das Getriebe holt Luft, schaltet einen runter, und der Gangwechsel dauert in etwa so lange wie das Tippen dieser Zeilen. Ja, was ist man von den modernen Doppelkupplern verwöhnt! Als die Italiener 2007 ihr E-Gear vorgestellt haben, waren wir noch Feuer und Flamme.

Doch wir wollen nicht über das lahme Getriebe jammern, freuen wir uns lieber am brünstigen Aufschrei des V12-Kraftwerks. So ein Zwölfzylinder-Saugmotor ist einfach der Brüller. Ob es so etwas in zehn Jahren noch neu zu kaufen gibt? Zweifel sind berechtigt. Der V12 kommt aus dem Rennsport, und schon da spielt er heute keine Rolle mehr.

Fein hängt er am Gas, grölt in unnachahmlicher Weise von hinten in die Ohren. 8.000 Touren gehen ihm locker von der Kurbelwelle. Trotz massig Gewicht schießt der grüne Keil in 3,4 Sekunden auf 100 km/h, maximal 340 Sachen sind drin. Im Supertest 2007 schaffte der Lamborghini Murciélago LP640 eine 1.11,8 min in Hockenheim und eine 7.47 min auf der Nordschleife. Das kann sich auch heute noch sehen lassen.

Wenn der Lamborghini Murciélago zickt, wird's teuer

2007 vs. 2015: Welchen Ärger macht ein alternder Lamborghini Murciélago? Christoph Zitzmann: "Im LP640 steckt schon Know-how von Audi. Technik und Elektrik sind haltbarer als beim Vorgänger mit 580 PS. Das Lifting-System an der Vorderachse funktioniert nur beim 640er problemlos."

Und der Antrieb? Dilettanten kommen mit einer Kupplung nur 10.000 Kilometer weit. Lambo-Experte Jens Hoffmann von sportwagenprofi.de: "Wir können mit einem Tester den Verschleiß der Kupplung messen. Wenn sie hinüber ist, wird es teuer, weil dann Motor und Getriebe aus dem Auto rausmüssen." Kostenpunkt: gut 8.000 Euro. Falls sich das E-Gear-Getriebe tot stellt, ist meist ein Druckabfall im Hydrauliksystem schuld, auch dann muss man Motor und Getriebe ausbauen. Christoph Zitzmann: "So ein Lamborghini Murciélago kann eben eine Zicke sein, wie eine schöne Frau! Anders als ein 911 Turbo. Aber dafür wird es mit ihm nie langweilig!"

Raus aus dem Lambo, rein in den Mosler MT900

Schlüsselübergabe. Raus aus dem grünen Lambo, rein in den orange-schwarzen Mosler MT900 GTR. Ähm, leicht gesagt: Der breite Schweller hat was dagegen.

Jetzt bloß nicht den rechten Fuß am Sechspunktgurt einfädeln, sonst wird's peinlich. Schalensitze, Airbag-freies Lenkrad, minimalistische Instrumente, Porsche-Schaltknüppel. Richtig, das Getriebe stammt vom 996er GT2. In der Kanzel des Rennwagens mit Straßenzulassung ist nicht viel Platz. Wie auch, hinten macht sich die Siebenliter-Maschine aus der Corvette Z06 breit. Unser Mosler MT900 GTR hat exakt 600 PS, es gab auch Mosler mit weniger oder mehr Leistung. Zwei baugleiche Mosler MT900 GTR dürfte man wohl kaum finden.

Zündung an, die Benzinpumpe surrt, der Anlasser jault: Hinter mir brodelt der Vulkan. Das Hallentor fährt nach oben. Draußen stehen 20 Passanten und fixieren mich mit ihren Smartphones. Na Servus, ich komme mir vor wie in der Boxengasse von Le Mans. Jetzt nur keinen Fehler machen. Ich sitze ein paar Zentimeter über dem Asphalt und muss mich in den fließenden Nürnberger Stadtverkehr einfädeln. Eine Servolenkung hielt man bei Mosler für verzichtbar. Die Kupplung des Mosler MT900 GTR geht schwer – falsch, extrem schwer!

Der Wendekreis: Nicht viel besser als bei einem Gelenkomnibus. Die Übersicht: Vergiss es. Wenn die Flunder rollt, ist alles halb so wild. Klar, der Mosler MT900 GTR pfeift auf ein geschliffenes Auftreten. Die Motor-Getriebe-Einheit rasselt und schabt wie wild, das ist ein Race-Car pur! Dafür spürt man sofort, dass der US-Sportler keinen Speck auf den Rippen trägt. 1.278 Kilo brachte der MT900 im sport auto-Test auf die Waage. Mit "nur" 520 PS beschleunigte er 2007 in 3,8 Sekunden auf 100 km/h und schaffte eine 1.09,2 min auf dem Kleinen Kurs Hockenheim.

Mosler MT900 ein reines Spaßgerät

Der fette Vette-V8 im Heck schüttelt seine 600 PS und 675 Newtonmeter locker aus dem Ärmel, klingt roh und ungehobelt. Sein Punch ist unfassbar, egal ob bei niedrigen oder hohen Drehzahlen. Die Bremse will hart getreten werden, packt aber bissig zu und lässt sogar eine Verstellung der Balance zu. Wo bitte geht's zum Norisring? Zum 200-Meilen-Rennen wie früher? Doch wer weiß, wann der Kupplungsfuß des Mosler MT900 schlapp machen würde – allein die Vorstellung, x-mal vor der Grundigkehre runter bis in den ersten Gang schalten zu müssen, sorgt für einen Wadenkrampf.

Einen Mosler MT900 kaufen? Wieso nicht, als reines Spaßgerät, als Fünft- oder Sechstauto für diebischen Spaß bei Trackdays? Christoph Zitzmann: "Wie beim Lamborghini gilt: Ebenso wichtig wie der Fahrzeugzustand ist der Eindruck, den der Verkäufer hinterlässt. Hat er alle Unterlagen und Rechnungen? Kann er die Historie glaubhaft nachweisen?" Unser Fotoauto hat eine frische Wartung für über 3.000 Euro bei Manthey Racing hinter sich. Der Vorbesitzer hat viel Geld in Reparaturen investiert.

Ortswechsel: Burgau bei Günzburg. Auto Thoma im Industriegebiet und der Ford GT erwarten uns. Bevor Chef Harry Thoma schon mal den Wagen holt, zeigt er uns seine Sammlung. Ob Diablo oder sechsrädriger Porsche 928, ob KTM X-Bow oder Aufsitzmäher mit V8-Motor: Dieser Mann ist ein positiv Verrückter. "Ich habe drei Ford GT", so Thoma. "Den gelben mit 750 PS, einen 1.100 PS starken Biturbo und die GT40-Replica mit Original 427er-Motor und 600 PS."

Ford GT für 375.000 Euro

Wir nehmen den ersten, der für 375.000 Euro im Netz parkt. Allein die Form des nur 4.000-mal gebauten Flachmanns sorgt für Gänsehaut. Wieso hat der Ford GT nur 8.000 Meilen auf der Uhr? "Gut, dass ihr kommt, jetzt wird er mal wieder gefahren, der Ford GT stand zwei Jahre. Eigentlich will ich ihn gar nicht verkaufen. Einmal im Monat ruft jemand an, für 350.000 Euro wäre er schon weg."

Dann nix wie rein ins Cockpit. Schlüssel rumgedreht, und schon wummert der V8-Kompressor los. 200 Extra-PS liefert das Heffner-Tuning, 900 Newtonmeter wüten an der Hinterachse. ESP oder ASR? Wie bei Lambo und Mosler Fehlanzeige. Auch im dritten Gang drehen die kalten Hinterräder des Ford GT durch – trotz 315er-Format. Der V8 hat unendlich Kraft, das Sechsganggetriebe ist eine Wucht. Im Ford GT fühlt man sich auf Anhieb pudelwohl: Auf flüssigen Landstraßen stellt sich dieser kaum zu beschreibende Flow ein, wenn Fahrer und Fahrzeug zu einer Einheit verschmelzen.

Probleme beim Ford GT? Harry Thomas Flunder hat 8.000 Meilen klaglos weggesteckt. Trotz Tuning sind Getriebe, Fahrwerk und Bremsen Serie. Gut so, denn die Ersatzteilpreise orientieren sich an der Konkurrenz – und nicht an Fiesta, Focus und Co.

Vertrauensfrage

Sportwagen als Wertanlage? sport auto-Leser kennen unsere Meinung dazu: Diese Geräte gehören auf die Straße und nicht in alarmgesicherte Hallen. Wer einmal das Vergnügen hatte, einen der drei Mittelmotor-Racer zu bewegen, will eigentlich gar nicht mehr aussteigen. Hinzu kommt: Ein Auto ist per se zum Fahren gemacht. Wenn es sich die Reifen eckig steht, geht oft einiges kaputt. Zur Beseitigung von Standschäden muss das gute Stück dann in die Werkstatt. Die Folge: Satte Rechnungen, die einem die Freude am Sportwagen verderben können. Also ran ans Steuer und sich darüber freuen, falls der Sportler über die Jahre tatsächlich an Wert gewinnt. Dann hat man eine Wertanlage, die bei jedem Dreh am Zündschlüssel auch noch diebischen Spaß bereitet. Das wird beim Aktienfonds oder bei der Immobilie deutlich schwieriger.

Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten