Hyundai Ioniq 5 gegen VW ID.4 GTX im Test
Stromert Korea schon davon?

Mit dem ID.4 GTX läutet VW die Ära der Elektro-GTI mit einem 299 PS starken Doppelmotor-SUV ein. Ohne Sportplakette klebt der Hyundai Ioniq 5 ihm mit ebenfalls einem Motor je Achse und ähnlicher Leistung wagemutig an der Stoßstange.

Hyundai Ioniq 5, VW ID.4 GTX, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Über 45 Jahre ist es her, dass die erste GTI-Plakette an einen Golf geklebt wurde. Jetzt folgt der ID.4 als erster GTX – laut Pressemappe, die mindestens einen Jetta und Scirocco ignoriert. Egal, "GTX" heißt jetzt "Elektro-GTI", und im Urmodell-Vergleich sind tatsächlich Gemeinsamkeiten feststellbar. Das Leistungsgewicht etwa: Der Golf GTI von 1976 muss pro PS 7,72 kg wuchten, der ID.4 GTX 7,55 – 110 PS auf 850 kg versus 299 PS auf 2.257 kg. Gemein haben sie auch Bremstrommeln an der Hinterachse und die Vmax-Werte. Der Golf fährt mit 182 km/h zwei Zähler schneller, was für den GTX ein Upgrade darstellt, denn die anderen ID.4 machen bei 160 Feierabend.

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Für den Ioniq 5 greifen die Koreaner zwar keine legendäre Historie auf, haben sich beim Design aber wohl am Hyundai Pony von 1975 orientiert. Das zeigt sich am ähnlich steilen Heckklappenwinkel und der kantigen Karosserie, die ihn ebenso von der Menge abhebt wie seine Außenbe­leuch­tung im Pixelstil.

Das Dualmotorkonzept der rund 300 PS starken E-Autos ähnelt sich mit 70- und 80-kW-Motoren vorn und 155 kW (VW 150 kW) hinten. Der Ioniq setzt an beiden Achsen auf Permanentmagnetmotoren, im ID.4 steckt vorn eine Asynchronmaschine.

Wollmilchsau-Versprechen

Klassenunterschiede existieren bei der Ladetechnik, doch zunächst drängt uns die Herstellerbeschreibung des GTX zur Fahrdynamik, denn auf der VW-Webseite heißt es: "Sportlich wie ein GTI, komfortabel wie ein SUV und nachhaltig wie ein ID." Ein Vergleich unserer Testdaten zum Golf VIII GTI holt den GTX in die Realität: minus 5 km/h beim Slalom, minus 13 km/h beim doppelten Spurwechsel, minus 70 km/h in der Spitze. Nun gut, nicht mal ein Porsche Macan GTS würde dieses Versprechen halten.

VW ID.4 GTX, Exterieur
Achim Hartmann
VW ID.4 GTX: Zwei E-Motoren: 80 kW vorne, 150 kW hinten, 220 System-kW, 77-kWh-Akku, Ladeleistung: 125 kW, ab 50.415 Euro.

Auf dem Testgelände erreicht der GTX die anständigen, aber nicht richtig sportlichen Querdynamikwerte des Ioniq 5. Nur übertrifft er seine ID.4-­Geschwister keinen Deut – und das passt dann eher nicht so gut. Kurios ist das auch, weil der GTX als erster ID überhaupt eine ESP-Lockerung anbietet. Mit dem GTI hat der X außerdem gemein, dass die Fahrdy­na­mikmanager genannte Regellogik die optionalen Adaptivdämpfer, Motoren und das ESP inklusive der radselektiven Bremseingriffe zentral über kurze Signalwege verwaltet.

Im Sport-ESP-Modus zeigt sich die Funktionsweise auf Landstraßen vor allem, wenn du am Kurveneingang mit rabiatem Hauruck einlenkst: Dann untersteuert der SUV kaum und wuppt das Heck nach außen. In der Folge stabilisiert der Manager den Wagen aber so stark, dass dieses Verhalten kaum in einen flüssigen Ablauf einzubauen ist. Ein Sicherheitsplus stellt es genauso dar wie die mit 34,8 Metern aus 100 km/h starke Bremsleistung beider Fahrzeuge.

Über das Fahrpedal lässt sich ein Eindrehimpuls nur in Spitzkehren auslösen, und selbst dann nicht immer reproduzierbar. Einen Teil der Lenkarbeit über das Pedal zu erledigen, fällt damit ins Wasser. Der ID.4 fährt präzise und schnell, nur eben nicht groß anders als seine Geschwister – die Elektro-GTI-DNA definiert er (hoffentlich) nicht.

Die Erwartungen an den 185 km/h schnellen Ioniq 5 bestimmt keine Sportplakette, denn ein wesentlich leistungsstärkeres N-Modell soll erst folgen. Doch auch weil der 5 152 kg weniger wiegt, schießt er in zwei Sekunden auf 50 km/h und nimmt dem VW somit 0,6 Klicks ab. Das klingt nach wenig, lässt den Vortrieb aus dem Stand aber spürbar heftiger wirken, und bis 180 steigt der Abstand auf 3,2 Sekunden.

Hyundai Ioniq 5, Exterieur
Achim Hartmann
Hyundai Ioniq 5: Zwei E-Motoren: 70 kW vorne, 155 kW hinten, 225 System-kW, 72,6-kWh-Akku, Ladeleistung: 220 kW, ab 48.900 Euro.

Der ID wankt durch die Hütchen, doch gefühlt neigt er sich über Land nie so weit. Der Ioniq schon, denn in Wechselkurven schau­kelt er teils kräftig. Zudem verheimlicht seine Lenkung den Aufbau der Seitenführungskräfte und verfehlt die insgesamt gute Rückmeldung des VW. Der Hyundai fährt zwar weniger präzise, kommt aber reichlich zügig durch Kurven und am Ende kraftvoller wieder raus. Trotz des zweistufig deaktivierbaren ESP belässt es der Allrad dort bei sturer Traktion statt spaßiger Agilität per Fahrpedal.

Ioniq lädt viel schneller

Beim Landstraßenturnen ist ihm der Voltswagen überlegen, dafür spielt beim Laden nur der 5 in der Cham­pions League. Der DC-Lader zeigt fast 800 Volt und pumpt mit bis zu 220 kW Strom in den 72,6-kWh-Akku, während der ID (77 kWh) nur 125 schafft. Anhand der Testverbräuche von 25,8 (Ioniq 5) und 27,4 kWh/100 km ergeben sich hier wie dort Reichweiten von rund 300 Kilometern. Auf Grundlage dieser Werte braucht der GTX 20 Minuten, um 150 Kilometer Reichweite zu laden, dem Hyundai genügen 11.

Den Ladestand zeigt der VW nur per Balkengrafik an; sobald er am Kabel hängt, steht im Tacho lediglich die Ladedauer bis 100 Prozent, aber nicht die bis zur empfohlenen 80-Prozent-Grenze. Die Ladestärke zeigt der Touchscreen in nachgeladenen Kilometern pro Stunde. Und der Ioniq? Liefert im Tacho alle Infos kompakt und eindeutig.

Hyundai Ioniq 5, Interieur
Achim Hartmann
Die Tasten auf dem Ioniq-Lenkrad sind nicht von­einander getrennt, aber echt – also keine Touchflächen.

Die Säulensuche ist beim 5 ebenfalls deutlich informativer, denn er spuckt Standortlisten in der Nähe oder auf der Route aus, die nach Ladestärke filterbar sind. Zudem kann geprüft werden, wie viele Säulen frei sind. Ioniq und GTX zeigen zusätzlich La­de­punkte auf der Karte an und setzen Stromtankpausen automatisch in längere Routen ein. Im ID.4 kann ansonsten nur nach Ladepunkten gesucht werden, ein Filter fehlt aber. Derzeit verteilt VW per Update die We-Charge-App, die zum Testzeitpunkt noch nicht verfügbar war.

Beim Rekuperieren beschränkt sich der ID.4 auf zwei Auswahlmöglichkeiten, mit denen die Basics super abgedeckt sind. Wenn per Getriebeknubbel am Tacho "D" eingestellt wird, verzögert er beim Pedallupfen etwa so stark wie ein durchschnittlicher Verbrenner und rekuperiert stärker, wenn er zu anderen Autos aufschließt, ansonsten (meistens) auch bei Tempolimitänderungen. Auf "B" steigt die Energierückgewinnung auf ein Verzögerungsmoment von höchstens 0,15 m/s², was bei uns in Stuttgart dicke genügt, um bergab das 40-km/h-Kessellimit einzuhalten.

Im Hyundai berücksichtigt die Automatik nur den vorausfahrenden Verkehr, dafür kommt man im i-Pedal-Modus überwiegend ohne Bremspedal aus. Das braucht zwar kurz Gewöhnung, klappt dann aber gut – und es verblüfft, wie obergeschmeidig der Wagen in diesem Modus zum Stehen kommt. Zusätzlich gibt es zahlreiche Zwischenstufen und sogar eine, die den Ioniq lange fast verzögerungsfrei rollen lässt, wenn du lupfst.

Der elektrische Bremskraftverstärker im VW ermöglicht zwar speziell beim Sportfahren eine deutlich bessere Dosierung, doch innerorts überpinselt das Brake-by-Wire-System des Hyundai den Übergang auf die mechanische Bremse noch eine Idee feiner. Hier wie dort gilt: Für E-Autos gelungene Bremssysteme.

VW ID.4 GTX, Interieur
Achim Hartmann
Die Bedienung im ID.4 stört weiterhin durch ihre unbeleuchteten Slider und Touchinseln als auch die Touchfelder auf dem Lenkrad.

Feine Unterschiede gibt es auch bei der Bedienung. Beim GTX stören etwa die mühselig steuerbaren Lenkrad-Touchfelder und die unbeleuchteten Slider und Touchinseln. Wie im ID.3 muss der Fahrer mit zwei Fensterhebertasten auskommen und die hinteren per "Rear"-Touchfläche akti­vieren. Wie die Wolfsburger die Be­dienqualität wegsparen, muss für die Infotainment-Truppe bitter sein. Denn deren System bietet meist eine sinnvolle Struktur sowie Benutzerfreundlichkeit und etwa eine Routenführung, mit der du an komplexen Autobahnkreuzen richtig fährst.

Im Ioniq geht vieles einfacher, schon wegen der Direktwahlknöpfe. Die Klimasteuerung läuft jedoch über eine fummelige Toucheinheit, die immerhin nur für die Lenkradheizung und Sitzklimatisierung auf den Touchscreen geholt werden muss.

Bequem kann er, der GTX

Eine Belüftung ist hier den Ioniq-Sit­zen vorbehalten, auf denen man viel höher und mit perfekt positionierten Armlehnen sitzt. Zudem wirkt das schick eingerichtete Interieur ins­ge­samt hochwertiger als das ordentliche im ID. Beim Federn kehrt sich die Bewertung stärker um: Sehr ordentlich beim Hyundai, doch im weichen Dämpfermodus glättet der GTX manch kaputte Straße trotz seiner Riesenräder ganz beträchtlich.

Dazu gibt es Massagesitze mit ausziehbaren Beinauflagen und etwas zu schmalen, aber bequemen Einzelarmlehnen. Dem ID.4 fehlen ver­stell­bare Kopfstützen, wobei die im 5 in der ersten Einstellung etwas zu nah am Fahrer sind. Eine Position fürs Nickerchen lässt sich in beiden Autos einrichten, die Liege-Beinstützen hat wiederum nur der Ioniq.

Hyundai Ioniq 5, VW ID.4 GTX, Exterieur
Achim Hartmann
Dank voller Fördersumme von 9.570 Euro kostet der Ioniq bei gleichem Ausstattungsniveau effektiv gut 2.000 Euro weniger als der ID.

Der zeigt sich insgesamt praktischer, etwa mit einer Handschuhfach-Schublade und elektrisch verstellbaren Rücksitzen plus manueller Lehnenverstellung. Unter der Bank hat er eine 230-Volt-Dose und für die Ladesteckdose außen sogar einen Adapter auf die Spannung: für E-Grill, Boombox, Kühlkasten oder Heckenschere – was eben so einfällt. Dafür mangelt es an Fußraum unter den Vordersitzen, der schon beim VW nicht grandios ist; Beinfreiheit gibt es in beiden Fonds massig.

Was das alles kostet? Auf ein gleiches Ausstattungsniveau gehoben ist der ID effektiv gut 2.000 Euro teurer. "Effektiv" deshalb, weil der Ioniq die volle Fördersumme von 9.570 Euro inklusive Herstelleranteil einstreicht, obwohl er mit 305 PS netto min­destens über 40.000 Euro kostet – genau wie der GTX, für den es nur 7.975 Euro gibt. Wie das geht? Hyundai hat die Motorisierung als Sonderaus­stattung deklariert, und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bestätigt auf explizite Anfrage: Die ist für die Höhe des Bonus auch hier irrelevant. Sie entscheiden: Gelbe Karte fürs Grauzonengrätschen oder eine Schlaufuchsplakette?

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Fazit

1. Hyundai Ioniq 5
631 von 1000 Punkte

Nummer fünf bringt Leben ins E-Geschäft mit Power beim Laden und Fahren, coolen Retro-Elementen und umfangreichen Rekuperationsmodi sowie guter Ladestationssuche.

2. VW ID.4 GTX
615 von 1000 Punkte

Vier gewinnt diesmal trotz guter Fahr­eigenschaften und toller Federung nicht. Etwa wegen der Bedienung der geringeren Lade­leis­tung, und weil er als GTX nur wenig Extraspaß liefert.

Technische Daten
Hyundai Ioniq 5 (72,6 kWh) 4WD UNIQVW ID.4 GTX GTX
Grundpreis62.800 €53.255 €
Außenmaße4635 x 1890 x 1605 mm4582 x 1852 x 1637 mm
Kofferraumvolumen499 bis 1559 l543 bis 1575 l
Höchstgeschwindigkeit185 km/h180 km/h
0-100 km/h5,4 s6,4 s
Verbrauch17,7 kWh/100 km17,6 kWh/100 km
Testverbrauch25,8 kWh/100 km27,4 kWh/100 km