Nissan Leaf, Hyundai Ioniq Elektro und VW e-Golf im Test
Elektroautos mit Power und Reichweite

Drei kompakte E-Autos mit alltagstauglicher Reichweite, aber völlig unterschiedlichen Philosophien: Kann der neue Nissan Leaf gegen Hyundai Ioniq Elektro und VW e-Golf groß auftrumpfen?

Hyundai Ioniq Elektro, Nissan Leaf, VW e-Golf, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

So richtig in Schwung kommt sie nicht, die Elektromobilität in Deutschland. Zumindest fällt die Zwischenbilanz der E-Auto-Prämie ernüchternd aus: Nach 23 Monaten wurden gerade mal 36.611 Anträge beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) gestellt. Dabei sollten 4.000 Euro Umweltbonus doch eigentlich ein gutes Argument sein, um Vorbehalte in puncto E-Auto zu mindern. Vielleicht helfen ja erschwingliche Modelle mit mehr Reichweite und Power. So wie der neue Nissan Leaf, der sich im ersten Vergleich dem Hyundai Ioniq Elektro und dem VW e-Golf stellt.

Leaf als Verkaufsschlager

Nissan Leaf, Exterieur
Achim Hartmann
Optische Akzente setzen lediglich das farblich abgesetzte Dach (1.050 Euro extra) und der serienmäßig dreidimensional bläulich schimmernde Kühlergrill-Ersatz.

Obwohl die erste Generation des Leaf hierzulande nur selten anzutreffen ist, darf sich der Japaner mit dem Titel des weltweit meistverkauften Elektroautos schmücken. Wohl auch deshalb ist die zweite Generation nicht gänzlich neu, sondern eher eine Evolution auf der bekannten Plattform. Anzusehen ist ihr das zunächst nicht, denn die eigenwilligen Rundungen des Vorgängers wurden glatt gezogen und mit ein paar gefälligen Bügelfalten versehen. Optische Akzente setzen lediglich das farblich abgesetzte Dach (1.050 Euro extra) und der serienmäßig dreidimensional bläulich schimmernde Kühlergrill-Ersatz. Im Interieur wirkt der Leaf II aufgeräumter, aber nicht sonderlich geräumig oder hochwertig. Neben dem vielen Hartplastik irritiert zunächst der einst digitale, nun analoge Tacho des E-Autos. Für ihn sprechen die gute Ablesbarkeit und allerlei schick inszenierte Infografiken zu Ladestand und Kraftfluss auf dem Display daneben. Weniger gut gefallen der eigenwillige, schlecht bedienbare Automatik-Wählknubbel sowie die Klimaeinheit, die noch vom Vorgänger stammen.

Nicht ganz up to date ist auch das sieben Zoll große Touchscreen-Infotainment. Dank Android Auto und Apple Carplay kaschiert das Navi geschickt, dass es keine Echtzeit-Verkehrsdaten bereithält und Sprachbefehle oft nicht versteht. Zu viele Tasten am Lenkrad verkomplizieren zudem die Bedienung. Vier Personen samt Gepäck finden im Leaf zwar ausreichend Platz, doch nicht nur im Vergleich zu den Konkurrenten sind die Ladekante und die Stufe nach dem Umklappen der Rücksitzlehne sehr hoch.

Ein Ladewunder ist er wegen des zerklüfteten Kofferraums nicht. Zudem blockieren das Soundsystem und die Ladekabel Teile des Stauraums. Problematisch für groß gewachsene Fahrer ist zudem die hohe Sitzposition, bedingt durch das Akkupack im Boden. Neben der breiten C-Säule behindert der große Innenspiegel spürbar die Rundumsicht.

Ein fast normaler Hyundai

Übersichtlichkeit ist auch nicht gerade die Stärke des Hyundai Ioniq. Wegen der geteilten Heckscheibe und ebenfalls breiter C-Säule behält der Fahrer beim Rangieren nur dank der serienmäßigen Rückfahrkamera den Überblick. Bietet die Fließheckform dank großer Klappe Vorteile beim Beladen und mit 1.410 Litern fast doppelt so viel Stauraum wie im Leaf, so schränkt sie die Kopffreiheit im Fond spürbar ein.

Innen ist der Ioniq fast ein normaler Hyundai, der sich durch einfache Bedienbarkeit, gute Materialanmutung und die reichhaltige Style- Ausstattung auszeichnet. Nur die Automatik-Wähltasten auf der Mittelkonsole, das Rekuperationswippenhinter dem Lenkrad und die gut ablesbaren Digitalinstrumente verraten ihn als E-Auto. Von außen fällt der Ioniq mit seiner geschlossenen Frontpartie zwar mehr auf, setzt sich aber kaum von seinen hybriden Varianten ab.

Auch als e-Golf ganz Golf

Noch extremer der e-Golf: Hier merkt man erst auf den dritten Blick, dass man in der E-Variante sitzt, was mehr Vor- als Nachteile hat: In puncto Bedienung, Qualitätsanmutung und Platzangebot gibt es keine Unterschiede zu fossil betriebenen Golf-Modellen. Mit serienmäßigem Navi und Zweizonen-Klimaautomatik ist er zwar gut ausgestattet, doch um ihn auf das Niveau der beiden Rivalen zu heben, müssen viele teure Kreuzchen in der Optionsliste gesetzt werden. Mit LED-Scheinwerfern und diversen Fahrassistenten an Bord ist er hier der Teuerste, zumal Nissan und Hyundai fast alle Extras an ihre Ausstattungslinien koppeln.

Nissan verbraucht viel und lädt lang

Serienmäßig beim e-Golf ist der 36-kWh-Akku, mit dem er sich zwischen Ioniq (28 kWh) und Leaf (40 kWh Kapazität) einsortiert. Auf unserer zurückhaltend gefahrenen Verbrauchsrunde über Stadt-, Land- und Schnellstraßen kommt der Nissan 239 Kilometer weit. Das ist genug für den Alltag, allerdings auch etwas enttäuschend, da die Mitstreiter mit den kleineren Akkus genauso weit kommen. Der Grund: Mit einem Real-verbrauch von 16,6 kWh pro 100 km liegt der Leaf nicht nur über der Werksangabe, sondern auch deutlich über den 14,3 kWh des Golf beziehungsweise 12,2 kWh des Ioniq. Für alle, denen diese Werte noch zu abstrakt, weil ungewohnt sind, ergeben sich theoretisch umgerechnete Energieverbräuche von 1,3 bis 1,8 Litern Superbenzin auf 100 km.

Doch der Leaf zieht seine Batterien nicht nur am schnellsten leer, er braucht auch deutlich am längsten, um sie wieder aufzuladen. An unserer Test-Wallbox mit Typ-2-Stecker benötigt er mehr als viereinhalb Stunden, um genug Strom für 100 Kilometer Reichweite zu speichern. Der e-Golf ist dank zweiphasiger Ladung schon nach zwei Stunden so weit, der Hyundai nach zweieinhalb. Bei leerem Akku und Vollladung dauert es beim Leaf mit rund elf Stunden sogar doppelt so lange wie bei den anderen E-Autos. Schneller geht es zwar an Chade-mo-Gleichstromladesäulen, die den Akku mit 50 kW in rund 40 Minuten zu 80 Prozent auffüllen, doch auch das können e-Golf und Ioniq besser, da sie auf den CCS-Standard setzen, der mit bis zu 100 kW Gleichstrom einspeist. Während Schnellladeanschlüsse und Typ-2-Kabel bei Nissan und Hyundai serienmäßig an Bord sind, kosten diese bei VW extra (625 und 175 Euro).

e-Golf punktet bei der Fahrdynamik

Die größten Unterschiede zeigen sich allerdings nicht bei Bedienung oder Laden, sondern beim Fahren. Was alle eint, ist der typische stille Fahrkomfort. Surrend wie die S-Bahn stromern sie durch die Stadt und über Land, sperren dabei Abroll- und Windgeräusche auch bei Autobahntempo weitgehend aus. Mit seinen 110 kW (150 PS) ist der Leaf nicht nur messbar, sondern auch spürbar der Schnellste, der E-Motor beschleunigt den 1,6-Tonner in 8,8 Sekunden auf 100 km/h.

Bei abgeregelten 144 km/h muss er sich jedoch erst vom Golf (150 km/h), dann vom Ioniq mit 165 km/h überholen lassen. Da bei allen stets rund 300 Nm Drehmoment anliegen, gelingen Zwischenspurts ausreichend flott. Aus engen Kurven und vor allem bei Nässe ringen sowohl der Ioniq als auch der Leaf wegen der Energiesparbereifung indes frühzeitig um Grip. Mit der Traktion hat der e-Golf keine Probleme. Fahrwerk und Lenkung vermitteln am meisten Rückmeldung und damit Vertrauen. Da auch das ESP nicht so spitz abgestimmt ist wie bei den Asiaten, wuselt der VW lebendiger durch den Hütchenparcours und weicht Hindernissen beim doppelten Spurwechsel auch noch bei 127 km/h aus. Dafür leidet der Federungskomfort etwas unter der straffen Fahrwerksabstimmung.

Komfortabler Ioniq

Umso mehr überrascht der Hyundai. Er gleicht sowohl lange als auch kurze Wellen am souveränsten aus, bleibt jederzeit leicht beherrschbar. Trotzt der nominal geringsten Leistung (88 kW) fühlt man sich nie untermotorisiert, weil sich mit den differenzierten Fahrmodi vor allem die Gasannahme und Rekuperationsstärke beeinflussen lassen. Von betont sanft in Eco- bis hin zu bissig in Sport-Stellung bewegt sich der Ioniq höchst unterhaltsam. Zudem lässt sich der Grad der Energierückgewinnung dank der Paddles am Lenkrad in drei Stufen einfach variieren oder im System voreinstellen, während man beim Golf dazu immer den Wahlhebel anstupsen muss.

Für ein völlig neues Fahrgefühl und Extrapunkte in der Testwertung sorgt das sogenannte e-Pedal beim Leaf. Sobald der Fahrer den Fuß vom Gas nimmt, wird die Rekuperation eingeleitet. Die Verzögerung ist dabei ausreichend stark, um den Wagen auch bergab zum Stehen zu bringen. Mit etwas Übung kann man so fast vollkommen auf konventionelle Bremseingriffe verzichten. Auf flott angefahrene Kurven reagiert der 4,49 Meter lange Nissan mit leicht beherrschbarem Untersteuern. Bodenwellen bringen das Fahrwerk jedoch schnell aus der Ruhe.

Alle drei bremsen schwach

Vorausschauend fahren sollte man mit allen drei E-Autos, denn mehr als 39 Meter Bremsweg aus Tempo 100 beim Ioniq und Leaf sind zu viel. Auch der e-Golf kann mit 36,5 Metern nicht glänzen. Deutlich überzeugender sind da schon die umfangreichen Komfort- und Sicherheitsassistenten, die wie bei Nissan und Hyundai zum Großteil serienmäßig an Bord sind. Während ACC und Spurhalter Ioniq und Golf zuverlässig pilotieren, reagiert das System im Leaf bisweilen etwas zu sensibel mit übertriebenen Bremseingriffen. Einen teilautonomen Parkassistenten (1.200 Euro), der ihn selbstständig einparkt, haben die anderen zwar nicht zu bieten, doch das Einstellen der Parklücke am Touchscreen und die Rangiermanöver brauchen viel Zeit.

Trotz seiner Eigenheiten ist der Leaf ein gutes Elektroauto mit sehr umfangreicher Ausstattung. Ioniq und Golf bieten mehr Platz, sind besser verarbeitet und schaffen trotz kleinerer Batteriekapazität vergleichbare Reichweiten.

Fazit

1. VW e-Golf
450 von 1000 Punkte

Auch mit dem e im Namen überzeugt der Golf mit alten Stärken wie Platz, Sicherheit und Fahrdynamik. Allerdings kostet er vergleichbar ausgestattet am meisten.

2. Hyundai Ioniq Elektro
431 von 1000 Punkte

Die vollelektrische Variante des Ioniq fährt komfortabler, umweltfreundlicher und günstiger als der e-Golf. Zum fairen Tarif gibt es zudem mehr Ausstattung.

3. Nissan Leaf
384 von 1000 Punkte

Viele Schwächen des ersten Leaf wurden zwar ausgebessert, doch trotz e-Pedal und großem Akku kann er nichts besser als die Konkurrenz.

Technische Daten
VW e-Golf e-GolfHyundai Ioniq Elektro StyleNissan Leaf 40 kWh Tekna
Grundpreis31.900 €35.500 €37.050 €
Außenmaße4270 x 1790 x 1428 mm4470 x 1820 x 1450 mm4490 x 1788 x 1540 mm
Kofferraumvolumen341 bis 1231 l350 bis 1410 l420 bis 790 l
Höchstgeschwindigkeit150 km/h165 km/h144 km/h
0-100 km/h9,6 s10,0 s8,8 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km