Jaguar F-Type R AWD Coupé vs. Nissan GT-R
Im Bann von zwei mal 550 PS

Sie sind beide selten, der Jaguar F-Type R AWD genauso wie der Nissan GT-R. Sollte man sie dann doch einmal irgendwo auf öffentlichen Straßen entdecken, sind sie meistens gleich wieder enteilt. 550 PS lassen dem Betrachter wenig Zeit.

Jaguar F-Type R AWD Coupé, Nissan GT-R, Frontansicht
Foto: Hardy Mutschler

Ihre Ähnlichkeiten beschränken sich auf ein paar technische Eckdaten: Frontmotor mit 550 PS, automatisiertes Getriebe, Allradantrieb. Davon abgesehen sind sie so verschieden, wie die Schöne und das Biest. Und doch eint Jaguar F-Type R AWD Coupé und Nissan GT-R vor allem eines – sie sind exotische Alternativen im Club der 100.000-Euro-Sportwagen.

Wobei der Nissan GT-R sicherlich alles andere als ein Geheimtipp ist, dafür wurden seine großartigen Talente schon zu laut bejubelt. Dennoch taucht er im Alltag praktisch nie auf. Falls doch, so poppen bei Kennern Bilder von "The Fast and the Furious" hoch, jener Filmreihe, die in der Illegalen-Straßenrennen-Szene spielt. Und durch deren sechsten Teil der Nissan fährt.

Unsere Highlights

Nissan GT-R-Cockpit im Playstation-Look

Der Nissan GT-R ist so etwas wie der Star der Playstation-Generation, was natürlich vor allem daran liegt, dass sein Cockpit von den Machern der Spielekonsole mitgestaltet wurde. Entsprechend authentisch bietet das zentrale Display ein Podium für den digitalen Spieltrieb. Es gibt praktisch nichts, was nicht konfigurierbar wäre: Ladedruck, Getriebe und Motoröl, Querkräfte, Kraftverteilung im Allradsystem – alles lässt sich in Echtzeit überwachen.

Wer nur ein klein wenig Zocker-Gene in sich trägt, wird sofort in diese ganz eigene Welt eintauchen. Inklusive Telemetrie-System ist praktisch alles Notwendige an Bord des Nissan GT-R, und so startet im Kopfkino das eigene kleine Rennen. Schon alleine deshalb ist der Nissan GT-R so einzigartig, weil er die hochkarätigen Ambitionen in eine unprätentiöse, fast schon lieblose Karosserie verpackt. Deutlicher kann man nicht Stellung gegen den Design-Stolz traditioneller Sportwagen beziehen.

Der Jaguar F-Type R AWD Coupé ist so ein Traditionalist. Er erhebt das Schönsein zur Kunstform, ist der Dandy der 500-PS Liga. Sehr viel eleganter lässt sich ein zweisitziger Frontmotor-Sportwagen wohl kaum verpacken. Selbst in der machtvollen R-Version dreht der Jaguar bewusst das rohe Form-follows-function-Credo der Supersportler ins Gegenteil und stellt die vollendete Linie über alles. Als krasses Gegenteil zum GT-R.

Weil der perfekte Look das Credo ist, nimmt derJaguar F-Type R AWD Coupé Punktabzüge bei der Karosseriewertung gelassen hin – für seine geringe Zuladung, den engen Innenraum, die wenigen Ablagen, die schlechte Übersichtlichkeit nach hinten und die grobe Darstellung der Straßenkarte im Navigationssystem.

Jaguar F-Type R AWD Coupé: Verspielter Flitzer

Andererseits glänzt er mit netten Spielereien wie Türgriffen, die erst beim Druck auf die Funkfernbedienung ausklappen. Oder den zentralen Lüftungsdüsen, die nur aus der Versenkung surren, wenn sie gebraucht werden – Besonderheiten, vergleichbar mit einem kontrastfarbenen Einstecktuch; sie fügen sich hervorragend ins luxuriöse Umfeld aus Lederflächen und Kohlefasereinlagen ein.

Dass der Gentleman-Racer dennoch Ambitionen hegt, zeigen die hervorragend ausgeformten, gleichzeitig bequemen Sitzschalen ebenso wie die optionale Hochleistungsbremsanlage samt Keramikscheiben, mit denen der Jaguar F-Type R AWD Coupé antritt. Allein, sie bringen nicht den erhofften Vorteil, schaffen selbst warmgebremst nicht die hervorragenden Werte der Nissan-Stopper. Zudem fühlt sich das Pedal auf den ersten Zentimetern befremdlich weich und schabend an.

Der Nissan GT-R zeigt, dass die Kombination aus Stahlscheiben und weich gummierten Sportreifen die besseren Ergebnisse liefert. Speziell bei hochsommerlichem Wetter verbacken sich die Dunlop SP Sport Maxx GT600 mit der Asphaltkruste. Sie sind bei der Track-Edition serienmäßig und verstärken das Gefühl, einen gerade noch für die Straße zugelassenen Tourenwagen zu pilotieren. Die Sportreifen haben im Außenbereich nur wenig Profil; so gibt es auch kaum Blöcke, die beim Bremsen oder Einlenken nachgeben könnten. Alles am supersteifen Nissan GT-R geht so direkt, wie man es nur von einem Rennwagen kennt. Alles scheint ungefiltert durchgestellt zu werden – sowohl die Befehle des Fahrers als auch Unebenheiten.

Geschmeidige Bewegungen

Laute Abrollgeräusche beweisen, dass in der Radaufhängung kaum dämpfende Elemente arbeiten. Das ermöglicht auf der glattgebügelten Teststrecke die Kurvengeschwindigkeiten eines Supersportwagens. Praktisch ohne Karosseriebewegungen lenkt der Nissan GT-R in die Wedelgasse ein, setzt präzise und verzugsfrei um, verlässt die Ideallinie keinen Millimeter. Das Messgerät bescheinigt 152,3 km/h.

Noch bemerkenswerter als der Wert ist allerdings die unvorstellbare Leichtigkeit, mit der er erzielt wird: Wie im Zeitraffer zoomt sich der Nissan GT-R durch die Pylonen, fließt im geschmeidigen Bewegungsablauf dahin – und ledert den Jaguar F-Type R AWD Coupé lässig ab. Der kommt auf maximal 140,9 km/h, deckt dabei von Unter- bis Übersteuern alle Grenzbereichszustände ab, fällt mit unruhigen Wankbewegungen auf.

Solange man auf der Landstraße vor sich hin cruist, stört dies nicht – im Gegenteil: Der Jaguar F-Type R AWD Coupé strömt dahin, bietet ordentlichen Komfort und lässt sich ohne Kraftaufwand dirigieren. Wer allerdings dem Nissan GT-R folgen will, muss am Lenkrad zaubern und das Heck durch Lastwechsel zum Mitarbeiten anregen. Dies gelingt im Sportmodus des ESP prinzipiell gut, doch die Lenkung liefert nie jene traumwandlerische Rückmeldung, die ein beruhigendes Gefühl auslöst. Positiver Aspekt des großen Spiels, das im Gesamtsystem steckt: Der Jaguar F-Type R AWD Coupé lässt sich von Spurrillen oder tektonischen Verschiebungen nie aus der Ruhe bringen, während der Nissan-Fahrer alle Hände voll zu tun hat, den Nissan GT-R auf Kurs zu halten – er läuft einfach allem nach.

Kurioserweise nivelliert sich das Pro und Kontra in der Eigenschaftswertung nahezu: Was der Jaguar F-Type R AWD Coupé bei der Fahrdynamik verliert, holt er sich mit besserem Komfort zurück. Die schlechteren Bremswerte gleicht er durch eine umfangreichere Sicherheitsausstattung aus, seine etwas zurückhaltendere Beschleunigung durch den niedrigeren Verbrauch, das geringere Raumangebot durch die hochwertigeren Materialien. Speziell beim Qualitätseindruck muss der Nissan-Kunde verzeihen können – schon im Neuzustand mahlt und schabt das Doppelkupplungsgetriebe, als stünde es kurz vor dem Exitus. Auch hier zeigt der Nissan GT-R ganz offen, was er ist: ein Extremist, der ausschließlich für die Performance lebt.

Dass der Nissan GT-R seinen knappen Vorsprung bis zur Schlussaddition sogar noch ausbauen kann, liegt am niedrigeren Preis – bei gleichzeitig besserer Ausstattung. Um den Jaguar F-Type R AWD Coupé auf ein ähnliches Niveau zu heben, müsste man Optionen im Wert von rund 8.500 Euro hinzubestellen. Zudem kommt der Testwagen mit der Keramikbremse (9.720 Euro), die auf den Grundpreis gerechnet wird. Dass ein Jaguar gegen einen Nissan bei den Kosten schlecht aussieht, dürfte am Ende kaum verwundern.

Fazit

1. Nissan GT-R Track Edition
366 von 1000 Punkte

Seinem Äußeren zum Trotz ist der Nissan GT-R ein extremer Sportwagen. Um das Thema Komfort macht er speziell in der Track Edition einen weiten Bogen, fühlt sich ausschließlich der Fahrdynamik verpflichtet, benötigt aber auf Bodenwellen eine feste Hand.

2. Jaguar F-Type R AWD Coupé
356 von 1000 Punkte

Obwohl sein V8 bei offener Auspuffklappe wie am Spieß brüllt, ist der Jaguar F-Type R ein Gentleman-Racer. Für die Rennstreckenhetze ist er zu indirekt, liebt vielmehr das Langstrecken sausen. Hierfür bietet der Jaguar seinem Fahrer einen feudalen Genussraum. Und er sieht umwerfend aus.

Technische Daten
Jaguar F-Type Coupé 5.0 V8 AWD RNissan GT-R Track Edition
Grundpreis112.800 €111.000 €
Außenmaße4470 x 1923 x 1308 mm4670 x 1895 x 1370 mm
Kofferraumvolumen320 l315 l
Hubraum / Motor5000 cm³ / 8-Zylinder3799 cm³ / 6-Zylinder
Leistung405 kW / 550 PS bei 6500 U/min404 kW / 550 PS bei 6400 U/min
Höchstgeschwindigkeit300 km/h315 km/h
0-100 km/h4,0 s3,5 s
Verbrauch11,3 l/100 km11,8 l/100 km
Testverbrauch13,5 l/100 km14,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten