Lamborghini Aventador LP 750-4 SV im Test
Über-Stier mit leichtem Speed-Manko

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Auf dem Papier ist er mit 12 Zylindern, 6,5 Litern Hubraum und 750 PS ein neuer Trumpf fürs Autoquartett – unser exklusiver Test verrät, ob der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce wirklich ein neues Supersport-Ass ist.

Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce, Burnout
Foto: Hans-Dieter Seufert

Können 12 Zylinder, 6,5 Liter Hubraum und 750 PS geduldig sein? Erste Antwort beim Test des Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce: Sie müssen! „Kannscht kumme, isch drogge!“ Was würden wir an diesem Montagmorgen alles für den wohl berühmtesten Satz von Klaus Schwenninger, Streckenmeister des Hockenheimrings, geben.

„Drogge“ (badisch: „trocken“) ist es dafür im 143 Kilometer von Hockenheim entfernten Lahr (Schwarzwald). Und so temperiert der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce seine 13 Liter Motoröl und 25 Liter Kühlmittel dunkel raunend zunächst auf dem dortigen Flugplatz, den wir ja bekanntlich für unsere Längsdynamikmessungen nutzen.

Lamborghini Aventador SV mit 12-Zylinder-Feuerwerk

Doch wir wollen natürlich nicht unterschlagen, was der Warmlaufphase vorausgegangen ist. Rote Klappe auf der Mittelkonsole wie ein Kampfjetpilot vor dem Abzug der Bordwaffen anheben, dann den darunterliegenden Startknopf drücken. Der 60-Grad-V12 startet nicht einfach banal, er fährt hoch. Prägnantem Anlasserrasseln folgt ein fauchender Drehzahlschrei mit der Zündfolge 1-12-4-9-2-11-6- 7-3-10-5-8, der klarmacht, dass kein V6, V8 oder V10 die Krönung des Motorenbaus ist.

Strada, Sport oder Corsa? Wer glaubt, über die Drive-Select-Taste, welche Motorcharakteristik, Schaltzeiten, Allradabstimmung, Dämpfersetting und die Lenkung beeinflusst, könnte der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce davon abgehalten werden, weniger den Berserker zu spielen, der irrt. In Watte packt einen das Mittelmotortier auch im Strada-Modus mit etwas geringeren Lenkkräften und nicht ganz so aggressiven Schaltzeiten zu keiner Zeit.

Im Vergleich zum „Basis-Aventador“ trägt das SV-Modell erstmals eine elektromechanische Dynamiklenkung (LDS: Lamborghini Dynamic Steering). Ähnlich wie die Audi Dynamic Steering (ADS) des neuen R8 passt sie die Lenkübersetzung variabel der gefahrenen Geschwindigkeit und dem gewählten Modus an. Im Strada-Modus lässt sich der Aventador mit leichtgängigeren Lenkkräften jetzt besser rangieren. Die Übersicht nach hinten ähnelt weiter einem 40-Tonner. Doch auf unserem 2,3 Kilometer langen Flugplatz-Dragstrip zählt nicht das alltagstaugliche Show-and-Shine-Flanieren, sondern längsdynamische Explosivität – also Corsa-Modus aktivieren und ESC deaktivieren.

Emotion und Gewalt pur

Spätestens wenn sich der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce im Test beim Launch-Control-Start mit bärenstarker Traktion in den Asphalt krallt, werden die einstigen Kinderträume zur Realität. Dabei puncht das Getriebe wie gewohnt die Gänge mit Schaltzeiten von 50 Millisekunden brachial rein. Später, auf der Rennstrecke, sollte man das Lenkrad gut festhalten, wenn man mit leichtem Lenkwinkel am Kurvenausgang hochschaltet. Dann nämlich will einem der Schaltschlag fast das Lenkrad aus der Hand reißen.

Anders als die neue Generation von hybridisierten Hypersportwagen à la Porsche 918 Spyder, Ferrari LaFerrari und McLaren P1 geht der Superveloce noch vergleichsweise roh und erbarmungslos zur Sache. Eben so, wie man sich früher bei Autoquartett-Spielchen einen echten Supersportwagen ausgemalt hatte. Klar würde das in seinem kleineren Bruder Huracán verbaute Doppelkupplungsgetriebe die Gänge auch bei maximaler Beschleunigung sanfter als nun das sequenzielle Siebengang-ISR-Getriebe wechseln, aber macht das nicht die Faszination des Aventador aus? Eben!

Während der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce aus dem Stand auf 300 km/h hetzt, bleiben im Test genau 25,6 Sekunden Zeit zu überlegen, wo man das neue, jetzt in Quietschgelb gehaltene Digital-Kombi-Instrument samt mittiger Ganganzeige, Drehzahlbalken und Schaltlampen schon einmal gesehen hat. 296, 297, 298 km/h, klick, doch wieder erinnert: Im 2013 präsentierten und auf drei Exemplare limitierten Lamborghini Veneno durften Auserwählte für einen Preis von drei Millionen Euro selbiges Kombi-Instrument bereits in Aktion bestaunen.

Rund 3 Sekunden von 0 auf 100 km/h

Während der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce kurze Zeit später knisternd in der Flugplatzgarage verschnauft, werden die Messwerte analysiert: 3,2, 3,1, 3,3, 3,2, 3,1 Sekunden auf 100 km/h. „Bei unseren Tests in Nardo hatten wir immer reproduzierbare Werte zwischen 2,8 und 2,9 Sekunden“, sagt einer der Lamborghini-Ingenieure der Testcrew, die den SV begleitet.

Jeder bekommt bei uns eine zweite Chance. Also den 90-Liter-Tank noch einmal füllen und wiederholt raus auf die Messstrecke. Mit 3,0 Sekunden auf 100 km/h und 9,1 Sekunden auf Tempo 200 beschleunigt der SV jetzt zwar schneller, verpasst aber seine Werksangaben immer noch um 0,2 respektive 0,5 Sekunden. Auf Tempo 300 verfehlt der Extrem-Aventador seine Werksangabe um 1,6 Sekunden.

Unsere Datenbank lässt sich von der markanten Optik weit weniger beeindrucken als unsere Herzen. Und so spuckt das Messarchiv vergleichend die Werte für den ersten je bei uns geprüften Aventador LP 700-4 (sport auto 1/2012) aus. Bei Messbedingungen von 4 Grad Celsius stürmte das 700 PS starke Coupé damals in 8,8 s auf 200 km/h und überflügelte den SV auch bei der Elastizitätsmessung deutlich (80–180 km/h 4./5./6./7. Gang: 6,6 s/8,6 s/12,1 s/15,4 s). Mit 31,9 Metern verzögerte der Testwagen von 2012 außerdem aus 100 km/h besser als der Superveloce (32,6 Meter).

Lamborghini Aventador LP 750-4 SV jetzt 46 Kilo leichter

Immerhin haben die Italiener in puncto Gewichtseinsparung nicht zu viel versprochen. Mit 1.746 Kilo wiegt der Superveloce 46 Kilo weniger als der besagte LP 700-4 von 2012. Für die Lambo-Diät sorgen verschiedene Kohlefaser-Bauteile (Türverkleidungen, Heckflügel, Lufteinlässe), leichtere Seitenschweller und die leichtere Abgasanlage sowie der teilweise Verzicht auf Teppiche und Geräuschdämmung. Serienmäßig trägt der Superveloce auch kein Infotainment-System. Optional ist es aber, wie bei unserem Testwagen, ohne Mehrpreis verfügbar. Doch was ist eine Gewichtseinsparung von 46 Kilo, also 2,6 Prozent, bei einem Ausgangsgewicht von fast 1,8 Tonnen? Richtig, zu wenig.

Kann der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce trotzdem in Hockenheim etwas reißen? Neben einem neuen adaptiven Dämpfersystem, das die Dämpfung jedes Rades individuell steuert, trägt der Superveloce größere Räder (20 und 21 Zoll statt zuvor 19 und 20 Zoll beim LP 700-4), die jedoch ebenfalls mit Pirelli-P-Zero-Corsa-Bereifung samt gleichen Reifenbreiten besohlt sind. Auch ansonsten ähnelt die SV-Fahrwerksabstimmung dem „schwächeren“ Aventador, der ebenfalls ein selbstsperrendes Differenzial an der Hinterachse und eine elektronisch geregelte Differenzialsperre trägt.

Was macht eigentlich das Wetter in Hockenheim? Nach weltuntergangsähnlichem Dauerregen am Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstagmorgen gibt der Regengott dann am Nachmittag den Kleinen Kurs für die ersehnte Rundenzeit frei. Bei all den aufgeschlüsselten Faktoren verwundert es jedoch nicht, dass sich der SV schwertut, die sehr gute Rundenzeit des Aventador von 2012 zu knacken. Nach zwei schnellen Runden zeigt sich außerdem, dass die Luftdruckvorgaben von Lamborghini, mit Kaltwerten von 2,3 bar an der Vorderachse, gleichzeitig aber nur 2,1 bar an der Hinterachse, kontraproduktiv für das verwinkelte Streckenlayout und die Fahrwerksabstimmung des SV sind. Der ohnehin eher gutmütig und leicht untersteuernd abgestimmte Mittelmotor-Stier tendiert dadurch noch stärker zum Schieben über die Vorderachse.

Keine Verbesserung der Hockenheim-Rundenzeit

Statt der Corsa-Pneus wünscht man sich die in puncto Trockengrip noch kompromissloseren Trofeo-R-Reifen, die derzeit aber nur für den Huracán erhältlich sind. Wir geben jedoch auch mit Corsa-Reifen alles. Erst eine deutliche Luftdruckkorrektur, mit niedrigerem Luftdruck vorn als hinten, kann das Fahrverhalten neutralisieren. Jetzt aber ist der Peak der Reifen längst überschritten.

Mit 1.09,0 min. muss sich der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce im Test der Rundenzeit des Aventador von 2012 um vier Zehntel geschlagen geben. „Mit neuen Reifen und den jetzt herausgefahrenen Luftdrücken könnte der SV sicher noch fünf Zehntel schneller sein“, mutmaßen die Lambo-Testbegleiter. Doch während in Hockenheim wieder Nieselregen einsetzt, ist ihr Lkw mit neuen Reifen bereits zu einem weiteren Termin auf der Nordschleife unterwegs.

Die Nordschleife wird der SV bestimmt besser in Erinnerung behalten als die langsamen Kurven des Kleinen Kurses. Am Ring konnte er seine optimierte Aerodynamik (laut Lamborghini: „Abtrieb um 170 Prozent gesteigert“) wohl effektiver nutzen, wie die offiziell kommunizierte Rundenzeit von 6.59 Minuten vermuten lässt.

Fazit

Manchmal gibt es Tage, da sollte man sich einem Traumwagen einfach nicht mit einem Messgerät nähern. Heute endet mal wieder so ein Messtag. Der Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce fesselt einen zunächst mit seiner markanten Aerodynamik, seinem emotionalen Zwölfzylinder-Gewitter und den rustikalen Schaltschlägen seines sequenziellen Getriebes. Kurz: ein Charakterkopf mit liebenswürdigen Ecken und Kanten. Ohne Messgerät wäre die Freundschaft mit dem neuesten Mittelmotor-Lambo sicherlich deutlich inniger als nach Analyse der von uns ermittelten Messdaten geworden. Im Vergleich zum bereits getesteten Aventador LP 700-4 Coupé konnte unser Superveloce-Testwagen seine Vorteile in puncto Längs- und Querdynamik nicht ausspielen.

Technische Daten
Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce Superveloce
Grundpreis389.356 €
Außenmaße4835 x 2030 x 1136 mm
Kofferraumvolumen150 l
Hubraum / Motor6498 cm³ / 12-Zylinder
Leistung552 kW / 750 PS bei 8400 U/min
Höchstgeschwindigkeit351 km/h
0-100 km/h3,0 s
Verbrauch16,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten