Lexus RC F gegen BMW M4 Performance
Das letzte Aufbäumen des Saugmotors

Inhalt von

Während BMW mit dem M4 im vergangenen Jahr seinen letzten Saugmotor auslöschte, bekommt er im Lexus RC F nun noch mal eine Chance. Es wird seine letzte sein. Kann er sie auch nutzen?

Lexus RC F, BMW M4 Performance, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Schon seltsam, oder? Da drücken die deutschen Hersteller immerzu auf die Tränendrüse, erzählen uns was von Emissionsverordnungen, die man künftig nur noch mit Turbomotoren erfüllen könne. Und dann ist es ausgerechnet Lexus, die inmitten des Immergrüns einen Saugmotor zur Welt bringen. Eine Fackel im Sturm sozusagen, mit properen fünf Litern Hubraum – als Beweis dafür, dass man kann, wenn man nur will.

Bei aller Euphorie: Ein Neugeborener im Wortsinn ist der Achtzylinder nicht, eher eine Reinkarnation des identisch dimensionierten Organs aus dem IS F – wenngleich eine ziemlich weitreichende. Ansaugmodul, Drosselklappengehäuse, Ventiltrieb, Zylinderköpfe, Kurbelwelle – alles wurde komplett neu entwickelt. Außerdem steigern nun Schmiedepleuel und Titanventile die Drehzahlfestigkeit, während die erhöhte Verdichtung das Drehmomentspektrum anfettet. In Zahlen: 477 statt 423 PS, 530 statt bisher 505 Nm, eine um 500 auf 7.300/min angehobene Maximaldrehzahl – und alles ganz ohne Wachstumsbeschleuniger. Ginge es hier allein um Sympathie, der Lexus RC F gewänne mit einem Kantersieg.

BMW-Turbo mit 40 Prozent mehr Drehmoment

Entschieden wird das Duell jedoch nach Punkten. Und die hängen hoch, seit BMW mit dem M4 die fünfte Evolutionsstufe gezündet hat. Der Rekordmeister aus München ist der Begründer des Segments, seine Konstante und die Referenz – wieder einmal.

Und was haben wir vorher alle gezetert: Turbomotor, neue Nomenklatur – wie können sie nur, die spinnen wohl, und überhaupt sei früher sowieso alles besser gewesen. Dumm nur, dass das Heute, in dem folglich ja alles schlechter sein müsste, erneut nicht eingetreten ist. Warum bloß? Nun, man traut es sich kaum zu schreiben: Vor allem, weil die Vorzüge der Aufladung ihre unvermeidlichen Nachteile dann doch überwiegen. 40 Prozent mehr Drehmoment im Vergleich zum V8-Sauger im E92 stehen einem Ansprechverhalten gegenüber, das sich von der Zehenspitze höchstens ein paar Millimeterchen in den Gaspedalweg zurückgezogen hat. Oder anders ausgedrückt: Trotz Schmiede-Kurbelwelle und superspontanen Monoscroll-Ladern ist ein leichter Gummibandeffekt in der Kraftentfaltung nicht wegzudiskutieren. Dafür schnalzt man danach nun um Welten straffer voran als im – Hand aufs Herz – ziemlich lasch durchziehenden Vierliter von einst. Eigene Meinung: Wenn der 431 PS starke Dreiliter des F32 Maßstab für alle künftigen Turbos ist, dann sollen sie wegen mir ruhig kommen.

Eine Sache ist am Ende aber doch vom Winde verweht: der unverkennbare Klang seines Vorgängers, das rennmotorische Rasseln beim Kaltstart, das Klimpern der Einzeldrosselklappen und dieses vibrierende Posaunen beim Ausdrehen. Der Neue versucht sich zwar irgendwie daran zu orientieren, bauscht die Akustik dazu sogar über die Audioanlage auf – es bleibt letztlich aber nur ein Coversong. Ein prägnanter, keine Frage, aber klangfarblich weder typisch Reihensechser noch V8. Mit der neuen Titanabgasanlage aus dem Performance- Zubehör kommt nun zumindest Beben in die Bude. Gegen 4.130 Euro – Montage on top – erzürnt sie den Soundtrack nachhaltig: schärfere Bässe, düsterer Unterton, metallischer Nachhall, und alles in abartiger Lautstärke. Emotionaler ist er dadurch geworden, zweifelsohne, authentischer leider nicht.

Anders der Lexus: Er brodelt vergleichsweise gedämpft durch seine doppelstöckigen Endrohrpaare, klingt aber leibhaftiger. Allerdings holt auch er sich sein gewisses Etwas über einen Verstärker heraus. Adaptive Sound Control (ASC) nennt sich das System, was so furchtbar künstlich, wie es sich liest, gar nicht ist. Über einen Resonator im Instrumententräger wird das V8-Thema je nach Drehzahl, Gaspedalstellung und Geschwindigkeit nachvertont: sonor im Ansatz, tenoral in den Spitzen und dazwischen mit einem derart heftigen Ansaugbrüllen, dass zwischen Motor und Klang bisweilen eine gewisse Diskrepanz entsteht. Nicht falsch verstehen: Der Sauger marschiert durchaus entschlossen los, gewinnt ab 3.500/min spürbar an Intensität und dreht gehaltvoll aus. Was irritiert, sind vielmehr die Rhythmen: das schnelle, fast hektische Playback- Trommeln der ASC auf der einen Seite und auf der anderen der V8, der trotz seines kurzen Hubs eher bedächtig die Drehzahlen hochstampft.

BMW M4 mit 240 Kilogramm Gewichtsvorteil

Erschwerend hinzu kommt der Körper, in dem der V8 steckt. Selbst inklusive der optionalen Karosserieteile aus CfK wiegt das RC F Coupé 1.853 Kilogramm. Das sind knapp 130 mehr als der IS F und schlicht zu viel. Schön und gut, auch der M4 bringt sein so vollmundig angekündigtes Mindergewicht nicht auf die Waage, mit 1.614 Kilogramm hat er im Vergleich zum Lexus aber mal eben knapp 240 Kilo (!) weniger herumzuschleppen.

Es riecht also nach einer einseitigen Partie. Und ehe wir versuchen, hier die Spannung krampfhaft hochzuhalten: Rein auf dem Papier ist es das auch, allerdings eine mit ein paar Überraschungen – sowohl positiver als auch negativer Natur. Für Letztere sorgt der M4. Grund und Ursache ist die Launch Control – die sogenannte. Denn auf dem winterkalten Untergrund hat das, was sie aus den 550 Nm macht, mit Kontrollieren herzlich wenig zu tun. Zwar lässt sich die Anfahrdrehzahl manuell einstellen, selbst niedrige Werte im Bereich von 2.000/min sind des Guten aber bereits zu viel. Das Bittere: Nach drei ungewollten Burn-outs hätten die Michelins an der Hinterachse endlich eine Erfolg versprechende Temperatur, dann jedoch verlangen die beiden Kupplungen nach einer Entspannungsrunde – währenddessen wiederum die Reifen auskühlen. Was für ein Teufelskreis!

Dank des breiteren Kraftrückens und des eklatanten Gewichtsvorteils turboboostet man dem RC F dennoch recht deutlich davon: Fünf Zehntel holt der M4 allein bis 100 km/h raus, 1,8 Sekunden sind es bei 200 km/h – und das, obwohl der M4 im Vergleich zum Supertest-Wagen (sport auto 7/2014) auf den letzten zwei Tausendern Richtung Drehzahlgipfel messbar durchhängt.

Doch auch der Lexus hält bei Weitem nicht alles, was er verspricht. Der Achtstufenautomat nennt sich etwas anmaßend Direct Shift, ist phasenweise aber eher das Gegenteil. Vor allem beim Cruisen kommt man sich im manuellen Modus wie in einer dieser Service- Hotlines vor: Moment, Sie werden gleich verbunden. Spaß beiseite: Auch wenn sich die Reaktionszeit mit steigenden Lastzuständen etwas rafft, trennen den Wandler Welten von der Explosivität des DKG im BMW, dem man die Gänge mit den Paddeln quasi direkt ins Ritzel watscht. Und auch für die "Slalom"- Option der elektronischen Hinterachssperre hätten die Japaner eine treffendere Bezeichnung finden können. Auf Landstraßen ist sie ein kesser Antörner fürs Einlenkverhalten, im tatsächlichen Slalom jedoch stiften die spitzen Kraftimpulse nichts als Unruhe im Heck.

Lexus RC F mit unpräziser Lenkung

Ernsthaft dynamisch wird es jedenfalls erst im Track-Programm: sowohl beim Twist um die Pylonen als auch – und das ist die angesprochene positive Überraschung – auf der Strecke. Nicht dass der RC F den M4 groß in Verlegenheit brächte, seinen plumpen Körperbau merkt man ihm dort aber nicht mehr an – eine sachgemäße Behandlung vorausgesetzt.

Soll heißen: Wer ihn brav nach Lehrbuch fährt, erst fertig bremst, dann Richtung Scheitelpunkt einbiegt, idealliniert noch recht unmotiviert herum. Der Trick: Man muss ihn – wie sagen unsere schnellen Männer so schön – "auf der Bremse holen", also noch während der Verzögerungsphase anpendeln und einlenken. Dann lässt der RC F so richtig die Sau raus und schmeißt sich Seitenfenster voraus ins Eck. Zwei Probleme gibt es dabei allerdings: erstens die weitläufig übersetzte Lenkung, an der man ordentlich kurbeln muss, wenn sich der Schlenzer versehentlich zum Drift ausbreitet.

Und zweitens die einsackende Karosserie, die beim Zurückfedern schon mal einen unschönen Haken in die Lenkbewegung schlägt. Moment! Es gibt noch ein Problem, ein drittes: So unterhaltsam dieses Fahren aus der Hüfte auch sein mag, Topzeiten entstehen so nicht. Zumindest nicht ausschließlich. Die Kunst ist es, die richtige Balance zu finden – die Balance aus sauber und versaut. Okay, das ist keine verblüffend neue Erkenntnis, nur ist der Grat beim Lexus so schmal, dass man zwischen Unter- und Übersteuern hin- und herzukippeln droht. Im Klartext: Die optimale Runde ist Sisyphusarbeit.

M4 mit kontrolliertem Drift

Der M4 macht es sich da einfacher. Er sieht Untersteuern von Haus aus erst gar nicht vor, swingt stattdessen permanent sein Hinterteil: vor Kurven, wo ihm das aktive Sperrdifferenzial einen Stups in selbiges verpasst, in Kurven, in denen er infolgedessen leicht angewinkelt durch den Scheitelpunkt senst, und nach Kurven, wenn die Hinterachse auf der Ladedruckwelle über den Außencurb surft. Überspitzt formuliert: Die Lenkung gibt nur die grobe Richtung vor, gelenkt wird übers Gaspedal.

Besonders beeindruckend, wie kontrollierbar er dabei bleibt. Ganz gleich, ob im Powerslide ausgangs der Sachskurve oder beim schnellen Umsetzen im dritten Gang – die Drifts lassen sich beliebig ziehen oder sofort in geordnete Bahnen lenken, falls man es dann doch mal übertreibt. Spaß ohne Reue also, der sich in Ansätzen sogar im restschutzversicherten M-Dynamikmodus des ESP erleben lässt. Mal ganz unter uns: Wir mussten uns am Testtag echt zusammenreißen, sonst hätten wir die Heckgummis wahrscheinlich bis zum Vollslick runterradiert.

Lexus RC F mit Maximaldrehmoment erst ab 4.800/min

Den Unterschied zum RC F, der in Sekunden am Ende vielleicht ein bisschen größer ist als im Unterhaltungswert, macht aber nicht nur das Handling. Über seine steifere Fahrwerksauslegung und die zackigere, im Sport-Plus- Modus nach wie vor zu zähe Lenkung legt der BMW zwar den Grundstein für den Sieg. Dessen Klarheit jedoch holt er in erster Linie mit seinem Turbomotor heraus.

Das Totschlagargument für den Sauger gleich zur Auferstehung? Mitnichten! Denn die Ohnmacht des Lexus-V8 liegt weniger an ihm selbst, sondern daran, dass sich seine konzeptbedingten Nachteile durch die äußerst ungünstigen Rahmenbedingungen noch mal potenzieren. Konkret: Das enorme Gewicht des RC F lastet wie Blei auf der Drehfreude.

Und gerade die ist das Lebenselixier eines Motors, der für sein Maximalmoment erst bis 4.800/min klettern muss. Dabei hätte der RC F durchaus die Anlagen für ein Performance- Coupé – sogar für eines, das sich gewaschen hat. In der Rundenzeit hängt er nur zwei Zehntel hinter dem Audi RS 5. Trotz Traktionsnachteil, trotz des zahmeren Getriebes und trotz gut 70 Kilo Mehrgewicht.

Unser Appell deshalb: Setzt den RC F auf Diät. Raus mit den opulenten Sitzen, raus mit der üppigen Dämmung, raus mit dem 90er-Jahre-Infotainment und runter mit den klobigen Rädern. Das sagt sich leicht? Stimmt! Aber wie der Saugmotor ja bereits bewiesen hat: Man kann, wenn man nur will.

Unter den Saugern ist der RC F vorn dabei

Obwohl der Lexus die Rundenzeiten von RS 5 und C 63 nicht ganz erreicht, hält er nach Punkten mit. Gegenüber dem 450 PS starken Audi herrscht Gleichstand, der Mercedes mit 487 PS liegt wegen der schlechteren Bremswerte im Test sogar einen Punkt zurück. Der Haken: Beide Sauger werden oder sind Auslaufmodelle. Bei AMG steht die neue Biturbo-Generation unmittelbar bevor, Audi zieht 2016 ebenfalls mit zwei Ladern nach.

Technische Daten
Lexus RC F AdvantageBMW M4 Coupé M4
Grundpreis85.400 €76.400 €
Außenmaße4705 x 1845 x 1390 mm4671 x 1870 x 1383 mm
Kofferraumvolumen366 l445 l
Hubraum / Motor4969 cm³ / 8-Zylinder2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung351 kW / 477 PS bei 7100 U/min317 kW / 431 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit270 km/h250 km/h
0-100 km/h4,8 s4,3 s
Verbrauch10,8 l/100 km8,3 l/100 km
Testverbrauch11,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten