Mercedes Sprinter 316 CDI 4x4 im Fahrbericht
Offroad-Daimler in XXL

Möbeltransport auf Island, Kurierdienst in der Mongolei? Der Allrad-Sprinter macht das. Einzeltest des Großraum-Grobis.

Mercedes Sprinter 316 CDI 4x4 Test
Foto: Torsten Seibt

Die Suche nach Großraum-Geräten, die sich auch abseits befestigter Wege behaupten, führte früher meist zwangsläufig zu Spezialisten wie Iglhaut oder Seikel. Doch seit einiger Zeit wollen auch die Hersteller selbst in diesem Segment mitverdienen. Letzter Neuzugang ist der seit 2011 verfügbare Allrad-Sprinter, der sich regulär beim Vertragshändler bestellen lässt. Wir baten den Allrad-Sprinter in der gängigsten Version zum Test, als Hochdach-Kastenwagen mit dem stärksten Vierzylinder-Diesel, der 163 PS und 360 Newtonmeter aktiviert.

Unsere Highlights

Mercedes Sprinter 4x4 in unzähligen Kombinationen

Mercedes setzt beim Sprinter-Allradantrieb auf ein relativ unkonventionelles System: der Allrad ist zwar über einen Taster zuschalt-, dann aber als permanenter Allrad nutzbar. Die Kraftverteilung übernimmt ein offenes Verteilergetriebe im Verhältnis 35:65 vorne/hinten, manuelle Sperren gibt es nicht. Bei durchdrehenden Rädern muss die Traktionskontrolle ran. Für gröbere Gegenden gibt es noch eine zuschaltbare Untersetzung, die mit dem Faktor 1,4:1 jedoch nicht all zu dramatisch ausfällt.

Ziemlich gewaltig ist dagegen die Höherlegung des 4x4-Kastens: vorne wird er gegenüber der Serie um 12, hinten immerhin noch um acht Zentimeter geliftet. Die Bodenfreiheit wird damit geländetauglich, sie liegt unter den Achsen bei 225 Millimeter. Durch die Höherlegung gibt es nicht nur mehr Freigang für die Reifen, auch die Werte für Böschungs- und Rampenwinkel verbessern sich deutlich.

Allrad nicht für alle

Obwohl der Allradantrieb nicht für alle Mercedes Sprinter-Versionen verfügbar ist, gestaltet sich bereits die Wahl des Basisfahrzeugs zu einem munteren Hürdenlauf, für den man sich eine Weile einplanen darf. Schier unzählige Varianten aus Motorisierungen, Aufbauten, Radständen und Ausstattungsversionen lassen sich kombinieren. Ein billiges Vergnügen ist es in keinem Fall: Bereits für das Basisauto des Testwagens, den mittellangen Hochdach-Kasten, werden 42.268 Euro fällig. Der Allradantrieb mit Getriebeuntersetzung schlägt nochmals mit 10.306 Euro zu Buche, an weiteren ansehnlich bepreisten Extras herrscht ebenfalls kein Mangel.

Beeindruckend ist bereits der Arbeitsantritt im Allrad-Sprinter. Weit hinauf geht es in den zweiten Stock mit Hochsitzcharakter, aus der Seitenscheibe kann man so manchem 40-Tonner in die Kabine gucken. Der Begriff von der hohen Sitzposition bekommt im Mercedes Sprinter 4x4 jedenfalls herrschaftliche Dimension.

Schickes Cockpit im Mercedes Sprinter 4x4

Das Cockpit ist zwar unter reichlichem Gebrauch von Kunststoff zweckmäßig gestaltet, hat aber dennoch wohnlichen Charakter. Transporter von heute sehen innen nicht mehr nach altem Traktor aus, da macht der Sprinter keine Ausnahme. Alles, was es zu bedienen gibt, ist griffgünstig platziert. Die Trennwand zum Laderaum macht den Fahrgastbereich leiser als beim offenen Kasten, zudem lässt er sich effektiver klimatisieren. Echt Profi: eine große Zahl an teils riesigen Ablagefächern wartet im Cockpit. Unverständlich dagegen, dass nur eine einzige Steckdose für 12-Volt-Geräte zur Verfügung steht.

Die Allzweckwaffe OM 651, derzeit in nahezu jedem Mercedes Pkw beheimatet, ist auch im Sprinter eine gute Wahl, sofern man die Ausführung mit 163 PS wählt. Dann stehen 360 Newtonmeter bereit, um den hochbeinigen Großraumkasten durch den Wind zu schieben. Das erledigt der Vierzylinder mit bemerkenswerter Gelassenheit und vergleichsweise verhaltenem Durst, im Test-Durchschnitt ließ es der Riesenkasten bei 10,5 Liter Diesel bewenden. Auf Langstrecken macht der Sprinter seinem Namen alle Ehre, wenn er mit Tacho 150 davon saust. Damit solche Eiltransporte auf der sicheren Seite bleiben, hat Mercedes das ESP sehr aufwändig an das Arbeitsumfeld des Kastenwagens abgestimmt und auch verschiedene Beladungszustände in die Regelstrategie eingebunden.
Das Fahrgefühl im zweiten Stock ist truckermäßig, der Überblick grandios.

Im Gelände ist die Sitzposition allerdings zumindest gewöhnungsbedürftig. Schräglagen werden viel dramatischer wahrgenommen, der Riesen-Radstand macht dem Kastenwagen an Kuppen zu schaffen. Geht es jedoch um reine Traktion, ist man mit dem Allrad-Sprinter erstaunlich gut dabei. Wühlen kann er, tatkräftig unterstützt von der elektronischen Traktionskontrolle, die relativ sensibel arbeitet. Vor losem oder schlammigen Untergrund muss man sich also nicht fürchten; für enge Wälder und schräge Felsklettereien gibt es jedoch erheblich bessere Fahrzeuge.

Fazit

Anwendungsgebiete für den Mercedes Sprinter 4x4 gibt es so viele wie Karosserie- und Ausstattungsvarianten – ob für den Wohnmobilausbau oder als Allwetter-Spediteur zu abgelegenen Gebieten. Mit echtem Permanent-Allrad, starkem Motor und vergleichsweise hohem Fahrkomfort ist der Großraum-Allradler voll alltagstauglich. Ein Wermutstropfen angesichts der soliden Leistung sind die Preise. Unter 55.000 Euro inklusive einiger sinnvoller Extras geht praktisch gar nichts.