Mini JCW GP im Supertest
Rekord! Und es ginge noch mehr

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Trotz hochsommerlicher Testbedingungen schnappt sich der Mini John Cooper Works GP locker den Kleinwagen-Rekord auf der Nordschleife. Was macht den 306 PS starken Fronttriebler-Helden so schnell?

Mini JCW GP, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Hatzenbach-Curb, ein Mini auf zwei Rädern, Staubwolke – mit ambitionierter Fahrweise erinnert der Mini John Cooper Works GP schon auf seinen ersten Nordschleifen-Metern an die guten alten Markenpokalzeiten, als sich bis zu 40 Renn-Mini Stoßstange an Stoßstange um Platzierungen in der Clubsport-Rennserie "Mini Challenge" gefetzt haben. Fehlt eigentlich nur noch der Champagner auf dem Siegertreppchen. Und den hätte sich das auf 3.000 Exemplare limitierte Sondermodell heute im Ziel echt verdient – mit einer Rundenzeit von 8.03,86 Minuten (aufgerundet 8.04 Minuten) kürt sich der GP zum schnellsten Kleinwagen aller Zeiten auf der Nordschleife. Gratulation!

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Der Weg von Mini hin zu diesem Nordschleifen-Rekord ist von Höhen, aber auch von Tiefen geprägt. Zeit für einen Rückblick im Supertest-Archiv. Der erste Mini durcheilte den Supertest im Jahr 2004. JCW war damals noch gar kein eigenständiges Modell, sondern höchstens den eingefleischten Mini-Sportfahrern bekannt. Für das sportlichste Modell Cooper S (interner Baureihen-Name R53) gab es beim BMW-/Mini-Händler ein John-Cooper-Works-Tuning-Kit – die Leistung des 1,6-Liter-Vierzylinder-Kompressors stieg damit von 163 auf 200 PS. Gewicht des Fronttrieblers mit manuellem Getriebe? 1.212 Kilo. Nordschleifen-Rundenzeit? 8.55 Minuten.

Der Weg zum Rekord am Ring

Mini JCW GP, NŸrburgring
Hans-Dieter Seufert
Schon Anfang 2019 bei ersten Testfahrten mit noch typischer Erlkönig-Tarnfleckbeklebung machte der noch unbekannte Mini mit Monster-Heckflügel auf sich aufmerksam, als er dauerhaft am Heck unseres getesteten VW Golf GTI TCR klebte.

2009 trat der erste vollwertige JCW im Supertest an. Baureihe R56. Schon damals eine Frontreißer-Legende, die mit ihrem puristischen Fahrverhalten (wilde Antriebseinflüsse in der Lenkung, knackiges Sportfahrwerk, agiles Heck) wie gemacht war für die Trackday- und Touristenfahrer-Szene. Leistung des handgeschalteten 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbos? 211 PS. Gewicht? 1.180 Kilo. Nordschleifen-Rundenzeit im Supertest? 8.35 Minuten.

2015 dann das Jahr der Ernüchterung aus Sportfahrersicht. Der JCW der aktuellen F56-Baureihe war nicht wiederzuerkennen. Zwar trommelte sein Vierzylinder-Turbo mit mehr Hubraum (2,0 Liter) und mit mehr Leistung (231 PS), war mit 1.294 kg aber unfassbare 114 kg schwerer als der R56-Vorgänger. Wuchtigere Karosse, Automatikgetriebe, weiche Fahrwerkabstimmung – kurz: kein Mini mehr für die Rennstrecke. Die Nordschleifen-Rundenzeit stagnierte bei 8.35 Minuten. Querdynamischer Fortschritt? 0,0 Prozent!

2017 erhielt der F56-Mini-JCW dann eine zweite Supertest-Chance. Als Mini JCW Pro trat er nun mit umfangreichem Werkszubehör an. Pro-Klappenschalldämpfer, Pro-Aerodynamikkomponenten, einige Carbon-Teile und – das Wichtigste aus querdynamischer Sicht – mit einem Pro-Sportfahrwerk. Dahinter versteckte sich ein höhenverstellbares KW-Gewindefahrwerk. Mit strafferer Fahrwerkabstimmung fuhr der JCW plötzlich wieder agiler und war zudem mit Handschalter wieder etwas leichter: 1.282 Kilo. Seine Nordschleifen-Rundenzeit? 8.28 Minuten.

Trotz des "Aufbäumens" hatte ich den Glauben an die Marke Mini aus sportlicher Sicht fast verloren. Eine Nordschleifen-Begegnung der besonderen Art ließ mich wieder hoffen. Anfang 2019 fuhr ich im Industriepool auf der Nordschleife Aufwärmrunden für den Supertest des VW Golf GTI TCR. Auf einmal klebte dieser Hardcore-Mini hinter mir – damals natürlich noch unbekannt und getarnt mit typischer Erlkönig-Tarnfleckbeklebung.

Mini JCW GP, NŸrburgring
Hans-Dieter Seufert
Für den GP wurde die Motor- und Getriebelagerung straffer ausgelegt. Fahrwerksseitig modifizierten die Mini-Entwickler sämtliche Komponenten wie Federn, Dämpfer und Stabis.

Kesselchen, Hohe Acht, Brünnchen, Schwalbenschwanz – irgendwann stand ich beim GTI TCR im Bodenblech, aber der Mini mit dem Monster-Heckflügel hing wie eine Klette am Golf-Heck und ließ sich nicht abschütteln. Alter Schwede, was muss das für ein Gerät hinter mir sein?, dachte ich, während der Mini-Testfahrer in der Boxengasse zum Abschied rief: "Du kannst dich freuen, wenn der in den Supertest kommt."

Und jetzt ist er im Supertest – der Mini John Cooper Works GP. Agil, präzise und auch ein bisschen anachronistisch tritt der Rennwürfel auf. Chapeau an die Mini-Entwickler, dass sie so ein wildes Konzept in den heutigen Zeiten durchgeboxt haben. Der komfortable Lifestyle-Mini der F56-Baureihe ist plötzlich nicht mehr wiederzuerkennen. Der GP reagiert auf Lenkbefehle deutlich präziser als alle seine Mini-Verwandten. Besonders beim Überfahren von Curbs demonstriert der Extrem-JCW, wie stark er durch modellspezifische Modifikationen an Steifigkeit gewonnen hat.

Für den GP wurde die Motor- und Getriebelagerung straffer ausgelegt. Fahrwerksseitig modifizierten die Mini-Entwickler sämtliche Komponenten wie Federn, Dämpfer und Stabis. Im Vergleich zum normalen JCW liegt der GP zehn Millimeter tiefer. Neu konzipierte Schwenklager ermöglichen nun höhere Negativsturzwerte an den Vorderrädern.

Zur gesteigerten Präzision tragen auch steifere Gummilager in den Stützlagern der Vorder- und Hinterachse bei. Die Querlenker an der Hinterachse sind außen mit spielfreien Metall-Kugelhülsengelenken anstelle von Gummilagern und innen mit steiferen Gummilagern ausgestattet. Weitere Maßnahme zur Steigerung der Steifigkeit: eine Domstrebe im Motorraum, die direkt mit den Stützlagern der Vorderachse verschraubt ist.

Richtig Druck unter der Haube

Mini JCW GP, Motor
Hans-Dieter Seufert
Der turbogedopte Zweiliter-Vierzylinder leistet im GP wahnsinnige 306 PS und 450 Nm Drehmoment. Maßnahme zur Steigerung der Steifigkeit: eine Domstrebe im Motorraum, die direkt mit den Stützlagern der Vorderachse verschraubt ist.

Nicht nur die umfangreichen Fahrwerksänderungen steigern das mechanische Gripniveau, sondern auch die gripfreudigen Hankook-Semi­slicks vom Typ Ventus TD. Die mit größeren Bremsscheiben ausgestattete Sportbremsanlage punktet währenddessen mit Standfestigkeit auf der Schleife. Die Kombination von Semi­slicks und Sportbremse verbessert zwar die Verzögerung, an die sehr guten Bremswerte des R56-GP-Vorgängers mit Kumho Ecsta V700 (100–0 km/h: 32,3, sport auto 8/2013) kommt der aktuelle GP aber nicht heran.

Hierfür ist jedoch weder das Gripverhalten der Hankook-Semislicks noch die Dimensionierung der Bremsanlage verantwortlich, sondern die ABS-Abstimmung. Beim Anbremsen an den für späte Bremspunkte bekannten Nordschleifen-Passagen arbeitet die ABS-Regelelektronik mit leicht unharmonischen Impulsen.

Dass dieser Mini mal richtig Druck unter der Haube hat, zeigt er logischerweise in den Highspeed-Passagen der Nordschleife. Uhrenvergleich mit dem 231 PS starken JCW Pro. Anfahrt Schwedenkreuz: Pro 226 km/h, GP 243 km/h. Kesselchen: Pro 196 km/h, GP 218 km/h. Döttinger Höhe: Pro 225 km/h, GP 244 km/h.

Da die aktuellen Mini-Modelle auf der von BMW entwickelten UKL-Plattform (UKL1 und UKL2) basieren, war es naheliegend, dem JCW GP das von BMW entwickelte Vierzylinder-Turbo-Herz mit 306 PS zu verpflanzen. Seinen Dienst verrichtet das intern B48A20T1 genannte Aggregat bereits in den BMW-Modellen M135i, M235i und X2 M35i (Baureihen F40/F44/F39) sowie in den Mini-Versionen JCW Clubman (F54) und JCW Coun­tryman (F60). Novum beim GP: Hier treibt das heiße Triebwerk nur die Vorderräder an und überträgt seine Kraft nicht wie bei den zuvor genannten Fahrzeugen per Allradantrieb.

Viel interessanter als die von Mini hervorgehobenen Details, wie die "modellspezifische Motorölwanne mit erhöhtem Volumen und eigenständiger Geometrie" oder das speziell für den JCW GP entwickelte Kühlkonzept von Motor und Getriebe, ist die bissige Traktion, mit der sich der GP in den Asphalt krallt.

Mini JCW GP, NŸrburgring
Hans-Dieter Seufert
Untersteuern? Verkneift sich der GP dank der mechanischen Differenzialsperre, die im Achtgang-Automatikgetriebe integriert ist, weitgehend.

Dank der mechanischen Differenzialsperre, die im Achtgang-Automatikgetriebe integriert ist, muss man auch an den schlupfverdächtigen Nordschleifen-Stellen (z. B. Ex-Mühle) beim Herausbeschleunigen keine wild durchdrehenden Räder fürchten. Untersteuern? Verkneift sich der GP weitgehend. Gewiss, mit Übermotivation am Fahrpedal zwingt man auch ihn ins Schieben. Im Vergleich zum "normalen" JCW muss das Lenkrad aber jederzeit mit beiden Händen festgehalten werden. Antriebseinflüsse in der Lenkung sind sowohl auf der Nordschleife als auch im Alltag präsent.

Nicht nur beim Beschleunigen ist Geradeauslauf eher ein Fremdwort für den GP. Seine Kurvengier und das hohe Maß an Agilitätswille erfordert auf der Nordschleife besonders in schnellen Kurven, aber auch im Alltag in fixen Autobahnkurven eine gewisse Eingewöhnungsphase. Wenn man das Lenkrad kurz loslässt, lenkt der JCW GP gefühlt von selbst ein und schnüffelt auch den kleinsten Fahrbahnverwerfungen hinterher. Zackige Lenkimpulse oder abrupte Lastwechsel sollte man wegen des "lose" agierenden Hecks mit Bedacht einstreuen. Auch beim harten Anbremsen aus hohem Tempo tanzt der Mini-Hintern und erfordert leichte Lenkkorrekturen.

Konsequenter wäre aus Gewichtsgründen ein manuelles Schaltgetriebe gewesen. Das hätte aber die Entwicklungskosten gesprengt, da der 306-PS-Vierzylinder im BMW-Mini-Baukasten ausschließlich mit Automatik verfügbar ist. Verglichen mit anderen Getrieben arbeitet die Automatik nicht besonders sportiv.

Keine Klimaanlage, Alu-Querstrebe statt Rücksitzbank, aber Automatikgetriebe – so ein bisschen fühlt es sich an, wie wenn man im Fitnessstudio auf der Hantelbank säße und dabei Käsesahnetorte äße. Der GP hat puristische Anleihen, ein echter Purist ist er aber nicht mehr. Mit 1.278 Kilo ist er 91 Kilo schwerer als erwähnter R56-GP.

Jammern auf hohem Niveau: Freuen wir uns lieber alle gemeinsam, wenn es solche Sondermodelle in der heutigen Zeit noch zur Serienreife schaffen!

Fazit

58 Punktemaximal 100 Punkte

Mit einem Kleinwagen auf der Nordschleife an die 8-Minuten-Marke ranzufahren, ist schon irgendwie verrückt. Auch wenn sich der Mini JCW GP im Supertest locker den Kleinwagen-Rekord am Ring schnappt, könnte er sicherlich noch schneller. Nicht nur die hochsommerlichen Testbedingungen, sondern auch die bei der Testwagenvorbereitung äußerst zahm eingestellte Achsgeometrie verhinderte einen noch schnelleren Nordschleifen-Ritt des Rennzwergs.

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Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

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