Opel Astra 1.6 Turbo
Der VW Golf Konkurrent im Top Test

Für den Opel Astra ist es ungeliebte Tradition, dem Golf von VW hinterherzuhecheln. Aber auch mit dem Merkmal des ewigen Zweiten kann ein Auto zu einem überzeugenden Angebot werden. Opel hat dafür alle Register gezogen.

Opel Astra 1.6 Turbo
Foto: Hans-Dieter Seufert

Opels Jüngster, der Astra, erfordert höchste Konzentration. Zumindest wenn man ihm, wie das bei auto motor und sport üblich ist, einen fairen Testbericht zukommen lassen will. Denn beim Wort Opel schweifen die Gedanken flink zu politischen und wirtschaftlichen Tatbeständen, die mit der Qualität des Autos nichts zu tun haben. Und die morgen schon wieder überholt sein können. Zur Sache also.

Der Opel Astra ist stylisher als der VW Golf

An seinem Erscheinungsbild wird er nicht scheitern, der Opel Astra. Das Glück, mit der immer gleichen Grundform die Charts zu stürmen wie der VW Golf, hat man bei Opel nicht. Was auf der anderen Seite größere Freiheiten beim Design erlaubt. Der Opel Astra präsentiert sich deshalb eindeutig stylisher als die Nummer eins der Klasse, modern in einer Art und Weise, wie sie in unserer Zeit gerade gängig ist. Das bedeutet eine riesige, weit nach vorn gezogene Windschutzscheibe, die ohne nennenswerten Winkel in die stark abfallende Motorhaube übergeht. Da steckt, wie es auch die kleinen Fensterchen hinter den A-Säulen zeigen, eine Portion Van drin.

Opel Astra mit sehr guten Bremswerten

Bei den Bremstests erzielt der Opel Astra ausgezeichnete Werte. Was dynamisch und strömungsgünstig wirkt, hat in der Praxis freilich auch Nachteile. Wer im Opel Astra Platz nimmt, sieht gleich, dass er nichts sieht. Die vorderen Begrenzungen der Karosserie sind selbst bei nachdrücklich gerecktem Hals nicht zu erkennen. Auf freier Strecke spielt das keine Rolle, das wird jeder Führer eines Intercity-Express bestätigen. Aber in engen City-Situationen fragt man sich doch, warum das Diktat des Designs bei einem Allerwelts-Auto so dominierend sein muss. Zumal auf der gegenüberliegenden Seite das coupéartige Heck nicht viel mehr als einen Sehschlitz übrig lässt, den die drei Fondkopfstützen noch zum größten Teil verdecken.

Der Opel Astra liegt größenmäßig nah am BMW 3er

Die unzureichenden Sichtverhältnisse fallen umso mehr ins Gewicht, als der Opel Astra (der Opel Astra im Fahrbericht ) mit seinen üppigen Abmessungen den in der Kompaktklasse üblichen Rahmen nachhaltig sprengt. Mit 4,42 Meter Länge liegt der Opel Astra näher am BMW 3er als am VW Golf (4,53 beziehungsweise 4,20 Meter). Das Wachstum gegenüber dem Vorgänger teilt sich den vorn sitzenden Passagieren in einem luftigen Raumgefühl mit. Wer hinten Platz nehmen muss, hat allerdings nicht viel davon. Immerhin ist die Kopffreiheit trotz der abfallenden Dachpartie gut, die für den Sitzkomfort entscheidende Beinfreiheit dagegen eher bescheiden. Die harte Sitzbank trägt mit zu dem Eindruck bei, dass man als Fondinsasse eine zweitklassige Karte gezogen hat. Auf den Sportsitzen des Testwagens sitzt man dafür vorne ausgezeichnet, wenn man mit der umständlichen Hebelverstellung die richtige Position gefunden hat.

Das Opel Astra-Armaturenbrett ist gut gelungen

Damit hebt sich die Laune, ebenso wie durch den Anblick des Armaturenbretts. Der klassische GM-Stil, bei dem das Rechteck zur Kunstform erhoben wurde, ist gottlob passé. Das Cockpit wirkt modern und ansprechend, dank der Qualität von Material und Verarbeitung auch zeitgemäß hochwertig. Die Vielknopf-Bedienung, die mit der Mittelkonsolen-Klaviatur zunächst Schlimmes befürchten lässt, erweist sich nach Gewöhnung als befriedigend beherrschbar. Die Instrumente bieten einen erfreulichen Anblick, und praktische Ablagen beweisen, dass man an den Menschen gedacht hat, der in dieser Umgebung einen beträchtlichen Teil seiner Daseinszeit verbringt.

Der Opel Astra hat ein neues Fahrwerk

Dass dies auf möglichst angenehme Weise geschieht, liegt auch am neuen Opel Astra-Fahrwerk. Den Schritt von der klassischen Verbundlenker-Hinterachse zur unabhängigen Aufhängung mochten die GM-Centfuchser nicht gehen. Das starre Verbindungselement zwischen den Hinterrädern hat mit seiner Spur- und Sturzkonstanz ja durchaus Vorteile. Ihm seitwärts gerichtete Bewegungen abzugewöhnen, obliegt nun einem so genannten Wattgestänge. Das Prinzip ist dem Erfinder der wirtschaftlich nutzbaren Dampfmaschine (James Watt, 1736-1819) eingefallen, also nicht wirklich neu. In der Vergangenheit haben es Hersteller wie Alfa Romeo und Rover genutzt, um angetriebenen Starrachsen Manieren beizubringen. Seine Aufgabe, für eine exakte Radbewegung - sprich geradlinig in vertikaler Richtung - beim Einfedern zu sorgen, erfüllt die Wattkonstruktion jetzt erstmals bei einer antriebslosen Verbundlenkerachse wie im Opel Astra. Und zwar überzeugend.

Der Opel Astra liegt wie ein Brett

Moderne Fronttriebler zeichnen sich zwar alle durch unproblematische Fahreigenschaften aus, aber der Opel Astra liegt tatsächlich wie das sprichwörtliche Brett. Geringe Karosserieneigung und nahezu neutrales Eigenlenkverhalten verbinden sich zu einem Höchstmaß an Fahrsicherheit. Da bedarf es schon eines heftigen Fahrfehlers oder respektablen Übermuts, um ihn soweit zu bringen, dass das weich und exakt eingreifende ESP den Eskapaden ein Ende macht. Die sauber ansprechende Lenkung ergänzt die guten Fahrwerkseigenschaften. Sie macht den Opel Astra sehr handlich und verstärkt damit den Fahrspaß, den dieses Auto bieten kann. Einfach dadurch, dass es so leichtfüßig und berechenbar wirkt, auch im Normalfahrer-Bereich, der meilenweit entfernt ist von den Extrembedingungen der Fahrtests. Es ist, auch bei vergleichsweise einfacher Fahrwerkstechnik, keine Kunst, gut liegende Autos zu bauen. Der Kniff besteht darin, den Komfort nicht zu vernachlässigen.

Mit dem Flex-Ride-System gibt es drei Fahr-Modi

Beim Opel Astra sorgt wiederum Watt dafür, dass die Radführung nicht zu harter Federung zwingt. Pressetexte sprechen gern davon, dass Maßstäbe gesetzt werden. Aber die braucht man nicht zu setzen, weil sie es bereits sind. Was das Schluckvermögen seiner Federung angeht, darf der Opel Astra allfälligen Vergleichen jedenfalls ruhig ins Auge schauen. Er belästigt seine Insassen unter keinen Umständen, rollt ruhig ab und verdaut Unebenheiten so, dass sie nicht zu unangenehmen Bewegungen der Karosserie führen. Wer Aufpreis zahlt, bekommt das so genannte Flex-Ride-System. Es reguliert die Stoßdämpferhärte, wobei der Fahrer noch zwischen den Modi Sport, Normal und Komfort wählen kann. Die Unterschiede sind gerade so groß, dass man merkt, wofür man Geld ausgegeben hat. Sport ist nicht knüppelhart, Komfort nicht wiegend weich - die Auswahl bleibt damit Geschmacksache. Der Tester neigt zur Komfort-Taste, auch weil damit die Servounterstützung der Lenkung etwas stärker wird - sehr angenehm im Stadtverkehr. Sport auf der anderen Seite lässt den Motor bissiger ansprechen, was kein Fehler ist. Denn der stärkste lieferbare Benziner im Testwagen ist keine Sportskanone.

Opel Astra mit zu hohem Verbrauch

Seine Nennleistung von 180 PS mag man zunächst kaum glauben. Was auch daran liegt, dass wir dank Turbodieseln so drehmomentverwöhnt sind. Und mit denen kann der 1,6-Liter-Otto trotz Turboaufladung nicht mithalten. Ungeachtet seiner hohen Literleistung bleibt er ein kreuzbraver Vierzylinder, unten herum kultiviert, bei hohen Drehzahlen brummig. Und nicht so sparsam, wie man sich das wünschen würde. Nur auf der extrem ökonomisch gefahrenen Verbrauchsrunde gelingt es, den ECE-Drittelmix-Verbrauch zu realisieren. In der Praxis schluckt der Opel Astra deutlich mehr - Testverbrauch 9,1 Liter/100 km. Der 1,6-Liter-Turbo ist also sicher nicht erste Wahl unter den derzeit erhältlichen neun Opel Astra-Triebwerken. Aber er liefert einen der gewichtigsten Gründe, weshalb es im Test nicht zu einer Bestwertung reicht.

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Da die einzelnen Tasten aber ausreichend groß und zudem klar gekennzeichnet sind, stellt die korrekte Bedienung schon nach kurzer Zeit kein Problem mehr dar.

Opel Astra mit ungenügender Bedienungs-Perfektion

Positiv zu vermerken sind überdies die klare Bildschirmgrafik des optionalen Navigationssystems sowie die generell sehr geringen Bedienungskräfte. Der zentrale Dreh-Drück-Steller ist hingegen gewöhnungsbedürftig. Wer zum Bestätigen draufdrückt, hat es schon falsch gemacht. Drücken lässt sich nämlich nicht der ganze Knopf, sondern nur der schmale Chromrand drum herum. Man braucht zwei Finger zur Benutzung. Die im Enter-Knopf integrierte Vierwege-Wippe dient lediglich der Steuerung seltener gebrauchter Nebenfunktionen.

Dass bei der Gestaltung praktische Erfordernisse durchaus eine Rolle spielten, beweisen lieferbare Aux und USB-Anschlüsse, mit denen man Zugang zu den auf dem iPhone gespeicherten Daten hat. Auf Anhieb verständlich präsentieren sich die Tasten im Lenkrad, mit denen sich unter anderem der serienmäßige Tempomat, die Radiolautstärke und das Telefon steuern lassen. Trotzdem: Bei einem ganz neuen Auto darf man mehr Bedienungs- Perfektion erwarten.

Diese Version hat zwar hinter dem Renault Mégane den niedrigsten Grundpreis, doch im Gegenzug verfügen die hier verglichenen Rivalen über eine bessere Ausstattung.

Opel Astra hat drei Prozent mehr Wertverlust als der VW Golf

Auch bei der Finanzierung schneidet der Opel Astra aufgrund des niedrigen Basispreises gut ab, wie sich am Beispiel des klassischen Ratenkredits über die Herstellerbanken zeigt. Bei einer Anzahlung von 20 Prozent und 36 Monaten Laufzeit hält nur das Darlehen für den Mégane mit. Bei den Betriebskosten ist der Opel Astra konkurrenzfähig, bei der Kfz-Steuer belegt er sogar einen der vorderen Plätze.

Doch vor allem bei den Ausgaben für die Versicherung spart der Kunde viel Geld. Bis zu 25 Prozent beträgt die Differenz. Da fällt unterm Strich kaum ins Gewicht, dass der Opel Astra beim Thema Wertverlust in 36 Monaten rund drei Prozent mehr verliert als der Marktprimus VW Golf. Selbst in Verbindung mit den höchsten Wartungskosten in diesem Vergleich bleibt der neue Kompaktwagen beim Unterhalt an der Spitze. Alles in allem geben die Kunden für den Opel Astra mit dem 115-PSMotor gegenüber den Mitbewerbern bis zu elf Prozent weniger im Monat aus.

Das Diktat der Designer bringt allerdings funktionale Mängel mit sich. Allen voran die unbefriedigende Übersichtlichkeit der Karosserie, ein Merkmal, das der Opel Astra mit vielen seiner Konkurrenten in der Kompaktklasse gemeinsam hat.

Nur vorne bietet der Opel Astra mehr Platz

Eine Einparkhilfe steht auf der Optionsliste. Dass der gegenüber dem Vorgänger beträchtlich gewachsene Astra das in diesem Segment übliche Karosseriemaß klar sprengt, macht den Umgang in Stadtsituationen, bei denen es auf jeden Zentimeter ankommt, nicht leichter. Der Zuwachs an Karosserielänge hat nicht den erwarteten positiven Effekt auf das Raumangebot. Vorn gibt es reichlich Bewegungsfreiheit, aber im Fond bietet der Opel Astra nicht mehr als das Klassenübliche. Die Rücksitzbank ist für zwei Personen ausgelegt, in der Mitte gibt es nur eine hart gepolsterte Fläche, die einem dritten Passagier nur auf Kurzstrecken zugemutet werden kann.

Vor- und Nachteile
Karosserie
befriedigendes Platzangebot
gute Qualität von Material und Verarbeitung
schlechte Übersichtlichkeit
keine ebene Ladefläche möglich
Fahrkomfort
gut abgestimmte Federung
geringe Bedienungskräfte
wenig Abrollgeräusch
gute Klimatisierung
unbequeme Rücksitzbank
Antrieb
gute Fahrleistungen
gut abgestuftes, sehr leicht schaltbares Sechsganggetriebe
befriedigende Laufkultur
relativ hoher Verbrauch
nur durchschnittliche
Durchzugskraft
Fahreigenschaften
stabiler Geradeauslauf
sehr sicheres Kurvenverhalten
gut abgestimmtes ESP
gute Handlichkeit
leichtgängige und präzise Lenkung
Sicherheit
wirksame, standfeste Bremsen
gute Sicherheitsausstattung
Umwelt
schadstoffarm nach Euro 5
erhöhter CO2-Ausstoß
Kosten
attraktiver Anschaffungspreis
geringe Steuerbelastung
günstige Versicherungseinstufung
jährliche Wartung nötig
nur zwei Jahre Garantie

Fazit

Der Opel Astra bietet gute Vorraussetzungen für eine überzeugende Karriere in der Kompaktklasse. Das sehr gute Fahrwerk prägt das Bild, Mängel wie die schlechte Übersichtlichkeit und der Verbrauch trüben es.

Technische Daten
Opel Astra 1.6 Turbo ECOTEC Cosmo
Grundpreis23.950 €
Außenmaße4419 x 1814 x 1510 mm
Kofferraumvolumen370 bis 1235 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder
Leistung132 kW / 180 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit221 km/h
0-100 km/h8,6 s
Verbrauch6,8 l/100 km
Testverbrauch9,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten