Opel Corsa OPC und VW Polo GTI als Gebrauchte
„Pocket Rockets“ aus erster Hand im Check

Turbo-Boost, rund 200 PS, knapp 1,3 Tonnen Gewicht und nur vier Meter Länge – die wilden Kleinen von Opel und VW versprechen diebischen Fahrspaß.

Opel Corsa OPC, VW Polo GTI, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

PS-Maniacs kennen sie, die "hot hatches". So nennen die autoverrückten Engländer die heißen Kompaktwagen. Aber was ist denn eine Stufe weiter unten? Gibt es für die wilden Kleinwagen überhaupt einen ähnlich grif­figen Namen? Gute Frage. Nächste Frage: Soll man sich einen gebrauchten Polo GTI oder Corsa OPC unter den heimischen Carport stellen oder doch lieber einen "hot hatch"? Also beispielsweise einen Golf GTI oder Astra OPC? Denn wir reden hier ja nicht nur von einem PS-Defizit von 30 bis 70 PS, sondern auch von einem echten Klassenunterschied.

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Weniger Auto, mehr Spaß?

Hmm. Auch eine gute Frage. Na, dann liefern wir einfach mal ein paar Argumente für die wilden Kleinen: Weniger Auto heißt automatisch weniger Gewicht, weniger Geld, weniger Parkraum, aber vielleicht auch ein intensiveres Fahrerlebnis. Und wer gegen den Strom schwimmt, besitzt ein Auto, das eben nicht an jeder Ecke steht. Ein Blick auf den deutschen Gebrauchtwagenmarkt liefert den Beweis: Zum Zeitpunkt, als diese Zeilen getippt werden, warten nur rund 50 Opel Corsa OPC auf einen neuen Besitzer. Gute 200 sind es beim VW Polo GTI – gemeint sind jeweils die Baujahre 2015 bis 2018 (Corsa) sowie 2014 bis 2017 (Polo). Ein Blick auf den Golf GTI: knapp 1.000 Angebote.

Wir finden einen knallroten Polo und einen froschgrünen Corsa. Beide Autos in Stuttgart-Feuerbach, nur zehn Minuten voneinander entfernt. Wie praktisch. Praktisch auch die stabile Wettersituation mit sattblauem Himmel an diesem kalten Montag. Da grinst der Fotograf. Zunächst zum Polo: Verkaufsleiter Dominik Keller von Volkswagen Automobile Stuttgart zirkelt den roten Dreitürer aus dem Parkhaus, wo sich unzählige Autos von VW, Seat und Cupra stapeln. "Leasingrückläufer", so der sympathische VW-Mann über den 2016 zugelassenen GTI. Auf dem Preisschild steht: 68.185 Kilometer, erste Hand, 14.930 Euro. Der letzte Service war bei km-Stand 41.000. Bei der Ausstattung fehlen Navi und adaptives Fahrwerk.

VW Polo GTI, Exterieur
Rossen Gargolov
Probleme beim Polo V GTI: Die für ihren Ölverbrauch berüchtigten EA 888-Triebwerke und das anfällige das DSG-Getriebe, daher besser zur manuellen Variante greifen.

Drei von vier 17-Zöllern sind verkratzt, das Profil der Bridgestone-Pneus (DOT 0816) ist vorne nicht mehr üppig – Verhandlungsspielraum. Die vom Marder angefressene Dachantenne wird sicher noch vom Autohaus ersetzt, bevor der Polo den Besitzer wechselt. Innen entdeckt das wachsame Auge nicht nur Sportsitze im hübschen Karodesign, sondern auch eine angegriffene Sitzwange – wie mag die Stelle erst aussehen, wenn das Auto zehn Jahre alt ist? Hoffentlich nur ein Ausreißer, denn sonst überzeugt der Polo-Innenraum mit hoher Qualität. Wäre ein Golf GTI schon verkauft, Herr Keller? Er schmunzelt: "Nicht unbedingt. Auch wenn man dem Polo ein Hausfrauen-Image nachsagt, muss man wissen, dass ein Golf GTI rund 5.000 Euro mehr kostet." Besserer Werterhalt, das kann der Golf.

Raus aus der Stadt. Im Display poppt eine Fehlermeldung auf: "Dritte Bremsleuchte prüfen". Es gibt Schlimmeres. Runter von der Schnellstraße, wo eine winklige Berg-und-Tal-Bahn wartet. Unser im spanischen Pamplona gebauter Dreitürer lenkt zackig ein, folgt willig den Lenkimpulsen und bleibt lange neutral. Am Limit erntet man braves Untersteuern. Die 17-Zöller plumpsen regelrecht in Schlaglöcher, eine Eigenheit, die schon im Stadtverkehr unangenehm auffiel. Wir vermissen das adaptive Sport-Select-Fahrwerk.

Dafür flutscht der Schaltknubbel nur so durch die Gassen: knackig, kurz, präzise. Und das Herzstück? Der 1,8er-TFSI mit 192 PS drückt, dreht und arbeitet sehr gleichmäßig. Dominant sein Drehmoment von 320 Newtonmetern, da muss nicht oft geschaltet werden. Wer sich für einen GTI mit DSG entscheidet, bekommt nur 250 Nm serviert – mehr verträgt das Getriebe nicht. Polos Motorsound haut niemanden vom Hocker, das kann ein Golf GTI besser. Für diesen, aber leider nicht für den Polo, gibt es auch eine Fahrprofilauswahl.

Ein Blick auf die Daten: Trotz PS-Defizit war der Polo GTI in allen Belangen besser als der Corsa OPC – über eine Sekunde schneller auf dem Kleinen Kurs und sechs Zehntel beim Sprint auf Tempo 100, Respekt. Keineswegs verschwiegen werden darf eine Eigenheit des kleinen VW: Wer auf Bodenwellen im ABS-Regelbereich anbremst, dem kann es passieren, dass die Bremse aufmacht – und man kurz und heftig Adrenalin ausschüttet. Passierte uns auf der Rennstrecke häufiger, kann aber auch auf Landstraßen mit welligem Belag für Stress sorgen. Dieses Phänomen trat übrigens auch bei anderen Autos aus dem VW-Konzern auf. Wieso wir das erwähnen? Sagen Sie jetzt bitte nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt!

Weiter zum Corsa OPC: Beim Autozentrum Feuerbach in Stuttgart sticht zwischen dunkel lackierten Ford Focus, VW Tiguan und Volvo V60 ein grüner Corsa OPC hervor. Verkäufer Uwe Giess: "Der Corsa steht schon ein paar Monate. Klar, die Nachfrage im März ist immer mäßig, aber wegen Corona geht noch weniger als sonst." 2017 erstmals zugelassen und mit nur 37.000 Kilometern, ist der aus erster Hand stammende OPC praktisch im Jahreswagenzustand. Kein einziger Kratzer an den optionalen 18-Zöllern, die jedoch Winterreifen tragen. "Sommerreifen sind keine dabei", so Uwe Giess.

OPC-Motor mit zweitem Wind

Opel Corsa OPC, Exterieur
Rossen Gargolov
Probleme beim Corsa E OPC: Traggelenke an der Vorderachse, Elektronikproblemchen und die wenig robuste Schaltbox. Ansonsten ist der kleine Opel unauffällig.

Wir starten unsere flotte Testrunde mit dem 207-PS-Spaßmobil. Erste Erkenntnis: Das Fahrwerk-Set-up gibt sich harmonischer. Trotz größerer Räder kein Poltern und Stolpern auf Löchern und Gullideckeln. Die Schaltung wirkt exakt, operiert aber mit etwas längeren Wegen. Ergonomisch passt im Corsa alles, doch Opel-typisch kann die Wertigkeit des Interieurs nicht ganz mit der des Polo mithalten. Dafür wecken die Recaro-Sitze und der 1,6-Liter-Turbomotor mehr Begeisterung. Dass ihm 200 Kubik und 75 respektive 40 Newtonmeter (Overboost) auf den GTI fehlen, fällt nicht ins Gewicht. Subjektiv fühlt sich der OPC-Kraftwürfel mindestens genauso zupackend an. Und: Bei 5.000 Umdrehungen folgt ein zweiter Wind, das freut den Sportfahrer. Beim Motorsound könnte auch mehr gehen, hier hilft also nur der Griff zu einer Sportabgasanlage. Wer den Corsa richtig fliegen lässt, erntet am Limit die unvermeidliche Tendenz zum Untersteuern. Wirklich unvermeidlich? Trackday-Fans sollten nach Exemplaren mit dem Performance-Paket suchen. Größere Bremsen, 18-Zöller, ein strafferes Fahrwerk und vor allem eine mechanische Drexler-Sperre machen ihn zum König aller Kleinwagen. Untersteuern? Fehlanzeige! Im Supertest überraschte der OPC alle.

Bei aller Euphorie noch ein Blick auf Schwächen, Probleme und Ärger. Gebrauchtwagen-Käufer sollten beim Corsa E OPC laut Bahattin Yildirim, Inhaber des Autozentrums Feuerbach, "auf die Traggelenke an der Vorderachse achten. Außerdem kann die Elektronik Mucken machen." Getriebe und Motor wurden prinzipiell vom Vorgänger übernommen. Die Schaltbox gilt als nicht sonderlich robust, vor allem wenn man es mit dem Gängedurchreißen übertreibt. Ansonsten ist der kleine Opel unauffällig. Fahren und Spaß haben.

Zurück zum Polo: Der 192 PS starke Vierzylinder trägt die Kennziffer EA 888. Diese Motoren sind berüchtigt für ihren hohen Ölverbrauch, egal ob bei Audi, Seat, Skoda oder VW. Der Polo-Treibsatz ist davon jedoch nicht mehr betroffen. "Aufpassen sollte man bei getunten Exemplaren", so Turbo-Experte Marcel Brugger aus Füramoos. "Der Ladeluftkühler ist recht klein, mehr als 250 PS sind nicht gesund. Und die Wasserpumpe hält nicht besonders lange." Für Probleme ist auch das DSG-Getriebe bekannt, daher besser zur manuellen Variante greifen.

Opel Corsa OPC oder VW Polo GTI: Es muss kein "hot hatch" sein. Auch mit einer "pocket rocket", wie man in England sagt, gibt es eine Fahrspaß-Garantie. Die Taschenrakete also! Wie putzig!

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Fazit

Die beste Nachricht zum Schluss: Mit den wilden Opel und VW können selbst Pfennigfuchser ihren Spaß haben. Auch wenn es bei den laufenden Kosten Unterschiede gibt. Corsa-Chauffeure müssen mehr Budget für Spritverbrauch, Versicherung und Zahnriemenwechsel einkalkulieren, dafür bekommen Polo-Piloten für die meisten Ersatz- und Verschleißteile saftigere Rechnungen präsentiert. Beim Kauf profitieren VW-Fans von der größeren Auswahl. Die Marktpreise sind hier wie da attraktiv.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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