Vergleichstest Ora Funky Cat 400 vs. VW ID.3 Pro
Neuer E-Angriff auf den VW ID.3

Bei VW kennen sie sich bestens mit buckligen Käfern aus, doch jetzt müssen sie sich mit flippigen Katzen herumschlagen: Der Ora Funky Cat fordert den aufgefrischten ID.3 zum Duell. Vergleichstest der beiden Kompaktklasse-Elektroautos.

Ora Funky Cat, VW ID.3
Foto: Rossen Gargolow

Mitunter wären wir gern geheimnisvoller. Doch wenn wir in auto motor und sport eine Sache beschreiben – schwarz, rund, Rillenprofil, Loch in der Mitte, dreht sich im Kreis –, wissen Sie sofort, was wir meinen: die Vinyl-Schallplatte, für die wir zum 75. "Happy Birthday" von Stevie Wonder streamen. Die im Vergleich zu Schellack günstigere, robustere, langsamer abspielbare (mehr Speicherplatz) Vinylplatte entwickelt Peter Goldmark für CBS. Am 28. Juni 1948 bringt Columbia Records die Platte auf den Markt – mit dem, wer hätte es gedacht, Violinkonzert in e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Unsere Highlights

Nachdem die Platte viele angebliche Nachfolger – 8-Track, Kassette, CD, Minidisc – überlebt hat, dreht sie richtig auf. Mit 4,3 Millionen wurden 2022 in Deutschland zehnmal mehr Platten als E-Autos verkauft. Solch ein universell einsetzbarer Zahlenvergleich ermöglicht es nicht nur, sich in Talkshows als Klimaaktivist/Gesellschaftsphilosoph/Markus Söder wichtig zu machen. Wir starten damit auch in den Vergleich mit der Frage, ob der VW nach der Modellpflege den Dreh raushat oder der Ora die Zulassungscharts stürmen wird.

Sensibles Warnsystem

Ora Funky Cat
Rossen Gargolow
Die Kamera unten links an der A-Säule beäugt den Fahrer.

Ach, wie leicht war es in diesem analogen Früher, Eltern mit kleinen Ärgerspielchen auf Trab zu halten. Da genügte es, die Pumuckl-Schallplatte auf Papas Dual-Anlage zu legen und mit voller Lautstärke und 45 statt 33 Umdrehungen abzuspielen – das verschaffte den Höhen von Hans Clarins Stimme eine noch innigere Durchdringlichkeit und uns Mutters und Vaters sofortige Aufmerksamkeit.

Die Aufgabe der Aufmerksamkeitsgewinnung hat der Ora Funky Cat digitalisiert und an seine Assistenzabteilung delegiert. Denn noch während man damit beschäftigt ist, einen guten ersten Eindruck von dem Wagen zu bekommen – etwa durch die Eleganz des Einrichtungsstils oder die oberflächliche Sorgfalt der Verarbeitung –, kreischt schon der Kollisionswarner auf, schlägt eine Tempowarnung an oder entweicht dem System ein Warnton, von dem nicht erklärt wird, wovor genau ihm zu warnen zumute sein könnte. Also schalten wir an Gebimmel ab, was geht, wobei sich das meiste beim nächsten Start wieder aktiviert, und schauen uns den Ora mal ungestört an, auch weil er ein bisschen Mini ist.

Was man auf Designdetails draußen oder die Kippschalterleiste drinnen beziehen könnte, doch es steckt mehr dahinter: BMW lässt die Elektro-Version des nächsten Mini bei Great Wall in China bauen, nutzt aber die kompaktere A01-Plattform, nicht die L.E.M.O.N.-Architektur des Funky Cat. Der wiederum reckt sich mit 4,24 Metern in die Kompaktklasse. Trotz des zwölf Zentimeter knapperen Radstands beherbergt er vier Erwachsene in einer Weiträumigkeit, die jener des ID.3 ähnelt. Dass es trotz des vielen Platzes so richtig bequem nicht wird im Ora, liegt an den haltschwachen und kurzflächigen Sitzen vorn und der dürr gepolsterten, steillehnigen Bank im Fond. Die Raumfülle geht dem Ora schließlich beim Kofferabteil aus. Schon ein engagierterer Wochenendeinkauf braucht die 228 l Standardvolumen auf. Zudem ist der Kofferraum ungeschickt geschnitten – breit, aber kurz, dazu mit hoher Außen- und tiefer Innenkante.

Lahm an der Ladesäule

Ora Funky Cat
Rossen Gargolow
Die Schnellladeleistung im Ora ist konstant, aber konstant niedrig.

Intensive Reisetätigkeit erschweren neben dem knappen Gepäckvolumen auch die geringe Reichweite und das trödelige Schnellladen. Ora gibt die maximale Aufnahmeleistung an CCS-Ladern mit 67 kW an. Im Test gipfelt sie bei 69. Doch dauert es 53 min, bis der Funky Cat wieder auf dem Sprung für die nächsten 200 km ist.

Dabei geht es zwar nicht ganz so sprunghaft voran wie von anderen Kompaktstromern inzwischen gewohnt. Doch verderben die ja nur die Gewohnheiten. Immerhin beschleunigt auch der Ora mit den 126 kW und 250 Nm seines permanenterregten Synchronmotors aus dem Stand auf 100 km/h in einer Vehemenz, für die es vor 20 Jahren eines Jaguar XJ8 mit 3,5-Liter-V8 bedurft hätte. Doch schon bald nach Erreichen des dreistelligen Tempobereichs ebbt die Rasanz ab. Auch die Tatsache, dass sich der Abstandstempomat ab 120 km/h aus dem Assistenzgeschehen zurückzieht, verstehe man als Hinweis, dass der Funky Cat eskapadenhaftem Reisetempo wenig abgewinnen kann – auch weil er dabei stark an Reichweite verliert. Dann steigt sein ohnehin stattlicher Verbrauch noch weit über den Testschnitt von 24,6 kWh/100 km. Schon damit kommt der Ora nur 260 km weit, da er von den angegebenen 63 kWh nur 59 kWh nutzt. Auf der Eco-Runde liegt der Verbrauch rund ein Viertel niedriger, mit 18,6 kWh steigt die Reichweite auf 345 km.

Für Kurzweil auf der Tour hoffe man nicht allzu sehr auf die Fahrdynamik. Zwar kurvt der Ora sicher um Biegungen, doch ein paar mittelmäßige Akteure verhindern, dass man die Art seines Richtungswechsels als etwas erleben kann, wofür sich das Wort Handling anbietet. Denn dazu fehlt es der Lenkung ziemlich an Präzision und sehr an Gefühl. Antriebseinflüsse oder die eher grob geregelten Eingriffe von Traktionskontrolle und ESP lässt sie schon immer durch, aber darüber hinaus dringt kaum etwas an Rückmeldung zum Fahrer.

Dazu hat der Ora seine Karosseriebewegungen nicht so fest im Griff. Was nicht etwa an einem flauschigen Set-up liegt. Denn nur auf guten Strecken passt es mit dem Komfort. Doch vor allem mit Zuladung rempelt der Funky Cat ungeschickt schon über etwas gröbere Unebenheiten, kommt auf stärkeren mit der Verbundlenker-Hinterachse ins Katapulten. Schließlich veranstaltet er durch Wind-, Fahrwerks- und ein paar Knarzgeräusche der Karosserie einen für ein E-Auto recht erstaunlichen Radau.

So erweist sich der auf den ersten Blick so fesche Funky Cat als ein eher mittelmäßiges Auto, das zudem mit einer geradezu abstrus verschachtelten und umständlichen Bedienung nervt. Womit man sich womöglich auch noch arrangieren könnte, wäre der Ora richtig günstig. Stimmt, im Preis ist eine festliche Ausstattung dabei. Aber selbst nach Abzug der 7.178 Euro Kaufprämie bleiben 40,312 Euro – und das alles für die Katz.

Ein ID besser?

Ora Funky Cat, VW ID.3
Rossen Gargolow
Jetzt aber hell: Leuchtenleiste beim Ora, nun zweiteilige Hecklichter beim ID.3.

Erst wollten wir hier mit der Frage nach dem meistverkauften Album der Geschichte starten. Aber das wäre zu einfach gewesen ("Thriller" von Michael Jackson). Außerdem fiel uns von da kein Übergang zum VW ID.3 ein. Also nutzen wir zur Einstimmung auf ihn lieber ein bisschen unnützes Wissen: Wie lange währte bei VW die Phase zwischen dem Ende der ersten Heckmotor-Ära mit Verbrenner und dem Beginn der neuen mit E-Antrieb? Genau, es waren nur die 2.145 Tage zwischen dem 20. Dezember 2013 – dem Produktionsstopp des VW Bus T2 in Brasilien – und dem Beginn der Serienfertigung des ID.3 am 4. November 2019. Nur 1.296 Tage nach dessen Start präsentierte VW im Februar eine Modellpflege – wirkt eher überstürzt als nur vorgezogen. Denn richtig in Schwung kam der ID.3 bisher nicht, dümpelte im Juni auf Rang 36 der Zulassungscharts und bei den Elektros auf Platz vier.

Als Gründe, dass die Kunden sich in Begeisterung zurückhalten, hat VW optimierbare Designschönheit draußen und Materialeleganz drinnen ausgemacht. So bekommt der ID.3 die Karosserie frisch aufgebügelt, vom vorderen Lufteinlass über die Scheinwerfer bis zu nun geteilten Heckleuchten. Den Innenraum vertäfeln hochwertigere, unterschäumte Verkleidungen und Oberflächen. Ein paar Geizigkeiten aber bleiben: der Zweifach-Fensterheber mit Umschalter für hinten, der wabbelige Knubbel der Außenspiegelverstellung und die kleine Instrumentenanzeige, die wenige Instrumente und auch sonst kaum Sehenswertes anzeigt. Das soll nun in großer Formatfülle neben dem Zwölf-Zoll-Touchscreen das Augmented-Reality-Head-up-Display (eine Innovation, die nicht aus fünf Fremdwörtern besteht, ist wohl keine Innovation mehr) übernehmen.

Dazu hat VW die Bedienung sacht umgruppiert, was den Umgang ebenso etwas erleichtert wie die erhöhte Verständnisbereitschaft der Sprachassistenz. Vor allem läuft das ganze Infotainment – zumindest beim Testwagen – wie die Assistenz stabiler. Schließlich rechnet das Navi Ladestopps inzwischen geschickter ein.

Am Schnelllader zieht der ID.3 mit der 58-kWh-Batterie nun mit 120 kW (bei der großen mit 77 kWh sind es 170 kW). Im Test gipfelte die Leistung an der CCS-Säule bei 132 kW. Damit hat der VW in 35 min wieder Energie für 200 km beisammen – was noch immer gemächlich ist, aber zumindest deutlich zügiger als beim Ora.

Harmonisches Fahrgefühl

VW ID.3
Rossen Gargolow
Optionale Ergo-Sitze und Adaptivdämpfer verschaffen dem leisen VW hohen Komfort.

Noch etwas zügiger setzt der ID.3 die Energie in Beschleunigung um – die Nullhundert genauso schnell wie einst der grandios reihensechszylindergetriebene BMW 530i E60. Auch VW limitiert den Elektro auf 160 km/h, denen er aber drangvoller entgegenströmt. Wegen des niedrigeren Verbrauchs (22,5 kWh/100 km im Testschnitt, 17,4 auf der Ecorunde) kommt der mit Wärmepumpe (990 Euro) ausgerüstete Testwagen trotz kleinerer Batterie mit 271 bis 351 km pro Vollladung ein paar Meter weiter.

Viel weitreichender als die Quantität der Reichweite wirkt sich aber die Qualität der Fahrt aus. Ora zeigt, wie schnell ein neuer Hersteller einen ordentlichen E-Antrieb entwickeln kann – doch der allein treibt das Auto nur an, bringt es aber noch nicht nach vorn. Was für einen Unterschied das bedeutet, zeigt der VW.

Das Fahren an sich hatte er ja bisher auch schon drauf – das Problem war eher, dass sich zu wenige Interessenten darauf einlassen wollten, es auszuprobieren. Anders als beim Ora, bei dem es wirkt, als seien Antrieb, Lenkung, Regelsysteme und Fahrwerk durch einen Zufall aneinandergeraten, orchestriert VW die Abstimmung zu großer Harmonie – die überzeugt zudem mit ihrer Bandbreite. Während der 150-kW-Motor im Heck ansatzlos und drangvoll losdrückt, geben 2,77 Meter weiter vorn die Vorderräder die Richtung vor – präzise, aber nicht übermäßig rückmeldungsintensiv von der Lenkung geführt. Wegen des Heckmotor-Layouts ist die nicht nur frei von Antriebseinflüssen, zudem können die Räder weiter einlenken, was den Wendekreis klein hält. Mit dem Akku im Boden fährt der ID.3 fahrsicher, agil und vergnüglich um Kurven. Trotz des straffen Grund-Set-ups des mit optionalen Adaptivdämpfern und 20-Zoll-Rädern ausgestatteten Testwagens spricht die Federung sorgsam auf Unebenheiten an. Im Komfort-Modus lässt das Set-up sachtes Wanken in Kurven zu, das bereits der Normal-Modus vermeidet. In der Sport-Kennlinie neigt der VW der Dynamik noch mehr zu, doch erst auf schlechten Straßen auch zu herber Bolzigkeit. Auch sonst passt es beim Komfort mit bequemen Sitzen. Zudem schafft der VW auf 2,9 cm mehr Länge ebenso viel Platz für die Passagiere und viel mehr fürs Gepäck.

Stimmt, er ist lange nicht so reich ausstaffiert wie der Funky Cat, dazu mit testrelevanten Extras noch teurer. Und ja, auch das stimmt – womöglich gar ein wenig nachdenklich: So gut, wie er jetzt ist, hätte der ID.3 schon von Beginn an sein sollen. Aber ein zweiter Anlauf kann durchaus noch zu Erfolg führen. Wenngleich VW hoffen wird, dass es nicht so lange dauert wie bei Kate Bush. Ihr Song "Running Up That Hill" schaffte es erst 37 Jahre nach der Veröffentlichung zur Nr. 1 der britischen Charts.

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Technische Daten
VW ID.3 Pro (58 kWh) ProOra Funky Cat 400 Pro +
Grundpreis39.995 €47.490 €
Außenmaße4264 x 1809 x 1564 mm4235 x 1825 x 1603 mm
Kofferraumvolumen385 bis 1267 l228 bis 858 l
Höchstgeschwindigkeit160 km/h160 km/h
0-100 km/h7,7 s8,1 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km16,5 kWh/100 km
Testverbrauch22,5 kWh/100 km24,6 kWh/100 km