Porsche 911 gegen Vantage V8, Corvette und AMG GT
Bleibt der Elfer die Nummer 1?

Der Elfer Generation 992 will zocken. Eine Runde Quartett gegen Aston Martin, Chevrolet, Mercedes-AMG auf der Rennstrecke und auf der Landstraße. Das sollte der Porsche nicht allzu leichtnehmen – wortwörtlich.

PORSCHE 911, ASTON MARTIN VANTAGE, CHEVROLET CORVETTE, MERCEDES-AMG GT, Exterieur
Foto: Achim Hartmann

Achtung, Geschichtsmuffel bitte wegducken! Aber wann sonst bietet sich die Gelegenheit, den Franziskanermönch Thomas Murner, den Sonnenkönig Louis XIV. und das württembergische Städtchen Leinfelden-Echterdingen in einem Sportwagenvergleich unterzubringen? Eben. Auflösung kommt. Später. Jetzt: fahren.

Damit will der Elfer ja wieder alle kriegen. Wirklich alle. Und überall. Er packt dich sofort, daran ändert sich nichts. Nicht nur, dass du bei ihm als Einzigem des Quartetts das Gefühl hast, einen Sneaker anzuziehen, statt in ein Auto einzusteigen – dieser Carrera S lebt. Hechtet nicht nur am Eingang in die Kurve, fällt ihr noch enger um den Hals, je mehr es Richtung Scheitel geht. Klar, der Testwagen platzt vor Extras: je nach Geschwindigkeit agilisierende oder stabilisierende Hinterachslenkung, Wankausgleich und so weiter. Schrauben seinen Preis auf das höchste Niveau. Und die Dynamik?

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Porsche 911, Exterieur
Achim Hartmann
Sein lebendiges Fahrverhalten verschiebt der Elfer erst auf Nachdruck in arge Drifts.

Das Heck muss weg

Ebenfalls. Nur anders als vermutet. Dieses unter allen Umständen stoische, dieses auf faszinierende Art buchhalterische Abarbeiten unterschiedlichster Kurvenradien weicht einer neuen Quirligkeit, selbst im legalen Geschwindigkeitsbereich auf Straßen mit K- und L-Kennung. Weil das Leistungsgewicht sticht? Nein, denn mit 3,5 kg/PS wuchtet sich der Carrera zusammen mit dem Mercedes-AMG auf den letzten Platz.

Allerdings versteht es der Elfer weiterhin besonders brillant, seinen Fahrer zu integrieren und ihm dazu zumindest nach vorne die beste Übersicht zu bieten. Außerdem wäre da ja noch die Lenkung, die Porsche wieder wunderbar aus dem Notenkasten der Elektromechanik zusammenkomponiert, wenngleich sie merklich kräftiger angepackt werden möchte. Rückmeldung? Sticht. Nach wie vor. Einlenken, Lenkwinkel halten – fertig. Den Rest modellierst du mit dem rechten Fuß. Auf der Rennstrecke registrierst du den herberen Gegendruck dagegen als positiv, balgst gerne mit dem Porsche, fürchtest allerdings um die Rundenzeit.

Porsche 911, Exterieur
Achim Hartmann
Rund 20 Kilogramm Gewicht spart die Bremsanlage mit Carbon-Keramik-Scheiben.

In einigen der engeren Kurven des Anneau du Rhin gönnt sich der Elfer verträumte Drifts, keine brutalen, eher angedeutete, die du einzusetzen lernst, wacker in die Kurven schlenzt. Geht gerade noch so mit der Fangleine des Sport-Modus der Regelelektronik, doch die schnellsten Zeiten purzeln dann aus dem Messgerät, wenn alle Schutzmechanismen ihre tariflich festgelegte Pause abhalten. Der Mut sollte jetzt mit dir sein, denn speziell in der flotten Rechts-Links-Kombination kommt Leben in die teure Bude – speziell ins Hinterzimmer.

Dort entleibt sich immer wieder und immer wieder gern der sogenannte 9A2-Evo-Turbomotor mit drei Litern Hubraum. Die Lader, deren Position, die Kühler, die Luftführung überhaupt und vieles mehr – alles neu. Alles penibel emissionsoptimiert, in Kombination mit dem teuflisch fixen, effizienten Achtgang-DKG. Andererseits eben: fauchend, zischend. Hintergründig. Davor: Porsche-Boxer-typisch bollernd, röchelnd. Mit Wums unten, Drehfreude oben.

So holt sich der Porsche Geschwindigkeit und letztlich eine sehr schnelle Rundenzeit – die nicht an die der Corvette heranreicht. Und das, obwohl das in Gran-Sport-Konfiguration angetretene Heiligenbild amerikanischen Sportwagenbaus sich Kurven vermeintlich mit dem Vorschlaghammer zurechtzimmert, statt sie mit der Technik-Harfe zu betören: 285 mm breite Vorderreifen, 335 mm hinten. Übrigens nicht in der serienmäßigen Cup-Spezifikation, sondern mit gemäßigteren Sportreifen wie die Konkurrenten.

Porsche 911, Interieur
Achim Hartmann
Immer da: hervorragende Basisergonomie, dazu bemerkenswert komfortable und teure adaptive Sportsitze.

Was der V8-Pfau ungeachtet dessen da im Elsass abbrennt, zählt zu den prächtigsten Feuerwerken überhaupt. Keine Fake News. Funken in den schillerndsten Farben. Keiner der vier lässt sich so exakt zusammenbremsen – mit konstant schwindelerregenden Verzögerungswerten. Selbst der Trumpf des elektronischen Bremskraftverstärkers im Porsche sticht nicht, der arbeitet nur auf der Landstraße bei 90-Prozent-Bremsungen mit verlässlicher Genauigkeit.

Köpper in die Kurve

Jetzt lenkt die Vette ein, nein, schmeißt sich rein, reißt den Scheitelpunkt an sich, Vorderachse, Hinterachse, alles. Eingeklinkt. Unverrückbar. Allerdings: vorwiegend durch das Fahrwerk, nicht die Lenkung selbst. Zwar lässt sich die Lenkkraft variieren, eine klarere Rückmeldung kommt dabei nicht zustande.

Gibt’s noch was zu maulen? Ja, über die Sitze. Besser: über deren Position. Zu hoch. Etwa zwei bis drei Zentimeter. Ach ja: Sie kühlen. Serienmäßig. Wie nett. Verhagelt der an sich gar nicht mal so schweren Corvette auch nicht die Gewichtsbilanz. So, wie sich der einzige Saugmotor im Vergleich immer wieder in Ekstase donnerwetterbrüllt, kostet das Komfort-Extra wohl keine Leistung.

Chevrolet Corvett, Exteriuer
Achim Hartmann
In der Corvette halten mechanischer Grip und Leistung sich in etwa die Waage, quer ist schwer.

Dass das mit 11,5 : 1 eher mild verdichtete Triebwerk seine untenliegende Nockenwelle vor allem im oberen Drehzahlbereich nicht grün vor Schwindel werden lässt, also entgegen den Erwartungen die Turbomotoren bei der Drehfreude nicht aussticht, liegt möglicherweise mit an der Achtstufenautomatik.

Das Getriebe überlässt du am besten sich selbst, manuelle Eingriffe watscht es zuweilen mit Ignoranz ab. Also: D. Und Regelelektronik aus. Auf der Landstraße dagegen: Sport. Es hilft nur nicht so recht. Zu sehr nerven nun die verschobene Sitzposition, vor allem aber die zu stumpfe Lenkung zusammen mit der ausufernd breiten Karosserie.

Rasendes Oxymoron

Ob Letzteres beim fülligen Mercedes-AMG denn nicht stört? Weniger. Hier feilt das über die Jahre zu bemerkenswerter Homogenität hin entwickelte Lenkgefühl mehr als nur die nominellen drei Zentimeter geringerer Breite gegenüber der Corvette ab.

Mercedes-AMG GT, Exterieur
Achim Hartmann
Mit seinem 476 PS starken V8-Biturbo landet der AMG beim 100er-Sprint mit 3,9 Sekunden, zusammen mit dem Aston Martin, im Mittelfeld.

Überhaupt fährt sich so ein Basis-GT erstaunlich ausgeglichen, entspannt dynamisch, um mal ein Oxymoron durch diese Zeilen stürmen zu lassen. Denn an Sturm fehlt es dem kleinsten AMG-Sportwagen natürlich nicht. Hey, 476 PS, 630 Nm, da wehren sich die 1.666 Kilogramm nicht allzu sehr gegen die Beschleunigung. Das mit 1,1 bar aufgeladene Vierliter-Aggregat reagiert zudem äußerst wach auf derartige Anfragen, untermalt das mit brockig-metallischen Bässen aus der Abgasanlage, dreht fleißig, 6.000, 6.500, dann ginge noch was, braucht’s aber nicht. Patsch, Gangwechsel. Von vorne.

Der Sport-Modus für Antrieb und Fahrwerk passt über Land, denn die Grundhärte des Fahrwerks mildert selbst die Comfort-Stufe nicht nennenswert, dafür die Aufbaubewegungen. So verdichtet sich der GT zu einem in sich ruhenden, bei Bedarf kontrolliert explodierenden Sportwagenkunstwerk – das auf der Rennstrecke an seine Grenzen kommt.

Mercedes-AMG GT, Exterieur
Achim Hartmann
Mag dieser GT auch dezent konfiguriert sein, so wüst lässt er sich mit dem Gas steuern.

Die Dosis macht den Drift

Speziell die Bremsanlage mit optionalen Carbon-Keramik-Scheiben liefert in diesem Umfeld eher durchschnittliche Verzögerungswerte, lässt sich im ABS-Regelbereich eher schwer dosieren. Du hast also schon genug vor dem Einlenken zu tun, musst dann mit extrem viel Gefühl die Richtungsänderung eingeben, damit die Haftung der Vorderräder nicht draufgeht. Überhaupt, das Gefühl. Glaubst du nun, zu langsam zu sein, willst Tempo machen, kannst du schon mal gegenlenken, denn das Heck kommt garantiert. Es lässt sich dann aber schön draußen halten, lange, länger am längsten, keine Schnappigkeit der Sperre, großer Lenkwinkel – passt. Gut, dann eben keine irrwitzig niedrige Rundenzeit, eher irrwitzige Gaudi, mit Salutschüssen vom Regiment M178 DE 40 AL. So heißt er, der V8 Biturbo.

Da kannst du noch so sehr mit den diversen Einstellungen spielen, Race-Modus hin oder her, schneller mag der Mercedes nicht über den Kurs fegen, so gekonnt die Differenzierung der einzelnen Programme gelungen sein mag. Und wie herrlich tief du in den zupackenden fest gepolsterten aufpreispflichtigen Schalensitzen steckst. Ach ja, bitte die Gänge selbst wechseln, geht verzögerungsarm und schnell. Von sich aus flüchtet sich das Siebengang-DKG zu schnell in die nächsthöhere Stufe.

Aston Martin Vantage, Motor
Achim Hartmann
Die Applikation des Automatikgetriebes auf den von AMG eingekauften V8 passt prima und die Rückmeldung der Lenkung ebenfalls.

Ohne Renn und Aber

Aston Martin nutzt einen Achtgang-Wandlerautomaten. Sticht? Moment. Warum ist das überhaupt wichtig? Weil der Motor des Vantage ebenfalls von AMG kommt, nur in der 510-PS-Ausbaustufe. Und mit einem anderen Klangbild, weniger draufgängerisch, ohne den Motorsport-Subtext, voller, zuweilen etwas polteriger. In jedem Fall aber: saustark, immer dabei, ziemlich überzeugend mit dem Automaten verheiratet.

Weitere Gemeinsamkeit: die etwas unterkühlte Beziehung zu Bestzeiten auf einer Rennstrecke. Der Vantage verliert sich schnell ins Untersteuern, lässt sich dann zwar gerne über die präzise Lenkung packen und in den Kurvenradius drücken, doch bis dahin liegt schon zu viel Zeit jenseits der Curbs. Wieder gilt: Vorsicht mit dem rechten Fuß, sonst schwupst das Heck weg, auch wenn es sich gut wieder fangen lässt.

Ja, der Biturbo-Motor sticht, definitiv, quillt über vor Leistung und Drehmoment, steckt vielleicht im falschen Körper, Pardon, Karosserie. Zumindest auf dem Anneau. Auf der Landstraße? Zieht sich das Zerrbild wieder gerade, der Vantage rückt an dich ran, obwohl du in ihm ebenfalls – wie in der Corvette – eine Idee zu hoch sitzt. Darüber hinaus musst du dich mit dem verspielten Design arrangieren, in dem die so überhaupt nicht verspielten Mercedes-Komponenten umso mehr herausstechen, ungeachtet ihrer hohen Funktionalität.

Aston Martin Vantage, Exterieur
Achim Hartmann
Dem gepflegten Leistungsübersteuern gibt sich der Vantage trotz hoher Masse gern hin.

Du nimmst ihn gerne mit, den Aston, brätst mit ihm über Land, schätzt dabei die wirklich äußerst verbindliche Lenkung trotz ihrer hohen Haltekräfte und des eigentümlich geformten Lenkrads. Für die Einstellungen der Motor- und Fahr- werkscharakteristik steckt am Lenkrad jeweils in der linken und rechten Speiche eine Taste, Antrieb auf Sport+, Fahrwerk auf Sport (nach dem Aston-Selbstverständnis die Grundeinstellung), nur so unter uns. Da steckt schon weit mehr als nur optische Lässigkeit im Vantage, Traktion, Lenkpräzision, ein lange neutrales Eigenlenkverhalten. Nur eben kein Sportwagen, der in diesem Quartett die meisten Stiche sammelt.

Witz und Donner

Das Autoquartett geht übrigens auf Lernkarten zurück, erfunden vom Franziskanermönch Thomas Murner, damals, um Fünfzehnhundertirgendwas. Kaum 200 Jahre später lernte der junge Sonnenkönig mit dieser Methode die Ahnenreihe der Familie. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte entstand daraus das Kartenspiel, 1952 das Autoquartett – in der Nähe des heutigen Spielkartenmuseums in Leinfelden-Echterdingen. Sticht.

Fazit

1. Porsche 911 Carrera S
222 von 1000 Punkte
2. Chevrolet Corvette G.S.
220 von 1000 Punkte
3. Mercedes-AMG GT
205 von 1000 Punkte
4. Aston Martin Vantage V8
195 von 1000 Punkte
Technische Daten
Chevrolet Corvette Grand Sport Coupé 6.2 V8 Grand Sport CompetitionAston Martin Vantage 4.0 V8 Mercedes AMG GT Porsche 911 Carrera S Carrera S
Grundpreis108.950 €152.000 €117.282 €137.963 €
Außenmaße4514 x 1965 x 1239 mm4465 x 1942 x 1274 mm4544 x 1939 x 1287 mm4519 x 1852 x 1300 mm
Kofferraumvolumen287 l270 l350 l132 l
Hubraum / Motor6162 cm³ / 8-Zylinder3982 cm³ / 8-Zylinder3982 cm³ / 8-Zylinder2981 cm³ / 6-Zylinder
Leistung343 kW / 466 PS bei 6000 U/min375 kW / 510 PS bei 6000 U/min350 kW / 476 PS bei 6000 U/min331 kW / 450 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit290 km/h314 km/h304 km/h308 km/h
0-100 km/h4,6 s3,9 s3,9 s3,5 s
Verbrauch12,4 l/100 km10,3 l/100 km11,4 l/100 km
Testverbrauch12,8 l/100 km12,3 l/100 km12,5 l/100 km10,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten