Renault Clio E-Tech 140 im Test
Kleines Auto mit drei Motoren

Mit dem rein elektrisch betriebenen Zoe war Renault früh dran. Bei den Hybriden eher nicht so. Nun legen die Franzosen nach, schicken den Clio E-Tech ins Rennen. Der Aufwand ist enorm.

Renault Clio E-Tech 140
Foto: Maximilian Balázs

Nur falls Sie es noch nicht gelesen haben sollten: Renault hat mit dem Zoe das beliebteste E-Auto des Jahres 2020 in Deutschland im Portfolio, wohlgemerkt dank üppiger Boni. Falls doch, überrascht Sie vielleicht die Nachricht, dass sich selbst der ausgefuchste Kleinwagen-Klassiker Clio in Deutschland nicht besser verkaufen konnte. In Europa lag der Clio V immerhin rund 120.000 Stück drüber. Aber zurück zu den E-Mobilen bei Renault: Hier hat der Konzern kräftig aufzuholen.

Unsere Highlights

Mehr als Zoe und eine Variante des Kangoo konnte Renault bis in den Sommer 2020 hinein nicht bieten – zu wenig, um die Flotten-Emissionen zu drücken. Inzwischen sieht es besser aus. Der Twingo Electric ist im Handel, ebenso Plug-in-Varianten von Captur und Mégane – und dieser hier: der Clio E-Tech 140. Ein Vollhybrid mit einem Basispreis von 22.650 Euro und damit der günstigste elektrifizierte Renault.

Ein Aufwand, der sich lohnt

Renault Clio E-Tech 140
Maximilian Balázs
Das System des E-Tech besteht aus einem 1,6 Liter großen Saugbenziner (91 PS) mit Partikelfilter, einem Startergenerator mit 15 kW und einem 36 kW starken E-Motor.

Dennoch ist der Antriebsstrang, der auch in den erwähnten PHEV zum Einsatz kommt, überaus aufwendig. Das System besteht aus einem 1,6 Liter großen Saugbenziner (91 PS) mit Partikelfilter, einem Startergenerator mit 15 kW und einem 36 kW starken E-Motor, integriert in einem speziellen kupplungslosen Multi-Mode-Getriebe. Es verfügt über zwei Fahrstufen für den E-Betrieb und vier Gänge für den Benziner und vernetzt die drei Motoren. So powert entweder nur der Elektromotor, oder E-Motor und Benziner arbeiten im Verbund, oder der Verbrenner lädt via Generator im Hintergrund den kleinen Stromspeicher (nur 1,2 kWh) wieder auf. Laut Renault sind 15 verschiedene Kombinationen möglich.

Klingt kompliziert, ist es auch, funktioniert im Alltagsbetrieb aber meist prächtig. Gestartet wird immer elektrisch. 205 Nm Drehmoment bringt der E-Motor sofort auf die Welle. Das reicht für fluffig-fröhliches Anfahren, theoretisch sogar bis 75 km/h. Darüber hinaus dirigiert der Clio seine Motoren ganz nach Belieben, aber durchdacht und sorgt für eine gleichmäßig schwungvolle Kraftentfaltung. Der vibrationsarme Benziner arbeitet enorm leise, selbst bei spontaner und hoher Lastanforderung, und ist im innerstädtischen Bereich schneller wieder aus, als man ihn überhaupt erfühlen konnte. Möglichst nur mit der Kraft des leise säuselnden E-Motors cruisen? Im Clio kein Problem.

Das für Renault typische Multi-Sense-Programm, das die Wahl unterschiedlicher Fahrmodi (Eco, Sport, Individual) ermöglicht und auch den Hybridantrieb steuert, ist gegen Aufpreis zu haben. Auf "Sport" gestellt arbeiten die Motoren dann beispielsweise konstant zusammen. Der Testwagen konnte damit nicht dienen – also gibt’s von uns an dieser Stelle auch keine Aussage, ob sich diese Investition für Sie auch wirklich lohnt.

Wer nun gerade antreibt, das lässt sich am besten in einem kleinen Flussdiagramm im virtuellen Cockpit erkennen. Der Fahrer selbst kann nur begrenzt be- und eingreifen. Keine Ganganzeige, kein Drehzahlmesser, keine Schaltpaddel. Dafür aber ein buntes Econometer mittig in der Instrumententafel, Tasten für den Eco- oder reinen E-Betrieb und der via großem Wählhebel einlegbare B-Rekuperationsmodus. Bis zu einer Geschwindigkeit von 7 km/h rekuperiert der Clio kräftig. Dann gilt es, selbst abzubremsen.

Generell hinterlässt die immer knifflige Abstimmung zwischen Betriebsbremse und Generator einen harmonischen Eindruck. Der Pedalweg ist zwar kurz und beherzter Druck aufs Pedal erforderlich. Aber die Dosierung fällt nicht weiter schwer. Und die Verzögerungswerte können sich sehen lassen: Aus 100 km/h reichen dem Clio beachtliche 34,3 Meter für eine Vollbremsung!

Renault Clio E-Tech 140
Maximilian Balázs
Im Vergleich zu einem klassischen Clio mit Reihendreizylinder TCe 90 (91 PS) ist der Vollhybrid 148 Kilogramm schwerer.

So richtig zufrieden sind wir mit dem Testwagen dennoch nicht. Trotz gut gefüllter Batterie wirft er beim Start aus der hinreichend warmen Redaktionsgarage beispielsweise immer mal wieder den Verbrenner an. Und dass sich der Clio via Druck auf die "EV"-Taste ohne Widerspruch zum reinen E-Betrieb überreden lässt, ist dermaßen selten, dass man getrost im Hybridmodus bleiben kann. Dazu passt es gut ins Bild, dass der Hybrid auf seiner vorbildlich informativen Verbrauchstafel im Infotainment-System im Abschnitt "Zurückgelegte Wegstrecke elektrisch" immer nur zwei Strichlein anzeigt – selbst wenn er vorher definitiv im reinen E-Betrieb unterwegs war. Vermutlich würde ein kleines Over-the-Air-Update reichen, und alles wäre wieder gut. Und gut vernetzt ist er wirklich. Google-Suche, Spritpreise der nächsten Tankstelle, Wetter, aktuelle Verkehrsdaten – alles da und top ablesbar auf dem großen Hochkant-Touchscreen.

Weitaus wichtiger dürften ohnehin die Verbrauchswerte sein. Am Ende erfahren und errechnen die Kollegen aus der Testabteilung einen wenig berauschenden Testverbrauch von 6,1 l/100 km. Immerhin belässt es der Clio in der Eco-Runde bei 5,0 Litern.

So richtig in Bedrängnis gerät er schließlich, wenn es schnell gehen soll. Die Lithium-Ionen-Batterie mit einer Nettokapazität von 0,55 kWh unter dem Kofferraum ist schlichtweg zu klein. Nach zwei oder drei Sprints gen 100 km/h auf der Messstrecke in Lahr ist Schluss mit vollem Schub aus zwei Motoren. Im Display erscheint die Nachricht "Begrenzte Leistung". Und so fährt der Clio dann eben auch. Ähnlich bei längeren Autobahnfahrten nahe der Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Auch hier geht ihm schnell die Puste aus, er hält dann gerade mal 160 km/h. Das weiß natürlich die Motorsteuerung und verpflichtet den Vierzylinder erst mal als Stromlieferanten. Nach einer kurzen Verschnaufpause ist dann aber wieder Schubkraft da und es geht flotter und erholsam leise voran.

Sicher, so ein Vollhybrid-Kleinwagen ist nicht für schnelle und lange Autobahn-Etappen gedacht. Andererseits: Mit dem kürzlich ausgemusterten Vierzylinder-Turbobenziner TCe 130 EDC mit Doppelkupplungsgetriebe (240 Nm Drehmoment, 130 PS) gelang auch das. Und der steht für rund 21.000 Euro sicher noch bei einigen Händlern auf dem Hof.

Alles so weit schön und gut

Ansonsten ist der Clio, seit 2019 im Handel, ein wohlbekannter und gut gemachter Kleinwagen, der in einigen Vergleichstests schon auf den vorderen Plätzen parkte. Warum? Der Renault hat nicht nur Charisma, sondern vor allem auch was drauf: Er federt und dämpft manierlich, ist leicht zu dirigieren, und bis auf den nun zu kleinen Kofferraum (254 Liter) passt auch das Platzangebot. Sehenswert ist zudem die hohe Materialqualität im Cockpit, die wir in einem Opel Corsa oder Kia Rio vermissen.

Im Verbund mit dem kultivierten Antrieb ist dieser Clio damit ein überaus komfortabler und entspannter Kleinwagen – zum hohen Preis.

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Ein Mildhybrid passt doch - er kann auch ohne schwere Batterie rekuperieren.
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Der PHEV mag schwer sein, bringt aber für klassische Pendler die meisten elektrischen und emissionsfreien Kilometer.
Vor- und Nachteile
Karosserie
gutes Platzangebot
übersichtliche Instrumente
gute Verarbeitung
bequeme Vordersitze
simple Bedienung von Klimaautomatik und Bordcomputer
kleiner Kofferraum
geringe Variabilität
mäßige Rundumsicht
umständliche Sitzverstellung
Fahrkomfort
niedriges Geräuschniveau
gute Materialqualität
solider Federungskomfort
bequeme Sitze
reichhaltiges Infotainment
Sitzbank im Fond mit wenig Beinauflage
Antrieb
kultivierter und meist kraftvoller sowie leiser Motor
früher Leistungsverlust bei flotter Fahrt
reiner E-Betrieb (via „EV“-Taste) selten möglich
Fahreigenschaften
reichlich Traktion
kräftige Rekuperation
sicheres Handling
rückmeldungsarme Lenkung
Sicherheit
zahlreiche Assistenzsysteme
starke Verzögerungswerte
LED-Scheinwerfer sind Serie
Umwelt
niedrige Emissionen
geringe Fahrgeräusche
Kosten
niedriger Verbrauch
umfangreiche Ausstattung
je nach Fahrweise niedrige Unterhaltskosten
hoher Grundpreis
voraussichtlich mäßiger Wiederverkaufswert

Fazit

Der leise Hybridantrieb steigert den Antriebskomfort enorm, die Effizienz allerdings nicht wirklich. Dafür kostet er den sonst nach wie vor überzeugenden Clio Kofferraumvolumen und macht ihn teuer.

Technische Daten
Renault Clio E-Tech 140 Intens
Grundpreis24.850 €
Außenmaße4050 x 1798 x 1440 mm
Kofferraumvolumen254 bis 1096 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder
Leistung67 kW / 91 PS bei 5600 U/min
Höchstgeschwindigkeit180 km/h
0-100 km/h10,0 s
Verbrauch3,6 l/100 km
Testverbrauch6,1 l/100 km
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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