Toyota GT86 und VW Scirocco 2.0 TSI
Zwei Sportcoupés im großen Gebrauchtwagen-Check

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Heute frisch aus zweiter Hand: ein Großserien-Sportler von VW gegen ein Alles-nur-nicht- Mainstream-Coupé von Toyota. Scirocco oder GT86 – welcher macht mehr an?

Toyota GT86, Frontansicht
Foto: Rossen Gagolov

Toyota und Volkswagen versorgen uns mit allem, was vier Räder hat. Unglaublich, wie viele verschiedene Modelle die Auto-Giganten unters weltweite Volk streuen. Viele Typen kennen wir gar nicht, und wenn man dann mal etwas zu Gesicht bekommt, will man es ganz schnell wieder vergessen: Seltsame Micro-SUV, plumpe Stufenheck-Limos, abstruse Pickups und aufgeblasene Soccer-Mom-Vans geistern durchs Netz.

Scirocco als Secondhand-Car

Für sport auto-Leser viel interessanter sind die Sportwagenmodelle. Toyota kann auf eine recht eindrucksvolle Tradition zurückblicken. Die Highlights der Vergangenheit heißen 2000 GT und Supra. Aktuell führt man immerhin den GT86 im Programm, den man in der zwischenzeit einem Facelift unterzog (Fahrbericht). Ein neuer Supra ist entwicklungstechnisch auf der Zielgeraden. Er soll mit dem neuen BMW Z4 oder Z5 verwandt sein, aber kein so wildes Gerät werden wie die bis 2002 gebaute Variante.

Unsere Highlights

Sportwagen-Historie bei VW? Gute Frage, nächste Frage. Aus der Studie Nardo W12 wurde immerhin das Über-Auto Bugatti Veyron. Heute darf man froh sein, dass die Niedersachsen immerhin noch den Scirocco anbieten. Der Zweitürer mit dem breiten Po ist schon seit 2008 auf dem Markt, basiert also wie der für sport auto-Leser nahezu unbekannte Jetta auf Golf 5 und 6. Da poppt automatisch die Frage auf, wie lange die Wolfsburger den Oldie noch vom Stapel ihres portugiesischen Werks Palmela lassen wollen. Man weiß es nicht so genau. Als Secondhand-Car ist der Scirocco aber verfügbar. Und zwar reichlich, was natürlich die Preise drückt.

Die günstigsten Autos auf dem deutschen Markt kosten keine 7.000 Euro mehr. Dann jedoch sprechen wir von 1.4-TSI-Modellen mit der bekannten Steuerketten-Krankheit und 122 bis 160 PS. Soll es die Zweiliter-Maschine aus dem GTI mit 200 PS sein, ist rund ein Tausender mehr fällig.

Gebrauchter Toyota GT86 zum Preis ab 14.500 Euro

Wer Autos mit weniger als 100.000 Kilometern auf der Uhr bevorzugt, muss 10.000 Euro und mehr investieren. Der 211 PS starke Scirocco 2.0 TSI wurde ab Ende 2009 gebaut und ist kaum unter 12.000 Euro zu bekommen.

Für diese Summe findet man aktuell noch keinen Toyota GT86. Kein Wunder, denn der Nippon-Sportler kam hierzulande erst 2012 in die Showrooms – zusammen mit dem praktisch identischen Subaru BRZ. Beide leisten 200 PS, eine andere Leistungsstufe war und ist bis heute nicht im Angebot. Die günstigsten Gebrauchten kosten rund 14.500 Euro, und die Auswahl ist deutlich knapper als beim Scirocco – der BRZ ist natürlich noch seltener. Interessant: Obwohl der Toyota neu rund 3.000 Euro über dem VW lag, sind die Gebrauchten aus der gleichen Epoche – etwa von 2013 mit ähnlichem Kilometerstand – ähnlich teuer.

Unsere Kandidaten trennen jedoch vier Jahre, 50.000 Kilometer und über 11.000 Euro: hier der gebrauchte VW Scirocco 2.0 TSI, ein frühes 2009er-Modell mit gut 130.000 Kilometern auf der Uhr für 9.490 Euro, dort der im März 2013 zugelassene Toyota GT86 mit Kilometerstand 86.600 für 20.889 Euro.

2.0 TSI im gebrauchten Scirocco mit über 200 PS

Der VW Scirocco 2.0 TSI zuerst: Bei Autohaus Krug im bayerischen Döpshofen wartet ein Coupé mit brauner Lederausstattung und Schaltgetriebe. Einmal ums Auto gelaufen: hier ein paar Dellen, dort verkratzte Felgen und eine beschädigte Frontschürze „nach einem missglückten Abschleppversuch“, wie Daniel Krug berichtet.

Der junge Autohändler zeigt auch gleich die Macken im Interieur: ein kleiner Schaden in der Türverkleidung und zwei Brandlöcher in den Sitzen; dann fallen noch die wackelige Zubehör-Armlehne und der fransige Gurt auf. Dafür ist die Wange des Fahrersitzes nicht abgewetzt, fast ein Wunder bei dieser Kilometerleistung. „Das Auto hatte nur eine defekte Zündspule, jetzt läuft es wieder top“, so Daniel Krug.

Sonor brummt der 2.0 TSI im Leerlauf, ab auf die Piste. Beim gemütlichen Warmfahren zeigt sich: lange Schaltwege und laute Cooper-Reifen an der Vorderachse, obwohl sie noch nicht alt sind.

Tuning: Turbo-Umbaukits für Toyota GT86

Auch die Lenkpräzision leidet etwas unter den Billig-Pneus. Dafür schiebt der Turbomotor wuchtig an und macht den VW so souverän wie erwartet. Einfach Fuß aufs Gas und der Vierzylinder drückt den Zweitürer nach vorn. Die Begleitmusik: satt, kernig, sympathisch und dabei nie zu laut. Irgendwie spielt der Scirocco Everybody's Darling: ausgewogen, praktisch und unauffällig schnell. Eben wie ein VW Golf GTI im anderen Kleid. Aufregend zu sein, das überlässt er gerne den anderen.

Etwa dem Toyota GT86? Er ist neben den BMW-Typen Z3/Z4 und Einser/Zweier der einzige Hecktriebler im Segment. Der Toyota-Vertragshändler Reiniger in Königsbrunn bei Augsburg lockt gleich mit sechs verschiedenen Exemplaren: Start bei 18.000 Euro. Wir picken uns den in „Dynamic White Pearl“ lackierten Sportler mit dem seltenen Aero-Paket heraus. Damit erinnert der GT86 sofort an den seligen Supra. Reichen für diese Brachial-Optik 200 PS? „Es gibt ja Turbo- und Kompressor-Umbaukits auf dem Markt“, grinst Geschäftsführer Timo Reiniger und reicht den Schlüssel. Spontan fällt auf: Man sitzt nicht auf dem Sitz, sondern im Sitz – und damit mindestens eine Etage tiefer als im Golf Coupé, Sorry, Scirocco.

VW Scirocco 2.0 TSI, Seitenansicht
Rossen Gagolov
Bei der Längsdynamik hängt der Scirocco den GT86 ab.

Im Toyota kommt damit sofort Sportwagen-Feeling auf, auch wegen des eigenständigen Cockpits. Dafür zeigt sich die linke Sitzwange schon ziemlich angegriffen. Und im Fond ist deutlich weniger Platz als beim VW.

Typisches Boxer-Knurren

Knopfdruck: Der Saugmotor in Boxer-Anordnung brummt freundlich. Erster Gang, runter vom Hof, zweiter, dritter. Gefühlt sind die Schaltwege halb so lang wie beim VW. Aber das Kupplungspedal quietscht. Schon an der ersten Kreuzung kommt beim Abbiegen das Heck, wird aber gleich vom ESP eingefangen. Okay: feuchte Straße, nur drei Grad plus Außentemperatur und Billigreifen der Marke Fortuna – was will man da erwarten?

Was dem von Subaru zugelieferten Motor im Drehzahlkeller fehlt, macht er über 5.000/min wett: Knackig stürmt er bis über die 7.000er-Marke, typisches Boxer-Knurren inklusive. Wer den Sound intensiver mag, sollte aber über Luftfilter und Auspuff mit dem Zusatz „Sport“ nachdenken.

Beim flotten Fegen über die Landstraße gefällt das gebrauchte Sportcoupé mit seiner direkten Lenkung und dem flinken Handling. Das top Einlenkverhalten und die optimale Gewichtsverteilung spürt man auf jedem Kilometer. ESP aus, und schon driftet er frech um die Ecken. Übrigens dank serienmäßiger Sperre jederzeit gut kontrollierbar.

Heckantrieb im GT86 vs. Frontantrieb im Scirocco

In sport auto-Ausgabe 4/2013 traten Toyota und VW gegeneinander an. Die technischen Daten: Mit nur 205 Newtonmeter fehlen dem GT86-Saugmotor satte 75 Nm zum Turbo des Scirocco. Noch dazu steht der Maximalwert erst ab 6.400 Umdrehungen an. Der deutsche Direkteinspritzer erreicht seine 280 Nm bereits bei 1.700/min und hält sie bis 5.200 Touren konstant.

So hechelt die japanische Heckschleuder dem deutschen Frontkratzer ständig hinterher: Bis Tempo 100 fehlten ihr im Test sechs Zehntel, 60 km/h später war der Rückstand auf 1,6 Sekunden angewachsen und 200 km/h erreichte der GT86 knapp 2,5 Sekunden später als der Scirocco. Elastizität? Hier sah der Fernost-Importwagen erst recht kein Land. Auch bei der Vmax musste der Toyota passen. 226 km/h zu 240 km/h lautete das Ergebnis. Dafür lässt ein Wert aufhorchen: 64,1 km/h im 18-Meter-Slalom. Hier waren beide gleich schnell. Das spricht für die hervorragende Balance des kräftemäßig unterlegenen Toyota.

Toyota GT86, Frontansicht
Rossen Gagolov
Toyota GT86: japanische Heckschleuder.

Auf dem kleinen Kurs in Hockenheim lagen acht Zehntel zwischen beiden: 1.18.6 min für den VW, 1.19,4 min. für den Toyota. Offensichtlich kämpfte der Japaner hier erneut mit seinem Kraftdefizit. Zudem ging der Scirocco mit breiten 235er-Optionsrädern auf die Bahn, der GT86 stand auf serienmäßigen 215er-Pneus. Auch sein Gewichtsvorteil konnte das nicht kompensieren: Der Toyota brachte nur 1.250 Kilogramm auf die Waage, der VW war über 100 kg schwerer.

Wenig technischer Ärger beim GT86

Welcher macht wo Probleme? Egal ob 200 oder 211 PS, beim Scirocco werkelt der EA 888 unter der Haube. Anders als beim stärkeren EA 113 des Scirocco R werden die Nockenwellen von einer Steuerkette angetrieben.

Früher zeigte der EA 888 mit dem Zusatz AXX Schwächen mit ausgeleierten Ketten, ebenso mit hohem Ölverbrauch. Doch im Jahr 2006 hat VW nachgebessert, seit dem Kürzel BWA sind die Probleme Geschichte. VW-Experten raten, vom Longlife-Öl auf 5W-40-Schmierstoff umzusteigen. Rost am Falz der Heckklappe und Schweller vorn sowie hängende Türen sind bekannte Scirocco-Schwächen.

Ärger beim Toyota? Da ist nicht viel. Hin und wieder klagen die Besitzer über undichte Heckleuchten, einen zu hohen Ölverbrauch und quietschende Bremsen. That's it.

Vertrauensfrage

Wer sich mit Scirocco und GT86 beschäftigt, stellt fest: Unterschiedlicher können kompakte Sportwagen nicht konstruiert sein. Der VW folgt dem gängigen Muster mit Quermotor, Frontantrieb und Turboaufladung. Toyota (und Subaru) kontern mit Saugmotor, Boxer und Heckantrieb. Unter Fahrspaß-Aspekten spricht viel für den Japaner, doch ihm fehlt die Souveränität im Antrieb. Geschmackssache – wie so vieles im Leben. GT86-Fans sollten einen Bogen um das Pure-Modell machen. Mit seinen schmächtigen 16-Zöllern ist es fahrdynamisch keine Offenbarung.

Eine klare Empfehlung ist dagegen ein mit TRD-Komponenten aufgebrezeltes Exemplar. Also lieber etwas Geduld bei der Suche mitbringen. In puncto laufende Kosten ergibt sich ein ausgeglichenes Bild: Der Toyota GT86 ist bei der Versicherung teurer, dafür fallen seine Inspektionen günstiger aus. Ein Blick auf die Ersatz- und Verschleißteile zeigt: Mal ist der eine billiger, mal der andere. Auch beim Spritverbrauch liegen beide in etwa gleichauf. Für wenig Geld bekommt man hier wie dort zwei Coupés, die nicht an jeder Ecke stehen. Wer mehr Geld übrig hat und wem 200 PS nicht ausreichen: VW bot und bietet den Scirocco bis heute auch als R-Version an. Die Leistung: je nach Baujahr 265 bis 280 PS. Leider überlassen Toyota und Subaru dieses Feld den Tunern. Dabei liegt der passende Motor für den in Fan-Kreisen liebevoll „Toyobaru“ genannten Sportler im Regal: Der 2,5 Liter große Turbo-Boxer aus dem aktuellen WRX STI mit 300 PS und 407 Newtonmetern würde perfekt passen. Schade drum, Chance verpasst.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten