VW 181 (1980) Kübel
Laut, langsam, aber lässig

Was ist das für ein Vergnügen mit dem VW 181, als er als "Alter im Test" zu uns kommt! Einfach so und ohne rechten Anlass, könnte man meinen. Doch wurde "The Thing", wie ihn die Amerikaner nennen, nicht gerade 55? Das soll als Grund genügen. Und: Gut Thing will Eile haben. Also los, Otto und Seb, auf fest- und abwegige Teststrecken.

VW 181 (1980)
Foto: Hans-Dieter Seufert

Es passiert wohl im gleichen Moment auf der A 81, als die von den beiden Halogenscheinwerfern beschummerte Nacht gerade merkt, dass es der Sonne auch heute wieder und gleich so früh am Morgen gelingen wird, sie aus dem Tag zu drängen. Da wird dir klar, wozu Kompetenzgerangel – vor weit über einem halben Jahrhundert auf höchster europäischer Bühne aufgeführt – heute führen kann. Zu einem ordentlichen Schnupfen spätestens morgen früh. Und das kommt so:

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Drinnen ist fast wie draußen

Wobei, indirekt kommt es anders, das klären wir gleich. Aber direkt kommt es so, wie es eben kommt, wenn sich der Winter in eine an sich der Frühsommersaison zugeordnete Nacht verirrt und gleichzeitig sachter Benzinduft im Innenraum des 181 wabert. Doch zählt es zu dessen Vorzügen als Phaeton, ein viertüriges Cabriolet, dass innen und außen nie einer ganz festen Trennung unterliegen. Schaffen doch das flatterhafte, ungefütterte PVC-Verdeck, weitfugige Einsteck-Polyglasscheiben und nicht zuletzt nur von breitlöchrigen Gummimatten bedeckte Abflüsse im Boden eine gewisse Übergangslosigkeit zwischen draußen und drinnen. So zieht es mitunter im Wagen, oder Nässe dringt ein – meist aber ereignet sich beides gleichzeitig.

Doch lässt sich der Benzinduft leicht hinauspusten. Also nur die Steckscheiben herausnehmen, in die Schutztaschen und unter die Fronthaube verräumen. Selbstredend ließe sich das Verdeck abtakeln. Doch für dieses Unterfangen ist es unerlässlich, nicht nur die beiliegende bebilderte Anleitung studiert und verstanden zu haben, sondern auch über mehrwöchige Zelt-Freizeiterfahrungen sowie mindestens einen, besser zwei zupackende Mitstreiter zu verfügen. Aber Otto und Hans-Dieter warten ja in Boxberg, und das bekanntlich nicht gern geduldig. Während ich noch in Stuttgart neben dem 181 in der Redaktions-Tiefgarage stehe und im fahlen Licht der Neonröhren die kleine Schottklappe öffne, die sich als Fahrertür versteht.

Komplett offen geht

Ach: Auch alle vier Türen ließen sich aushängen, anschließend jedoch nicht transport- oder diebstahlsicher in dem unterbringen, was dann noch als Karosserie übrig bliebe. So wäre es ratsam, die Türen hier an sicherer Stelle zurückzulassen. Doch nach zweieinhalb Jahrzehnten bei auto motor und sport ahne ich, was ich mir dann von Fotograf Hans-Dieter anhören könnte: "Wenn man einmal Türen braucht, hast du sie na-Tür-lich nicht dabei." Und schließlich: Der 181 hat keine Gurte, beim Slalom drohten wir vom rutschigen Kunstledersitz direkt auf die Straße zu purzeln. Also nur die Seitenscheiben ab, das Verdeck klammert sich am Frontscheibenrahmen fest. Schlüsseldreh, der 1.600er startet. Der kurze erste Gang reicht kaum bis zur ersten Wendung der Auffahrtrampe. Oben, wo das Rolltor emporrasselt, ist der dritte Gang schon lange drin. Kurz anhalten – alles frei, also raus durch die Stadt über die kaltzugige Autobahn voran nach Norden und derweil ein Stück zurück in der Geschichte.

Drei Teams wetteifern

Die des VW 181 beginnt 1966 mit einem Ende. Dem absehbaren des DKW Munga, den die Auto Union (von der Audi als einzige Marke bleiben wird) für die Bundeswehr baut. Der Nachfolger soll nicht weniger sein als ein Europa-Jeep – auf Regierungsebenen erwünscht als Zeichen der Einheit Europas. Daher wetteifern je drei Hersteller aus Frankreich, Italien und Deutschland um die Entwicklung. Aber nicht jeder für sich oder drei Hersteller jeweils für ihr Land. Nein, nein, um die Völker Europas inniger zu verbinden, werden gemischtnationale Dreierteams gebildet: Fiat, Glas/MAN und Renault bilden das erste, NSU, Moto Guzzi und Panhard/Citroën das zweite, Hotchkiss, Büssing und Lancia das dritte. Jedes soll einen 40 bis 50 PS starken, 95 km/h schnell und mit einem Tank 800 km weit fahrenden, luftverlade- und fallschirmabwerfbaren, gelände- und gern schwimmtauglichen, maximal 1.500 kg schweren Kurierwagen mit 500 kg Nutzlast entwickeln. Bis 1970, auf dass die Besten gewinnen!

Notentwicklung aus dem VW-Regal

Durchaus mehr als die Tatsache, dass das Projekt scheitert, vermag zu überraschen, dass es dafür bis 1976 dauert. Da steigt Frankreich entnervt aus dem Kompetenzkarussell aus, und Bundeswehr, Behörden sowie manch heitere Waidmänner bei uns fahren schon seit Jahren VW 181.

Den entwickelt VW ab 1967 eilends als Notlösung für die Bundeswehr. Zum Vorbild nehmen die Konstrukteure neben dem von VW Australien fabrizierten Country Buggy den Kübelwagen des alten Professor Porsche. Dazu passen sie den Plattformrahmen des Karmann Ghia an. So sind die Schweller als mittragende Elemente ausgelegt. Der Käfer-Vorderachse stärken die Entwickler Kurbelarme und Achskörper. Motor, Kupplung, Lenkung und Tank stammen vom VW 1500, vom T1 kommen das Getriebe sowie die Hinterachse samt Vorlegegetriebe für höhere Bodenfreiheit.

Ab 1968 baut VW den Kübel für den Bund, auf der IAA 1969 steht eine Zivilversion – was eben zivil ist an einem Auto, zu dessen Ausstattungsvorzügen laut Hersteller "Polster und Innenraumverkleidungen aus schwer entflammbarem Material" zählen. Nur, was genau könnte sich hier drinnen denn verkleidet haben? Und als was? Eine Frage, für die nun keine Antwort bleibt, schließlich liegt dort schon die Ausfahrt im zarten Morgenlicht. Zweimal links, Stopp an der Automatentankstelle, weiter der Straße nach, der sich ein Wäldchen in den Weg stellt, was sie zu unaufdringlichen Wendungen veranlasst.

Der Kübel erlaubt keine Heldentaten

Schon die genügen, um das Handlingtalent unseres 181 gut auszulasten. Er stammt aus dem letzten Modelljahr und damit aus Mexiko, was die Folkloristen an den Heckleuchten des 1303 erkannt haben. 1980 endet die Produktion des Wagens, weil "The Thing", wie ihn die Amerikaner nennen, in den USA nicht mehr zulassungsfähig ist. Mit Modernisierungen hat es VW in den elf Jahren Bauzeit nicht übertrieben. 1970 bekommt der 181 Gehäuse, Kurbeltrieb und Zylinder des 1.600er-Motors, behält aber die Einkanal-Zylinderköpfe. Ab 1973 boxert das Triebwerk mit höherer Verdichtung 48 statt 44 PS zusammen und kriegt die 1303-Schräglenker-Achse unters Heck geschraubt. Womit eine nette Eigenheit des 181 entfällt: Mit der alten Pendelachse samt Vorgelege reckte er wegen der umgelenkten Drehmoment-Richtung beim Anfahren das Heck nach oben.

Gleich wird er Gelegenheit haben, sich in allerlei Richtungen zu recken. Bevor wir auf dem Hochgeschwindigkeitsoval messen, überprüfen wir die Geländefertigkeiten. Da kraucht der 181 mit dem kurzen ersten Gang auch ohne Untersetzung und nur von den Hinterrädern gedrückt den fast steilen Anstieg empor, kraxelt über die kleinen Verschränkungshügel, wird später durch niedriges Wasser stieben (Otto und ich lassen dafür die Frontscheibe umgeklappt; davon wollen wir rückblickend eher abraten). Das geht alles ganz, nun, ordentlich. Da es sich nicht gehört, einem alten Auto mangelnde Talente vorzuwerfen, nutzen wir die Gelegenheit, dafür unseren früheren Chefredakteur und ersten Autor, den grandiosen Klaus Westrup, zu zitieren. Der schrieb im Test in ams 24/1969 über den 181: "Der Wagen bietet seinem Fahrer kaum Gelegenheit zu besonderen Heldentaten. Was freilich im Grunde kein Fehler zu sein braucht."

Überschaubare Fahrdynamik

Was unseren heroischen Tatendrang selbstredend nicht dämpft. Rüber aufs Testgelände, tanken, wiegen, Messgerät an die Scheibe patschen, GPS-Antenne auf die Vorderhaube und immer rechtsherum im Kreis. Zuerst erheben wir eine unerhebliche Tachoabweichung, danach Schallwerte einer weittragenden Klangkulisse, um sodann im ebenen Teil die Beschleunigung anzugehen.

Mit den Drehzahlen steigert sich der rauchige Klang des Boxers im Stand ins Rasselige. Kupplung schnappt, der 181 zuckt voran. Eilends ist es Zeit für den zweiten Gang, was dem 1.600er einen kurzen Moment des Runterkommens verschafft, aus dem er sich fortan und erst recht im dritten Gang mit schwindender Rasanz erneut die Tourentausender empordreht. Es dreht sich auch die Erde, rechnerisch um 11,69 km, binnen der 25,2 s, nach denen der 181 die Marke von 100 km/h erlangt. Was wir als Zeichen großer Rüstigkeit ehren, ist er doch schneller als im Test von 1976. Damals drehte die Erde 12,57 km weit (drängt sich hier nicht die Möglichkeit auf, die damalige Beschleunigungszeit durch Herleitung selbst zu ermitteln? Gerade pensionierte Pädagogen aus der Naturwissenschaft unterschätzen ja nie die Heiterkeit, Kurzweil und Freude, die solch eine Knobelei unter ihrer pubertierenden Enkelschar auslösen kann).

VW 181 (1980)
Hans-Dieter Seufert

Der VW 181 bestückt sich aus dem VW-Regal.

Da sich ein dreistelliges Tempo ergeben hat – wer weiß, ob und wann das erneut gelingt –, nutzen wir es, um die Verzögerung zu messen. Mit deren Ausführung ist ein Trommelbremsenquartett betraut, doch nicht recht orchestriert. So herrscht zwar Einigkeit darüber, das Abbremsen in materialschonender Milde zu gestalten. Dagegen bestehen unterschiedliche Vorstellungen darüber, wann die Blockiergrenze erreicht sein und in welche Richtung der 181 während des Verzögerungsvorgangs aus der Spur gezogen werden soll. Am Ende eines langen Entscheidungswegs steht der VW links versetzt, und wir fahren rüber zum Slalom.

Wenig Tempo lautet das Credo

Um das eigene Fahrpotenzial gänzlich auszuschöpfen, bedarf es hier keiner waghalsigen Geschwindigkeiten. Bereits bei tiefem Tempo hat die in ihrer Präzision kaum unterschätzbare Lenkung das Überraschungsmoment stets auf ihrer Seite. Schließlich spricht sie erst gar nicht, dann umso überstürzter an, sodass sich alles auf einmal ereignet: Der Wagen neigt sich trotz bolziger Federung dringlich zur Seite, die schütteren Querhaltekräfte der Vorderreifen lassen ab, gleichzeitig drängelt das Heck nach vorn. Den Richtungswechsel zum nächsten Gassenabschnitt der Pylonenreihe gilt es durch aktives Zurück- und Weiterlenken zu unterstützen. Immerhin überstürzt es der 181 ja nicht an Eile für die Strecke der 18 Meter, die zwischen den Pylonen liegt. So umschlingert der VW die Hütchen, erlangt die elfte nach längerer Fahrt nicht minder ermattet und umhergeschubst als Otto und ich. Nun, wäre das auch erledigt.

VW 181 (1980)
Hans-Dieter Seufert

Die Fahrdynamik ist überschaubar, sehr überschaubar.

Womit wir zum Hauptgebäude fahren können, um den Innenraum zu vermaßen, der vier Personen ein in jeder Hinsicht luftiges Raumangebot eröffnet. Dann packen wir ein für eine Rückfahrt, die tatsächlich eine Spazierfahrt ist. Schließlich strahlt die Sonne aus einem Himmel, an dem flockige Wolken von einem Wind geschoben werden, der auch die reifen Weizenfelder ins Wogen bringt. Der 181 tourt – schon, weil er es anders ja nicht könnte – gemächlich über kleine Höhen und durch flache Täler, streift an Wiesen vorbei, duckt sich durch schattige Wälder, und manchmal echot das stete Rasselrauschen seines Boxers an Felswänden entlang. Ein Sommernachmittag könnte friedfertiger und unheldenhafter kaum vergehen. Aber wäre die Welt nicht eine bessere, gäbe es mehr ehrliche Feiglinge als falsche Helden?

Fazit

Der Reiz des 181 liegt keineswegs in seiner Militärkarriere – die Bundeswehr kaufte nur ein gutes Zehntel der 140.768 Exemplare, die in Wolfsburg, Hannover, Emden und Puebla vom Band krauchten. Für uns Freunde der Kraftfahrt ist er VWs wahrer Phaeton und ein heiteres Feld-Wald-und-Wiesen-Herumfahrauto, das nur über das verfügt, was sich beim Autofahren als notwendig erwiesen hat. Ihn nicht zu mögen? Ein Thing der Unmöglichkeit!

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten