VW Golf GTI und Cupra Leon 2.0 TSI im Test
MQB-Sportler im Duell

Seit acht Generationen golft der GTI erfolgreich über unsere Straßen, weil er den Alltag mit mehr als bloß einem Spritzer Sportlichkeit bereichert. Ob das sein MQB-Pendant von Cupra genauso gut kann?

Cupra Leon 2.0 TSI, VW Golf GTI
Foto: Achim Hartmann

Das menschliche Gehirn neigt ja gelegentlich dazu, in Extremen zu denken, in Schubladen zu sortieren. Schwarz oder Weiß, Sieg oder Niederlage, ganz oder gar nicht. Dazwischen: kein Grau, kein zweiter Platz, kein Nur-ein-bisschen. Dabei gibt es noch viel mehr zwischen oben und unten – auch auf dem Sektor der Automobilität. Ein Fahrzeug nämlich, das von allem ein bisschen bietet, nicht in die Extreme ausufert, sondern auf dem Netzdiagramm eine große Fläche statt großer Ausschläge produziert. Eines wie den Golf GTI. Der nämlich bringt nicht nur all die Golf-Tugenden mit, die wir seit eh und je so schätzen, sondern dank 245 PS starker Zweilitermaschine, Sperre sowie gestrafftem Fahrwerks-Set-up auch ein wenig Würze ins Handling.

Unsere Highlights

Die Test-Konkurrenz kommt heute aus dem eigenen Stall, von Cupra, heißt Leon. Schon klar: selbe Technik, anderes Make-up. Da sind wir schnell durch mit dem Testen. Glauben Sie. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail, und deshalb gucken wir uns die Sache – wie bei allen anderen Tests auch – ganz genau an, und zunächst die Daten. Stellen fest, dass der Leon zwölf Zentimeter länger, aber etwas flacher ist, auf jeden Fall mehr Radstand bietet und ein paar Extra-Liter Volumen fürs Gepäck. Mehr Material bedeutet mehr Kilos, bestätigt auch die Waage. 34 Kilogramm.

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Und damit sind wir schon in Lahr auf unserem Messgelände, wo Otto bremst und beschleunigt, Michael slalomiert sowie spurwechselt, Frank Geräusche und den Energieaufwand bei Tempo 130 ermittelt. Hier wird gemessen, was das Zeug hält – und es hält. Na klar. Doch oft sind es nur wenige Zentimeter, Zehntelsekunden oder halbe Dezibel, welche die MQB-Volkssportler trennen – zum Beispiel beim Sprinten, Vollverzögern, Wendekreisen oder Phonmessen.

Teure Cupra-Bremse

Cupra Leon 2.0 TSI
Achim Hartmann
Der günstigere Grundpreis nützt dem Cupra nichts, weil die teure Bremsanlage angerechnet wird.

So richtig vom anderen absetzen kann sich in Lahr keiner. Also klappen wir die Laptops auf, wälzen Preislisten, studieren Ausstattungen, prüfen das Kleingedruckte. Da muss es doch etwas geben. Gibt es, allem voran den GTI-Grundpreis, der über 2.000 Euro höher liegt. Und dann kommt noch das Doppelkupplungsgetriebe des Testwagens obendrauf (2.250 Euro), das bei Cupra genauso zum Standard gehört wie 18-Zoll-Räder (GTI: 705 Euro) oder getönte Scheiben hinten (GTI: 300 Euro).

Die Konterversuche des Golf sind eher halbherzig, mit Apple CarPlay/Android Auto (Leon: 270 Euro), kabelloser Handy-Ladefläche (Leon: 260 Euro) und Progressivlenkung (Leon: 890 Euro). Dass sich die beiden bei den bewerteten Kosten dann doch wieder sehr nahe kommen, liegt auch an der 2.570 Euro teuren Brembo-Bremsanlage des Cupra, die ihm zwar einen festen, schön dosierbaren Druckpunkt beschert (die Standardanlage geht eher halbherzig und undefiniert zu Werke), mit 34,2 Metern Bremsweg (warm) allerdings weniger von sich reden macht, als der große Name des Zulieferers verspricht. Dann aber finden wir doch noch etwas, besser gesagt Edwin, unser Datenpapst: Im Sicherheitskapitel nämlich fällt ihm auf, dass nur der Golf ab Werk vor Querverkehr im Kreuzungsbereich warnt und den Fahrer bei Ausweichmanövern lenkunterstützt. Okay, macht nur vier Punkte Differenz. Doch in keinem Einzelkriterium setzt sich der GTI vom Cupra eindeutiger ab als hier.

Viel Touch

Cupra Leon 2.0 TSI
Achim Hartmann
Kleiner Schönheitsfehler: Dem Getriebe-Wählstummel im Cupra fehlt eine integrierte Fahrstufen-Anzeige.

Und wie sieht’s innen aus? Ganz schick eigentlich und im Cupra sogar noch etwas schicker, weil er auf fettfingeranfällige Klavierlackblenden verzichtet, das insgesamt höhere Haptik-Erlebnis bietet. Mit effektiver gekapseltem Innenraum aber zieht der Golf wieder gleich, integriert seine Mitfahrer auf der Fondbank besser, vorn – auf der weiter geschnittenen Beinauflage – jedoch genauso gut wie im Cupra.

Obwohl dazu schon alles geschrieben wurde, müssen wir noch kurz ein paar Worte zum Infotainment mit der touchlastigen Bedienung verlieren. Wobei es dieses Mal keine schwarzen Bildschirme gab. Nach wie vor schwarz bleibt allerdings die Wischleiste für Temperatur und Lautstärke darunter. Letztere kann man natürlich auch übers Lenkrad regeln, im GTI allerdings auch dort allein mit berührungssensitiven Wisch-Drück-Flächen. Echte Tasten gibt’s an dieser Stelle nur im Leon, der darüber hinaus ergonomischer eingerichtet ist – mit blickgünstigem, da weiter oben in den Armaturenträger gestecktem Zwölf-Zoll-Touchscreen.

Zwei Zoll weniger misst der als Verlängerung des Instrumentendisplays konzipierte Golf-Bildschirm, dem dafür vier Direkt-Touch-Felder zwischen die mittleren Luftausströmer gestellt werden. So ist man im Cupra trotz konfigurierbarem Home-Bildschirm und verschiebbaren Icons manchmal einen Klick mehr von der gewünschten Funktion entfernt als im GTI.

Spaß auf der Autobahn

VW Golf GTI
Achim Hartmann
Der Golf lenkt ein ganzes Stück kommunikativer und zielgenauer als der Leon.

Irgendwann aber hat man sich dann doch mal eingerichtet und es dürfen Motoren gestartet, Gänge gewechselt, Lenkräder gedreht werden. Aller-dings wirkt der an ein Siebengang-DSG gekoppelte EA888-Motor beim Anfahren oft etwas tranig. Liegt erst einmal genügend Drehzahl an, reagiert er hingegen flink, dreht ab gut 2.000 Touren linear hoch, überzeugt im GTI über das gesamte Drehzahlband mit Sport-Klang, wohingegen es dem Leon obenrum ein wenig an akustischer Emotion mangelt. Dabei wartet doch die Cupra-Anlage mit den matten Endrohrblenden zwischen Leerlauf und 3.000 Touren mit sonorem Sound auf. Bei Tempo 130 drehen die Vierventiler 2.100 Touren im siebten Gang, bestens ablesbar über das konfigurierbare Digitalinstrument mit großem, mittig platziertem Drehzahlmesser. Komisch nur, dass die Cupra-Software immer wieder auf die fahrerassistierte Ansicht springt, sobald man die Spurhaltehilfe ausschaltet. Auch der GTI hat seine Marotte, diktiert uns Instrumente mit rotem Hintergrund, sobald das Ambientelicht deaktiviert ist.

Autobahn können beide, auch von Garmisch bis Flensburg (Reichweite: über 600 Kilometer), gerne im Individual-Modus, in dem man die Dämpferkennlinie noch softer einstellen kann als in "Comfort", was besonders die Rückbänkler schont. Trotzdem verliert hier keiner die Verbindung zum Boden, klinken sich beide in schnellen Autobahnkurven auch weit oberhalb von 200 km/h sauber ein, filtern Querrillen gut, ohne zu viel Bewegung ins Heck zu bringen. Der GTI macht das sogar noch eine Spur feiner, spricht bei mehreren aufeinanderfolgenden Asphaltflicken selektiver an.

Golfs Kennlinien-Kunde

VW Golf GTI
Achim Hartmann
Die Lenkrad-Schaltwippen sind beim GTI deutlich griffgünstiger positioniert.

Die Bestätigung des Ersteindrucks gibt’s auf der Landstraße, wo VW-Fahrwerk und -Aufbau stärker voneinander entkoppelt sind, ohne den Sportsgeist zu stören. Sonst noch was? Na klar, und ganz wichtig in dieser Klasse: die Lenkung. Radaufhängung und Achsgeometrie dürften sich nicht grundlegend unterscheiden. Allerdings sendet das Steuer im Cupra weniger Informationen von den speziell abgemischten Potenza S005 in die Fahrerhände. Die GTI-Kennlinie kommuniziert klarer über den Haftzustand der 235er-Gummis, bewirkt, dass das Steuer mit den höheren Rückstellkräften aus der Nulllage heraus weniger prompt anspricht – ohne dass der Golf Spurwechsel verzögert einleitete.

Schnell mal den Fahrmodus wechseln könnte man im Cupra, wenn er denn das Supersport-Lenkrad (830 Euro) mit der entsprechenden Lenkradtaste hätte. Hat er aber nicht, und so muss man sich kurz mit dem Display beschäftigen, statt das wie im Golf mit dem Direktwahl-Touchfeld zu erledigen. Jederzeit und ohne Ablenkung möglich ist dagegen der Wechsel in den manuellen Getriebemodus per Wippen am Lenkrad, die im Cupra ein paar Zentimeter weiter zur Lenksäule gerückt sitzen.

Doch nicht bloß zum Schalten braucht man die kleinen Hebelchen, sondern auch, um der Getriebesteuerung – hier wie dort – das bei gefühlt jedem Gaslupfer eingeleitete Leerlauf-Segeln auszutreiben. Bergab nämlich wird man dabei so schnell, dass eine Frontkollision droht und/oder man das Tempolimit reißt.

Richtig reißen kann hier aber keiner etwas gegenüber dem anderen, denn unterm Strich rettet der Golf bloß einen Sechs-Punkte-Abstand ins Ziel. Auch eine Art der Extreme. Extrem knapp nämlich.

Umfrage
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12281 Mal abgestimmt
Für den Cupra Leon. Er ist einfach kompromissloser.Für den Golf GTI. Der Klassiker ist der bessere Allrounder.

Fazit

1. VW Golf GTI
585 von 1000 Punkte
2. Cupra Leon 2.0 TSI
579 von 1000 Punkte
Technische Daten
Cupra Leon 2.0 TSI VW Golf GTI GTI
Grundpreis38.790 €43.155 €
Außenmaße4398 x 1799 x 1442 mm4287 x 1789 x 1478 mm
Kofferraumvolumen380 bis 1301 l374 bis 1230 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung180 kW / 245 PS bei 5250 U/min180 kW / 245 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h6,1 s6,0 s
Verbrauch8,1 l/100 km
Testverbrauch8,1 l/100 km8,2 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten