Van-Sterben immer dramatischer
Gesucht: Familienauto, kein SUV

Mit dem Seat Alhambra geht ein Eckpfeiler der Familien-Mobilität in Rente. Gibt's überhaupt noch Vans? Oder Alternativen? Wir zeigen sie sowie ihre Vor- und ihre Nachteile.

Vans Familienautos Friedhof Produktion Ende
Foto: Hersteller / Getty Images / Patrick Lang

Die Meldung des in Rente gehenden Seat Alhambra löst zunächst die Frage aus: "Ach, den gabs noch?" Korrekt, mit Konzernbruder Sharan bildete er die letzte Bastion einer seit langem darbenden Autoklasse: den echten Vans. Pionier Renault setzte mit dem ersten Espace 1984 den Startschuss, dem folgten gut zwei Dekaden lang alle Hersteller mit mannigfaltigen Interpretationen des geräumigen, praktischen Familienautos. In den letzten gut 15 Jahren unter Druck gesetzt wurden Vans und Mini-Vans von hochgelegten Kombis mit einem Hauch Rallye Dakar: den SUVs. Das Problem: Versuchen Sie heute mal einen Van oder Mini-Van zu kaufen, der tatsächlich für eine Familie taugt. SUVs – mit dieser Meinung stehe ich nicht allein – taugen halt einfach für nix, außer den Klimawandel zu beschleunigen. Sorry, das musste mal raus!

Unsere Highlights

Die Familie für die Vans

Die Antwort ist 1,54. Nicht die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest; das ist seit Douglas Adams' Epos 42. 1,54 ist die durchschnittliche Kinderzahl, die "Frau" 2019 in Deutschland geboren hat. Das runden wir großzügig auf zwei, denn 1,5 Kinder im Auto ist irgendwie schwierig zu kalkulieren. Damit wären wir schon beim Thema: Die Durchschnitts-Familie braucht ein neues Auto.

Wir sind die Modellfamilie

Da stehe ich nun als durchschnittlicher Familienvater mit Frau, zwei Kindern und ohne Hund. Leider auch ohne echtes, modernes Familienauto mit genug Platz für alle plus Gepäck, dafür kompakt genug für die Garage und günstig im Unterhalt. Im Allgemeinen praktisch und gerne variabel in einem Innenraum, der im besten Falle per Kärcher zu säubern ist. Kurz: ein Van. Besser ein Mini-Van. So einen fahren wir. Renault Scénic III Typ JZ, Baujahr 2010, 150.000 Kilometer. Diesel. Mittlerweile Kurzstrecken. Nicht die Top-Kombo für 2022. Nun fahren die beiden Knirpse noch 12 bis 16 Jahre mit, das wird der Scénic nicht packen. Ginge er heute hops, stünden wir vor einer harten Entscheidung, denn: Solche Autos gibt es heute neu kaum noch und wenn dann mit wenig zukunftssicherer Technik, sprich mit Verbrenner. Oder noch schlimmer und überspitzt dargestellt: als SUV mit 400 Elektro-PS.

Familienauto
Playmobil

Das Lastenheft ist dünn

Wir brauchen nicht viel: Platz für fünf, nicht weniger Raum als heute. Gerne herausnehmbare Sitze oder mindestens Einzelsitze. Beides enorm praktisch. Normale Elektronik, Klimaautomatik sollten sein, Sitzheizung wäre toll. Antrieb gerne subventioniert und unfossil, also batterieelektrisch. Und natürlich: maximal 30.000 Euro. Mit dem gesetzten Preisfilter bleiben sechs mögliche Kandidaten, vier davon sind Auslaufmodelle, zwei davon ohne aktuellen Nachfolger. Sie merken: Die Auswahl an Vans klein und an Mini-Vans noch kleiner, um nicht Mini zu sagen.

Der aktuelle Scénic

Fix bei Renault gekuckt: Ja, den Scénic gibt es noch. 300 Liter(!) weniger Maximaladeraum, keine herausnehmbaren Sitze. Preis: ab 29.900 in der Basis-Version Equilibre, was Balance heißt und reicht. Trotzdem: Schwieriger Deal. Der Grand Scénic ist ein Ausläufer, böte deutlich mehr Laderaum, ist aber gut 20 Zentimeter länger und 1.200 Euro teurer. Das zweite ist keine große Hürde, ersteres provoziert ein Veto der hauseigenen Kanzlerin. Übrigens: Den aktuellen Espace V fuhr ich in einem früheren Leben und das ist kein Familienauto.

Renault Scénic
+ gute Ausstattung
+ passt in die Garage
- Laderaum deutlich kleiner als beim Scénic III
- in der Basis nur als Schalt-Benziner

Renault Grand Scénic
+ großer Laderaum
+ preislich interessant
- zu lang für die City
- Ausläufer ohne Nachfolger
- nur als Verbrenner

Über den Tellerrand

BMW 2er Active Tourer sagt einer. Schaun‘ wir mal. Maße wie der aktuelle Scénic, dafür 5.200 Euro teurer und vergleichbar ausgestattet. Der Blick fällt auf den noch erhältlichen, auslaufenden Gran Tourer, der auf dem Papier dem Grand Scénic recht nahekommt und beim Preis dem kurzen Scénic. Ob 109 PS aus drei Zylindern bei schwach ausgestatteten 1.500 Kilo eine nachhaltige Kombination ist, wage ich zu bezweifeln. Erbsenzählerei? Vielleicht. Und den Design-Check der Herrin bestehen beide BMW’s nicht. Da kann BMW nichts dafür, schränkt meine Möglichkeiten aber zusätzlich ein.

BMW 2er Active Tourer
+ gibt es als PHEV
+ immerhin ein BMW
- Preis
- schwierige Optik

BMW 2er Gran Tourer
+ Platz
+ attraktiver Preis
– kleiner Verbrenner, hohes Gewicht
– zu lang für die City

Umlackierte Postautos

Bleibt eine interessante Fahrzeugklasse übrig: kleine Transporter á la Renault Kangoo und Toyota Proace City Verso, VW Caddy, Ford Tourneo Courier oder Citroën Berlingo. Den Kangoo hat Renault gerade frisch gemacht, preislich ab 24.450 Euro interessant. Der Toyota lockt mit 21.160 Euro Startpreis. Den neuen Caddy gibt es ab 25.168 Euro. Den Ford kann man für 23.707 Euro bekommen. Den Berlingo gibt es nur noch elektrisch und geht bei 36.590 Euro los, abzüglich entsprechender Förderungen. Platz haben die Kasten-Kisten massig, die Preise passen und lassen noch etwas Budget für kleine Upgrades. Mit dem E-Berlingo führen wir sogar elektrisch. Ist der Kastenaufbau mein neues Familienauto mit Handwerker-Charme? Ein klares: Womöglich. Zwei Hürden gilt es zu nehmen. Erstens: Mein Garagenportal erlaubt maximal 190 Zentimeter Dachhöhe. Da tastet sich der Toyota mit 188 Zentimeter riskant nah heran, die übrigen bleiben mit 171 bis 186 gerade noch darunter. Zweitens: Ob man die Familie in umlackierten Post-Autos kutschieren möchte, muss jeder selbst entscheiden. Meine Queen ist not amused. Schade.

Renault Kangoo
+ viel Platz
+ guter Preis
– kein Elektroantrieb verfügbar

Toyota Proace Verso City
+ günstige Preise
+ große Modellauswahl
– baut sehr hoch

VW Caddy
+ viel Style für ein Nutzfahrzeug
– knackige Preise

Ford Tourneo Courier
+ niedriger Einstiegspreis
– nur als Diesel
– keine Einzelsitze hinten

Citroën E-Berlingo
+ BEV-Antrieb
– Preis noch etwas hoch
– überschaubare Reichweite

Outside the Box

Sehr aktuell ist Anfang 2022 der neue Dacia Jogger. Der schwimmt so zwischen Kombi und Van, ist zunächst als Autogaser und Benziner zu haben und baut sich so eine Nische, wie zuletzt die Mini-Vans. Interessante Sache. Der Jogger einen verdammt großen Kofferraum, gute Ausstattung, ist in der Topversion mit 17.490 Euro erschreckend günstig und passt in die Garage. Der 999-Kubik-Motor – mein Motorrad hat mehr Hubraum – muss allerdings beweisen, ob er das Zeug hat mein neues Familienauto zu bewegen oder ich doch auf den Hybrid warten muss. Die Chefin hat erstmal nur die Augenbraue gehoben. Ein gutes Zeichen.

Dacia Jogger
+attraktives Modell
+ Kampfpreis
– 999 Kubik Motörchen

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Ja. Vans sind die wahren Alleskönner unter den Automobilen und sollten wieder mehr geschätzt werden.Nein. Das ist pure automobile Langeweile. Es gibt schließlich Gründe, warum die Marktanteile stetig fallen.

Fazit

Allzu ernst sollte man diesen Artikel nicht nehmen, zumal der Autor ohnehin lieber gebraucht kauft. Doch mit Blick auf die Segmente werden echte Familienautos (keine SUVs) – auch gebraucht – immer knapper oder mutieren zu obskuren Zwitterwesen, die weder Van noch SUV sind. Und die paar Modelle, die es gibt, werden von unzeitgemäßen Antrieben bewegt oder laufen aus. Der Traum des echten Familienautos, vielleicht sogar mit batterieelektrischem Antrieb zu einem Preis, der nicht in den Ruin führt, er wird wohl noch etwas geträumt werden müssen.

Und selbst wer nicht elektrisch fahren will: Vans und Mini-Vans sterben aus. Und warum: Weil irgendjemand gesagt hat, man müsse Kombis unbedingt hochlegen, um sie später als Sport-SUV wieder tieferzulegen. Also Scénic III, mach es bitte noch ein paar Jahre, bis es den E-Berlingo gebraucht oder den Jogger in elektrisch gibt, am besten mit etwas mehr Reichweite als aktuelle Angebote.