Rasanter Anstieg von Verkehrstoten in den USA
Zoom Zombies ohne Konzentration

In den USA ist die Zahl der Verkehrstoten sprunghaft angestiegen – bei sinkendem Verkehrsaufkommen. Dies hängt auch mit Videokonferenzen zusammen.

Auto-Unfall
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Die Corona-Pandemie hat Software für Videokonferenzen einen massiven Verbreitungs-Schub verliehen. Zoom von Zoom Video Communications und Microsoft Teams haben ruckzuck persönliche dienstliche und auch manche private Treffen ersetzt. Aber anscheinend sind die Teilnehmer solcher Konferenzen danach im Straßenverkehr unkonzentriert. Außerdem laufen diese Konferenz-Apps auch auf Smartphones – und deren Besitzer nutzen die Software anscheinend teilweise auch, während sie hinterm Steuer sitzen. In den USA gehört dies zu den Gründen, warum trotz sinkendem Verkehrsaufkommen die Zahl der Verkehrstoten gestiegen ist – so hoch wie seit fast 100 Jahren nicht mehr.

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Auto-Unfall
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Durch Smartphone-Ablenkung verursachte Unfälle nehmen in ihrer Häufigkeit zu.

Höchster Anstieg an Verkehrstoten seit 97 Jahren

Die US-Amerikaner sind 2020 pandemiebedingt 13,2 Prozent weniger Meilen gefahren als noch 2019. Die Zahl der Verkehrstoten stieg laut der US-Straßen- und Fahrzeugsicherheits-Behörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) im gleichen Zeitraum um acht Prozent. Heruntergerechnet auf Meilenbasis beträgt der Anstieg 24 Prozent – der höchste Anstieg bei Verkehrstoten seit 1924. Eine der Ursachen dafür sind Videokonferenzen.

Weniger Konzentration nach Videokonferenz

Der Kfz-Versicherer Root Insurance aus Columbus im US-Bundesstaat Ohio hat das Marktforschungs-Unternehmen Wakefield Research (Washington, D.C.) beauftragt, nach den Gründen für den Rasanten Anstieg an Verkehrsunfällen mit tragischem Ausgang zu suchen. 54 Prozent der 1.800 befragten Personen gab an, sich nach einer Videokonferenz während der Fahrt nicht mehr richtig konzentrieren zu können, was ihnen in den USA bereits den Spitznamen Zoom Zombies eingebracht hat.

Microsoft Teams App
Gregor Hebermehl
Nach Videokonferenzen fühlen sich über die Hälfte der befragten Fahrer in den USA im Straßenverkehr weniger konzentriert.

Digitales Multitasking ins Auto übertragen

Root-Insurance-Chef Alex Timm sieht die Art und Weise, wie Menschen seit der Corona-Pandemie mit ihren Fahrzeugen umgehen, grundlegend verändert: "Da viele plötzlich auf eine virtuelle Umgebung umgestiegen sind, hat die Abhängigkeit der Amerikaner von Technologie und die Zeit, die sie vor Bildschirmen verbringen, dramatisch zugenommen. Das führt dazu, dass die Mehrheit der Fahrer dieses ablenkende Verhalten in ihre Fahrzeuge übertragen."

Häufigerer Smartphone-Check im Auto

Laut der Studie hat auch die Häufigkeit zugenommen, mit der Autofahrer ihre Smartphones während der Fahrt auf beispielsweise neue Nachrichten überprüfen. Zwei Drittel der Befragten gaben an, während der Fahrt auf ihr Handy zu schauen – auch das bedeutet einen Zuwachs um acht Prozent gegenüber 2019. Zudem überprüfen ein Viertel aller Fahrer eine viertel Stunde nach Beginn der Fahrt ihr Handy – dies sind zehn Prozent mehr als 2019.

06/2018, Smartphone als Autoschlüssel
Pixabay
Wider besseren Wissens, können Autofahrer oft während der Fahrt dem Blick aufs Smartphone nicht widerstehen.

Viele Fahrer kennen Gefahr – und überschätzen sich trotzdem

Die Verantwortlichen von Root Insurance gehen davon aus, dass die Corona-Pandemie dazu geführt hat, dass einige Fahrer glauben, ihre Fähigkeit, im abgelenkten Zustand ein Fahrzeug zu bedienen, sei gestiegen. 93 Prozent der Befragten gaben an, dass das Überprüfen ihrer Telefone während der Fahrt ihr Fahren negativ beeinflusst. Trotzdem sind 30 Prozent der Befragten davon überzeugt, trotz Telefonbedienung sicher zu fahren. Der Hang, sich in dieser Hinsicht zu überschätzen, ist bei jüngeren Menschen offenbar stärker ausgeprägt: Bei der Generation Y/Millennials (geboren in den 1980er- und 1990er-Jahren) glauben 40 Prozent der Befragten, dass sie trotz Handynutzung noch sicher fahren können, bei der Generation Z/Zoomer (1990er- bis 2000er-Jahre) sind es sogar 50 Prozent.

Der Platz hinterm Steuer ist nicht das Wohnzimmer

Alex Timm betont dazu, dass viele Amerikaner ihre Fähigkeiten zum Einsatz von Technologie und zum Multitasking während der Pandemie verbessert haben. Wichtig sei aber, dass sich diese Fähigkeiten vom Wohnzimmer nicht auf die Fähigkeiten während der Fahrt übertragen lassen. Wenn sich die Fahrer hinters Steuer setzen, sollten sie die Gefährlichkeit von falschem Vertrauen darauf, gleichzeitig fahren und ein Telefon bedienen zu können, erkennen, und somit sich und ihre Mitfahrer schützen.

Mini Cooper S Coupé
Hans-Dieter Seufert
Bei Geschwindigkeiten von um die 90 km/h legt das Auto über 100 Meter zurück - während der Fahrer auf den Smartphone-Bildschirm schaut.

Ein Blick aufs Smartphone – 120 Meter Fahrt

Das IIHS (Institute for Highway Safety) gibt an, dass Fahrer zum Überprüfen ihres Smartphones im Schnitt 4,6 Sekunden brauchen. Bei einer Geschwindigkeit von 55 Meilen pro Stunde (89 km/h) hat der Fahrer dann auf einer Strecke von 120 Metern (Länge eines Football-Feldes) seine Augen nicht auf der Straße.

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Fazit

Die Ablenkung von Autofahrern durch den Gebrauch von Mobiltelefonen während der Fahrt und damit verbundene schwere Unfälle sind kein neues Phänomen – aber die beschleunigte Digitalisierung und Vernetzung währen der Corona-Pandemie scheint, zumindest in den USA, zu noch mehr Ablenkung während der Fahrt zu führen. Hinzu kommt, dass die Fahrer zwar um das Ablenkungspotential ihrer mobilen Endgeräte wissen, teilweise trotzdem aber der Überzeugung sind, während der Handybedienung noch sicher fahren zu können.

Außerdem scheint es so zu sein, dass sich Autofahrer auch nach einer Videokonferenz unkonzentrierter fühlen.

Rechtlich ist die Lage klar: Das Bedienen des Handys während der Fahrt ist verboten. In Deutschland gilt das Gleiche sogar für Touchscreens. Das Problem ist anscheinend die Durchsetzung dieser Verbote.