Personenschutzautos BMW 7er und X5 Protection
Wir durften checken, fahren, lernen

Wir blicken in die Welt der Sonderschutzautos und durften beim BMW-Fahrertraining für Personenschützer mit BMW 7er und X5 Protection im Fahrsicherheitszentrum Groß Dölln mitmachen.

Ich fahre einen gepanzerten 7er, neben mir mein Kollege, hinten die schutzbedürftige Person. Wir biegen in eine Straße ab, zu den Seiten nur Wiese, auf der zwei Fotografen und ein anderer Typ stehen. Boom! Es knallt, an der Tür wird's warm, die Scheiben füllt eine locker drei Meter hohe Flamme. Im Straßenverlauf sind keine Bedrohungen auszumachen, also steuer ich weiter geradeaus. "Das war es, kommt zurück", tönt es aus dem Funkgerät.

Unsere Highlights
BMW Protection
BMW

​​Ein bisschen der Hitze dieser hohen Flamme spürt man als Fahrer.

Die Explosion war das Spektakel des Schnupperkurses mit Inhalten aus dem BMW-Fahrertraining für Personenschützer. Wie unsere Leistung bewertet wurde? Schlecht, denn wir haben die Schutzperson weiter in die Gefahrenzone befördert – richtig wäre gewesen, im Rückwärtsgang abzuhauen. Und nicht mit 180-Grad-Wende, sondern schlicht rückwärts, erklärt einer der Fahrlehrer: "Für die Hollywood-Wende brauchst du in der Praxis zu viel Platz und ein kleiner Präzisionspatzer reicht, dann knallst du in ein geparktes Auto, eine Leitplanke oder Hauswand." Das erklärt, wieso wir auch mal kurz im Rückwärtsgang durch einen Slalomparcours fahren, was nicht leicht fällt.

Ansonsten trainieren wir vor allem das Ausweichen: beschleunigen, am Gasseneingang bremsen, vor den Hütchen ausweichen. Die extremen Gewichte der Protection-Modelle spürst du sehr deutlich – aber das eigentliche Ausmaß nicht, jedenfalls reagieren die Autos viel weniger träge, als man annehmen würde. Ein 760i wiegt 2.345 kg, dieser gepanzerte gleich vier Tonnen. Der i7 mit zwei Elektromotoren? 4,4 Tonnen. Nur 3,3 Tonnen sind es beim leichter gepanzerten X5, der sich auch wegen seiner kompakteren Maße einfacher durch die Hütchenkurse manövrieren lässt.

7er gegen 15 kg TNT

Wir halten fest: Die Protection-BMW fahren ordentlich. Nur was zeichnet Sonderschutzfahrzeuge eigentlich aus? Grundsätzlich die Stahlpanzerung und das durchschusshemmende Glas. Sowohl als auch wird in Widerstandsstufen von VR1 bis VR10 ("vehicle resistance") vom Beschussamt in Ulm oder München bewertet. Für die VR10-Prüfung schießen sie auf den Wagen und sprengen ihn mit dem Äquivalent von 15 kg TNT seitlich an. Noch sicherer als VR10 ginge zwar, dann fallen die Autos jedoch unter das Kriegswaffenkontrollgesetz, zudem wird es wohl schwieriger, die Fahrzeuge nicht offensichtlich als gepanzerte Boliden zu entlarven.

BMW Protection
Thomas Hellmanzik

Im Vergleich mit dem regulären 7er (rechts) erkennt man beim Protection-Modell (links) den viel wuchtigeren Rahmen um die Windschutzscheibe.

Grundsätzlich identifiziert man die Protection-Modelle am schnellsten an den ringsum dicken Rahmen der massiven Scheiben. Das Glasdach entspricht hingegen dem des Serien-7er, obwohl man es von innen gar nicht sieht. Vorteile hat es trotzdem: So erkennt man die gepanzerte Version von oben nicht, und wenn Drohnen ein magnetisches Paket abwerfen, haftet es am Glas nicht. Auch praktisch: Zwischen der Scheibe und dem darunterliegenden Panzerstahldach bleibt eine Schicht, in der Platz für zusätzliche Antennen bleibt.

Die eigentliche Verglasung des 7er Protection erfüllt VR10. Die nicht nachträglich, sondern bei der Fertigung mit Panzerstahl geschützte Fahrgastzelle VR9 – diese auch in allen Fugen und Bauteilübergängen lückenlos zu schützen, schildern die BMW-Ingenieure als die hohe Kunst des Sonderschutzautobaus. Die Zelle des V8-angetriebenen 760i bringt BMW optional auf VR10: So ausgerüstet wiegt die Limousine 75 kg mehr und wehrt etwa Projektile aus Dragunow-Scharfschützengewehren zertifiziert ab. Für die Karosserie des elektrischen i7 wird das VR10-Paket nicht angeboten, hauptsächlich, weil man eine gewisse Zuladung erhalten wolle: 450 kg können bestenfalls zugeladen werden (760i: 635 kg).

Der X5 VR6 trägt seine Schutzstufe im Modellnamen und landet inklusive Zuladung bei knapp 3,7 Tonnen – also auch zu viel für einen Klasse-B-Führerschein. Gebaut wird er mit allen anderen X5 in den USA, anschließend kommt er zur Panzerung nach Mexiko. Was der SUV so abkann? In der Prüfrichtlinien-PDF des Beschussamts Ulm steht bei VR6 eine Kalaschnikow.

15.000 Euro für PAX-Reifen

Weitere Erkennungsmerkmale der gepanzerten Autos? Indikatoren sind Blaulichtblitzer oder umliegende Autokonvois. Handfest macht es beim Siebener die PAX-Bereifung von Michelin. Auf der Flanke solcher Reifen stehen außergewöhnliche Größenangaben wie "255-740 R 510 AC" und am Übergang zur Felge erkennt man einen Wulst. Der existiert wegen der doppelten Reifenführung innerhalb der Felge, die das Abspringen des Reifens verhindern soll, wenn Luftdruck fehlt. Mittig auf der Felge sitzt ein Kunststoff-Stützring, mit dem das Rad für eine Weile sogar ganz ohne Luftdruck halbwegs funktionstüchtig bleibt. Solche Reifen gab es Anfang der Nullerjahre mal für Renault Scénic, Audi A6 oder etwa den Bugatti Veyron, heute sind die bekannteren Runflats gängiger, die auch auf dem X5 Protection stecken. Diese ermöglichen mit steiferen Seitenwänden eine Weiterfahrt bei Schäden, ohne jedoch einen derart festen Sitz auf der Felge sicherzustellen.

BMW Protection
Uwe Fischer

​​​Beim PAX-Sicherheitsreifen sieht man am Übergang zur Felge eine Wulst. Die außergewöhnliche Größenaufschrift lautet „255-740 R 510 AC“.

Dafür sind sie nicht so teuer wie ein Satz PAX-Reifen, der für den 7er im Bereich von 15.000 Euro liegt. Präzisieren wollen die Bayern das nicht, ohnehin reden sie nicht gerne über Geld, verraten aber, dass der 760i preislich auf dem Niveau der Konkurrenz liegt. Die Schwaben sind da gesprächiger: Ein Mercedes S 680 Guard kostet ab 543.950 Euro. BMW spricht beim Kaufpreis aber auch von einer untergeordneten Relevanz, da die Kunden oft so liquide sind, dass sie gleich mehrere Exemplare ordern. Auch sei die Kundschaft ausgewählt: Interessenten prüfe man, damit die Autos nicht in kriminelle Hände gelangen. BMW gibt an, sich zusätzlich in den Kaufverträgen ein Vorrecht auf den Rückkauf einzuräumen, wenn der Eigentümer verkaufen möchte – über die Menschen wird selbstverständlich nicht gesprochen.

Ohne aktive Abwehr

Deren Sonderwünsche hält München ebenfalls geheim, geben aber an, aktive Abwehr wie unter Strom stehende Türgriffe oder Signalstörsender nicht zu verbauen. Erhältliche Extras sind etwa weitere Fensterheber, von denen sonst nur in der Fahrertüre einer steckt. Die dicken Scheiben fahren nicht mit einer Automatik hoch, weil ein Einklemmschutz fehlt, der je nach Bedrohung kontraproduktiv wäre. Auch öffnen die Fenster nicht weit genug, um durch die Luke klettern zu können. Ansonsten können die meisten Ausstattungsdetails der Serienfahrzeuge ebenfalls gebucht werden, eine der Ausnahmen ist etwa das Head-up-Display, weil die Darstellung auf der Vielschichten-Windschutzscheibe nicht anständig funktioniert. Dafür gibt's exklusiv für den Protection-Fond einen Kühlschrank.

BMW Protection
Thomas Hellmanzik

Die vielschichtigen Seitenscheiben öffnen nicht vollständig.

Zur Grundausrüstung gehören Assistenzsysteme, wie sie in jedem Auto stecken. Ein Unterschied: Nach einem Unfall verhindert die Elektronik eine Weiterfahrt nicht. Besondere Schutzassistenz liefert die Ummantelung des nicht gepanzerten Tanks: Sollte der Spritbehälter Splitter abbekommen, reagiert das Material mit dem Benzin und verschließt so Löcher gleich wieder. Die über 100 kg schwere Windschutzscheibe (normalerweise rund 10 kg) trägt genau wie ein Teil der vorderen Seitenscheiben sichtbare, aber sehr dünne Heizdrähte. Essenziell sind zudem die Elektromotoren, die bei der Betätigung der je 200 kg schweren Türen helfen; so leicht wie ungepanzerte Türen (circa 35 bis 40 kg) öffnen sie aber nicht.

Protection-Infotainment

Die Schließen über Dachhimmeltasten oder ein Zusatzmenü auf dem Touchscreen auch alleine. In dem Menü wechselt man sonst die Funkkanäle oder schaltet die Gegensprechanlage ein: Unten an den Außenspiegelgehäusen sitzen Mikrofone und in der Front Lautsprecher, um bei geschlossenen Fenstern mit der Außenwelt kommunizieren zu können.

BMW Protection
BMW

In der Dachzeile und rechts neben der Navikarte sind Protection-Sonderfunktionen anwählbar.

Über die Monitordachzeile sind weitere Sonderfunktionen erreichbar, beispielsweise die Aktivierung des Ersatzakkus, falls der Strom der Hauptbatterie den Anlasser nicht gedreht bekommt. Ein Klick auf "Air" hilft bei Gasangriffen: Im Fahrzeug wird ein Überdruck erzeugt, um bereits eingetretenes Gas rauszudrücken, dann schließen die Lüftungsöffnungen und aus der im Kofferraumunterboden gelagerten Sauerstoffflasche strömt für circa fünf Minuten atembare Luft. Unter dem Auto platzt ein Molotowcocktail? Das rote Feuerlöschsymbol löst die Löschanlage für den Fahrzeugunterboden und den Motorraum aus.

Weil es eben auch dort knallen kann, sind Protection-BMW mit Stahlfedern ausgestattet, die viel mehr aushalten als die Luftfedern des Serienmodells. Auch dem X5 fehlt somit eine Höhenverstellung, wobei die vorhandene Bodenfreiheit die meisten Pfade im Offroadgelände weitestgehend gut ermöglicht.

BMW Protection
Uwe Fischer

Das Seitenrollo gibt in der „Spy“-Position einen etwas größeren Guckschlitz frei.

Und der Federungskomfort? Auf der Rückfahrt vom Trainingszentrum sitze ich im i7 hinten rechts: Auf der Landstraße fahrwerkt der gepanzerte E-Wagen überaus angenehm, die dicke Verglasung scheint für die sonst schon ruhige Geräuschkulisse aber wenig auszumachen. Jedenfalls geht's dir hier hinten super. Eigentlich. Uneigentlich sitzt du hier, weil du Schutz brauchst. Gut also, dass es VR10 gibt. Schlecht nur, wenn man VR-irgendwas überhaupt braucht.

Umfrage
Würden Sie für mehr Sicherheit mehr bezahlen?
1261 Mal abgestimmt
Ja, denn ich habe nur das eine Leben.Nein, ich fahre so vorsichtig, da kann nichts passieren.

Fazit

Ein Ausflug in die überaus facettenreiche Welt der gepanzerten Sonderschutzfahrzeuge fasziniert, weil sie auf der einen Seite mit Panzerstahl, zentimeterdicken Scheiben, speziellen PAX-Reifen und sogar Sauerstoffsystemen sowie Feuerlöschanlagen umfangreich vor Sprengsätzen und Projektilen schützen. Auf der anderen Seite wiegen X5 und 7er Protection zwischen 3,3 und 4,4 Tonnen – und trotzdem gelingt es den Ingenieuren, eine sehr ordentliche Fahrbarkeit zu erhalten. Eher unangenehm nur, wenn man auf solche gepanzerten Autos tatsächlich angewiesen ist.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten