E-Pick-up-Hersteller Lordstown Motors ist pleite
Wirtschafts-Thriller endet unrühmlich

Der E-Pick-up-Hersteller ist wohl endgültig pleite. Es werden bereits die noch verbliebenen Vermögenswerte verschachert – ausgerechnet an den Firmengründer, der für einen Großteil des Schlamassels verantwortlich ist.

03/2021, Lordstown Endurance Werk Ohio
Foto: Lordstown Motors

Wie tief ein Unternehmen gesunken ist, lässt sich meist an dessen Aktienkurs ablesen. Zum Beispiel bei Lordstown Motors: Das 2018 gegründete Start-up, das einen elektrisch angetriebenen Pick-up bauen wollte, legte im Oktober 2020 seinen Börsengang hin. Anfangs entwickelte sich der Kurs positiv: Der Ausgabepreis von 19,32 Dollar (aktuell umgerechnet etwa 18,45 Euro) stieg im folgenden halben Jahr bis auf 30,75 Dollar (29,37 Euro). Doch dann folgten Skandale sowie Pleiten, Pech und Pannen. Der Aktienkurs Anfang Oktober 2023, also nur drei Jahre später: gerade einmal 1,43 Dollar. Man muss den Betrag nicht in Euro umrechnen, um zu wissen: Das ist verdammt wenig!

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Die jüngsten Nachrichten rund um den E-Pick-up-Hersteller dürfte den Aktienkurs nicht gerade pushen. Im Gegenteil: Sie legen die endgültige Pleite von Lordstown Motors nahe. Einem Dokument der US-Börsenaufsicht SEC zufolge plant das Unternehmen, seine restlichen Vermögenswerte zu verkaufen. Es gibt demnach sogar einen Interessenten: Die Investmentfirma LAS Capital, hinter der alte Bekannte stecken: Steve Burns, einst Gründer von Lordstown Motors und eines weiteren Herstellers von elektrisch angetriebenen Nutzfahrzeugen (Workhorse Group), sowie Julio Rodriguez, der früher Finanzvorstand bei Lordstown war. LAS Capital soll sich bereiterklärt haben, die verbliebenen Vermögenswerte für zehn Millionen Dollar (9,55 Millionen Euro) zu erwerben.

Lordstown – eine unrühmliche Geschichte

Die Geschichte von Lordstown war von Beginn an von Störgeräuschen und Ungereimtheiten begleitet. Viel Kritik entzündete sich anfangs an Burns und dessen vorigem Engagement bei Workhorse. Diese Firma verließ er nämlich unter dubiosen Umständen. Und zwar mit einigen Patenten im Gepäck, die er Workhorse für wenig Geld abgekauft hatte. Das geistige Eigentum wollte er für einen Elektro-Pick-up nutzen, den seine neu gegründete Firma Lordstown bauen sollte.

Es schien sich alles zu fügen für Burns und Lordstown: General Motors wollte sein Autowerk in der gleichnamigen Stadt loswerden; da kam Burns mit seinen E-Pick-up-Plänen gerade recht. Nun hatten auch die dort beschäftigten GM-Angestellten wieder eine Perspektive: Sobald die Fabrik voll hochgefahren ist, sollten mit 4.000 bis 5.000 Mitarbeitern bis zu 60.000 Elektro-Pick-ups pro Jahr entstehen, hieß es 2019. Der damalige US-Präsident Donald Trump sprang nur zu gerne auf den Populismus-Zug auf. Er besuchte nicht nur medienwirksam das Lordstown-Werk, sondern versprach zudem hohe Fördergelder. Dann legte Lordstown, wie erwähnt, einen recht erfolgreichen Börsengang hin – zumindest für etwa ein halbes Jahr.

Shortseller-Attacke von Hindenburg Research

Auftritt Hindenburg Research: Im März 2021 ritt das Investment-Unternehmen aus New York, das mit Nikola bereits einen anderen Elektroauto-Hersteller in eine schwere Existenzkrise stürzte, eine Shortseller-Attacke gegen Lordstown Motors. Begleitet von harten Vorwürfen des unlauteren Wettbewerbs und der Investorentäuschung wettete Hindenburg Research auf fallende Aktienkurse des Start-ups. Ein sehr umstrittenes Instrument am Wertpapiermarkt, mit dem aber immer wieder Missstände bei Unternehmen aufgedeckt werden – so auch bei Lordstown.

Die zentralen Vorwürfe kurz zusammengefasst: Lordstown soll nicht nur geschönte Bestellzahlen veröffentlicht, sondern sogar Aufträge gefälscht haben. Viele von ihnen stammten offenbar von Briefkastenfirmen, Beratungsagenturen oder Kleinbetrieben, die überhaupt keine entsprechend großen Flotten betreiben und angeblich dafür bezahlt wurden, bei Lordstown Bestellungen zu platzieren. Und anders als seinerzeit schon behauptet, soll der Autobauer zu diesem Zeitpunkt über "kein verkaufsfähiges Produkt" verfügt haben. So sei keine Testreihe zufriedenstellend abgeschlossen worden und ein Prototyp sogar kurz nach Fahrtbeginn in Flammen aufgegangen. Und überhaupt sei es ein schlechtes Zeichen gewesen, dass viele Führungskräfte direkt nach dem Börsengang im Oktober 2020 ihre Anteile abgestoßen hatten.

Neue Männer an der Spitze

Hindenburg Research stach offenbar in ein Wespennest – immerhin nahm auch die SEC Ermittlungen auf – und Lordstown geriet in eine Abwärtsspirale, die in Rekordzeit an Tempo aufnahm. Im Juni 2021 mussten Burns und Rodriguez bei Lordstown Abschied nehmen. Ihnen folgte mit Daniel A. Ninivaggi ein Manager an der Spitze des Unternehmens, der schon mehrfach Führungspositionen in der Automobil- und Transportbranche bekleidete. Doch auch er gab die operative Verantwortung schnell ab und wechselte auf einen Posten, der in etwa mit dem eines Aufsichtsratsvorsitzenden zu vergleichen ist. Als Geschäftsführer ist seit Sommer 2022 Edward T. Hightower an Bord; ein Veteran der Automobilindustrie, der die meisten seiner 30 Jahre in der Branche bei Ford, BMW und General Motors verbracht hat.

07/2022, Lordstown Endurance mit CEO Edward T. Hightower
Lordstown Motors
Mit Edward T. Hightower übernahm ein Veteran der Automobilindustrie die operative Verantwortung bei Lordstown Motors.

Doch weder Ninivaggi noch Hightower schafften es daraufhin, die Produktion des ursprünglich für September 2021 angekündigten Endurance vernünftig aufzugleisen. Wenig hilfreich war freilich, dass sich Lordstown kontinuierlich in Geldnot befand. General Motors, das nach dem Verkauf seines Werks an das Start-up "als Geste des guten Willens" knapp fünf Prozent der Lordstown-Anteile übernahm, hatte diese schnell abgestoßen. Dafür kam ein neuer Investor an Bord, sogar ein namhafter: Foxconn, das eigentlich Hon Hai Precision Inc. Co., Ltd. heißt und unter anderem als Auftragsfertiger des Apple iPhone bekannt ist. Die Taiwanesen sind inzwischen selbst ein Autohersteller. Unter dem Markennamen Foxtron wollen sie bald ein erstes Elektroauto auf den Markt bringen und ihr Portfolio schnell ausbauen. Zudem führt Foxconn das Mobility-in-Harmony-Konsortium an, das eine offene Entwicklungs-Plattform für Elektrofahrzeuge aufsetzt.

Lordstown verkaufte Werk an Foxconn

Um frisches Geld einzusammeln, hatte Lordstown sein Werk in der gleichnamigen Stadt schnell an Foxconn verkauft, war also nur noch Mieter im eigenen Hause. Daraufhin vereinbarten die Partner, dass nicht Lordstown selbst den Endurance bauen sollte, sondern Foxconn als Auftragsfertiger. Zudem soll von 2024 an in Lordstown ebenfalls der Elektro-Kleinwagen Pear des weiteren Foxconn-Partners Fisker gebaut werden. Obendrein war das durch den Fabrikverkauf an Foxconn eingenommene Geld schnell weg, weshalb es hieß, dass die Taiwanesen immer weiteres Kapital zuschießen und dabei immer mehr Firmenanteile von Lordstown übernommen haben.

Zur erfolgreichen Markteinführung des Endurance führte das jedoch nicht. An diesem dokterten die Amerikaner immer weiter herum. Nach vielen Verzögerungen nahm Lordstown im vierten Quartal 2022 endlich die Serienproduktion auf – nur um sie Ende Februar 2023 wieder zu pausieren. Bis dahin wurden 40 Autos gefertigt, von denen nur sechs verkauft wurden. Doch diese wiesen derart große Qualitätsprobleme auf, dass sich Lordstown gezwungen sah, den Reset-Knopf zu drücken. Alle in Kundenhand befindlichen Fahrzeuge wurden zurückgerufen; für die künftigen Endurance-Exemplare standen daraufhin umfassende Konstruktionsänderungen, Nachrüstungen und Software-Updates an.

Insolvenz und Klage gegen Foxconn

Je mehr Geld Foxconn in Lordstown pumpte, umso mehr eigene Leute entsandte der Tech-Riese in die Führungsgremien von Lordstown und übte verstärkt Einfluss aus. Auf dem vorläufigen Höhepunkt dieses Wirtschafts-Thrillers hatte Lordstown Ende Juni 2023 Insolvenz beantragt und gleichzeitig eine Klage gegen Foxconn eingereicht. Wie das Unternehmen damals mitteilte, hatte sich Foxconn nicht an die vertraglichen Absprachen gehalten und zu langsam Lordstown-Firmenanteile übernommen. Zu diesem Zeitpunkt habe der taiwanesische Konzern lediglich etwa acht Prozent besessen und dafür 52,7 Millionen Dollar (ungefähr 50,3 Millionen Euro) gezahlt. Es sei jedoch vereinbart gewesen, dass 20 Prozent der Lordstown-Anteile für 170 Millionen Dollar (gut 162,3 Millionen Euro) an Foxconn gehen. Der Investor soll zuvor sogar angekündigt haben, die Übernahme nicht abschließen zu wollen, also den Geldfluss einzustellen.

Inzwischen sind offensichtlich auch die letzten finanziellen Reserven bei Lordstown aufgebraucht. Dabei plante die im US-Bundesstaat Ohio ansässige Firma noch im März 2023 beharrlich ihre Zukunft, in der sogar neue Modelle eine Rolle spielten. Die Mobility-in-Harmony-Plattform – zumindest "Schlüsselkomponenten und Subsysteme" – sowie weiteres Kapital von Foxconn wollte Lordstown für sein nächstes Auto nutzen. Welchem Segment dieses Modell angehören und wann es auf den Markt kommen sollte, verrieten die Amerikaner damals nicht. US-Medien behaupteten, dass es sich dabei ebenfalls um ein Nutzfahrzeug handeln sollte. Doch dessen Zukunft scheint bereits Vergangenheit zu sein – genau wie jene des Elektro-Pick-ups Endurance.

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Fazit

Das war's wohl endgültig für Lordstown Motors: Nach wenigen Aufs und vielen Abs (mit der Shortseller-Attacke als Tiefpunkt) scheint das Start-up, das einen Elektro-Pick-up bauen wollte, bald schon Geschichte zu sein. Das Werk gehört inzwischen Foxconn; darüber hinaus scheinen die Taiwanesen keine weiteren Pläne mit Lordstown zu verfolgen. So kommt es, dass nun noch die wenigen verbliebenen Vermögenswerte verschachert werden. Ironischerweise wohl ausgerechnet an den einstigen Firmengründer Steve Burns, der mit fragwürdigen Geschäftspraktiken das ganze Drama erst ausgelöst hatte.