Stellantis-CEO Carlos Tavares im Interview
Deutschland zu teuer, Opel-Werke nur Durchschnitt

Stellantis-Chef Carlos Tavares spricht in einem aktuellen Interview Klartext. Er sieht Opel und Europas Autoindustrie insgesamt in akuter Gefahr. Deutschland als Produktionsstandort habe zudem ein massives Handicap.

Carlos Tavares Stellantis
Foto: Stellantis

Carlos Tavares ist für Interviewer ein Glücksfall. Der 1958 geborene Portugiese, seit 2014 Chef bei PSA und seit 2021 bei Stellantis, ist mit knackigen Statements selten sparsam. So auch in einem aktuellen Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS), in dem der Stellantis-CEO in Deutschland einen massiven Standortnachteil und die EU insgesamt als zu verschlafen gegenüber künftigen Herausforderungen kritisiert.

Im vergangenen Jahr 2022 war Tavares mit Opel hart ins Gericht gegangen. Der deutschen Traditionsmarke, seit 2017 Teil des PSA- und späteren Stellantis-Konzerns, attestierte Tavares damals mangelnde Qualität. Selbst chinesische Hersteller bauten bessere Autos, so der Manager seinerzeit. Im aktuellen Interview mit der FAS gibt Tavares, immerhin, in dieser Hinsicht Entwarnung. Zumindest ein bisschen. "Die deutschen Opel-Werke haben sich sehr stark verbessert", zitiert die Zeitung den Portugiesen.

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Opel jetzt im Qualitäts-Mittelfeld

Während das Opel Stammwerk in Rüsselsheim laut Tavares im vergangenen Jahr die schwächste Bewertung der drei deutschen Opelwerke aufwies und "in den unteren 25 Prozent unserer Werke weltweit" lag, habe sich die hessische Autofabrik nun ins Mittelfeld des Stellantis-internen Qualitätsrankings vorgearbeitet. Damit sei auch die Zukunft des Rüsselsheimer Werks "mittelfristig sicher", so Tavares. Bei den Gewinnmargen spiele Opel inzwischen auf dem Level der besten europäischen Stellantis-Marken.

Carlos Tavares und Emmanuel Macron
Stellantis Europe
Auf dem Autosalon in Paris 2022 kündigte Carlos Tavares an, dass sich Stellantis mittelfristig aus der Produktion in China zurückziehen und stattdessen in Indien investieren werde.

Für die nach starkem Stellenabbau in den vergangenen Jahren auf rund 9.000 Mitarbeiter geschrumpfte Opel-Belegschaft in Rüsselsheim ist das jedoch noch längst keine Zukunftsgarantie. "Können Sie mir irgendwas nennen, das heute in dieser Welt sicher ist? Aus meiner Sicht ist derzeit die gesamte europäische Autoindustrie gefährdet", zitiert die FAS den Automanager. Auch mit der Opel-Produktqualität insgesamt ist der Portugiese nur so mittel zufrieden: "Durchschnittlich zu sein ist sicher nicht gut genug für Deutschland. Natürlich sollten unsere deutschen Werke zu den obersten 25 Prozent von Stellantis gehören."

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Deutschland teuerster Standort der Welt

Das Hauptproblem sieht Tavares jedoch an ganz anderer Stelle und nimmt damit vor allem die aktuelle deutsche Ampel-Regierung ins Visier: Deutschland als Produktionsstandort sei schlicht viel zu teuer. "Deutschland ist derzeit der teuerste Ort der Welt, um Autos herzustellen." An den deutschen Standorten seien die Herstellungskosten viermal höher als in Süd- und Osteuropa. "Zwar ist auch die Arbeitsproduktivität höher, aber eben nicht viermal so hoch wie in anderen europäischen Ländern", so Tavares in der FAS.

Doch nicht nur die unter anderem aufgrund der Energiepreise explodierten Kosten in Deutschland sieht Tavares als Zukunftsproblem. Er sieht die gesamte europäische Autoindustrie in Gefahr, durch den unreglementierten Zugang zum EU-Markt für chinesische Autohersteller unter die Räder zu kommen. Zwar sei der aktuelle Anteil chinesischer Hersteller am europäischen Automarkt noch gering. Doch wachse dieser exponentiell und könne sich bereits 2025 auf 15 Prozent verdreifachen.

"Knallharter Preiskampf" kommt

"Ich mache mir Sorgen um den Import chinesischer Autos nach Europa – ein Markt, der den chinesischen Herstellern völlig offensteht. Meine Sorge ist: Bis die Europäische Union das Problem erkennt, wird es zu spät sein", so Tavares im Interview. Er prophezeit einen knallharten Preiskampf der chinesischen Anbieter, den die europäische Autoindustrie auf eigenem Boden verlieren könnte. Zu China hat Tavares ohnehin ein ambivalentes Verhältnis. Auf dem 2022er Autosalon in Paris hatte Tavares den Rückzug von Stellantis aus der Produktion in China angekündigt.

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Fazit

Nach deutlicher Kritik an der Produktionsqualität bei Opel in der Vergangenheit sieht Stellantis-CEO Carlos Tavares den deutschen Traditionshersteller inzwischen positiver und die Zukunft des Standorts in Rüsselsheim "mittelfristig" gesichert. In einem Interview warnt der Konzernchef jedoch vor einem massiven, existenzbedrohenden Angriff der chinesischen Automarken auf den europäischen Markt und kritisiert die Produktionskosten in Deutschland als die teuersten weltweit.