Grobe Auswertungsfehler von US-Behörde
Mehr Unfälle durch Teslas Spurhalteassistent?

Die US-Verkehrssicherheitsbehörde (NHTSA) berechnete anhand von Hersteller-Fahrdaten, dass die Unfallhäufigkeit bei Teslas mit aktiviertem Spurhalte-Assistenten (Autosteer) um 40 Prozent zurückgegangen ist. Ein unabhängiger Statistiker hingegen kam jetzt zu dem Ergebnis: Teslas mit Autosteer hatten erheblich mehr statt weniger Unfälle.

Tesla Model S Small Overlap Crashtest IIHS 2017
Foto: IIHS

Autosteer ist Teslas Spurhalte-Assistent, der auch Teil des irreführend „Autopilot“ genannten Level-2-Assistenzpaketes ist (vollautonomes Fahren wäre Level 5). Im Juni 2016 raste ein Tesla Model S im Autopilot-Modus seitlich in den Auflieger eines Sattelzuges, weil das System den Anhänger als Verkehrsschild einordnete. Der Tesla-Fahrer war sofort tot, infolge des Unfalls leitete die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) eine Untersuchung des Crashs und anderer mit dem sogenannten Autopilot zusammenhängender Vorgänge ein. Teil der Untersuchung war auch eine statistische Analyse der Unfallzahlen von Tesla Model S und Model X. Dabei ging es darum, wie oft bei diesen Modellen die Airbags vor und nach der Installation von Autosteer auslösten. Laut einem Bericht von Heise online hat sich die NHTSA bei ihrer Auswertung massiv verrechnet.

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Nach der NHTSA sind die Airbag-Auslösungen mit aktiviertem Spurhalte-Assistent um 40 Prozent zurückgegangen. Eine neuerliche Auswertung der Daten durch den Statistiker Randy Whitfield legt allerdings nahe, dass die Auslösungen um 59 Prozent zugenommen haben. Whitfields Firma Quality Control Systems Corporation (QCS) wollte ebenfalls die von Tesla an die NHTSA gelieferten Daten haben. Da die Behörde die Herausgabe der Daten verweigerte, musste QCS erstmal klagen – nach einem 1,5 Jahre dauernden Verfahren gab die Behörde die Daten heraus. QCS wertete die Daten selber aus und erkannte schnell, dass die meisten von Tesla gelieferten Daten unvollständig waren. Laut Heise online war nur bei 5.714 von 43.781 Fahrzeugen ersichtlich, wann Autosteer installiert wurde und wie viele Meilen vor und nach der Installation zurückgelegt wurden. In der 5.714 Fahrzeuge umfassenden Gruppe mit vollständigem Datensatz gingen die Airbag-Auslösungen um die bereits genannten 59 Prozent nach oben.

Fahrzeuge mit negativer Laufleistung

Die NHTSA hingegen bezog auch die unvollständigen Datensätze in ihre Berechnungen mit ein. So gab es beispielsweise 15.000 Fahrzeuge, für die Tesla weder einen Kilometerstand vor oder nach der Installation des Assistenz-Systems bekannt gab. Diese wurden kurzerhand als „mit Autosteer geliefert“ in der Statistik aufgenommen – allerdings gab es bei dreien dieser Fahrzeuge bereits eine Airbag-Auslösung vor der Spurhalte-Assistenten-Installation. Mit anderen Worten: Die Autos hätten bereits vor der Auslieferung einen Unfall haben müssen.

Bei 14.000 weiteren Fahrzeugen ging die NHTSA davon aus, dass sie null Meilen gefahren waren – trotz 15 Airbag-Auslösungen. Die Krönung: Die Behörde bezog auch noch elf Teslas mit einer negativen Fahrleistung, also einem Meilenstand von unter null, in ihre Berechnungen mit ein.

Datenanalyse: Höhere Unfallgefahr mit Autosteer

Die reine Datenanalyse legt eine massive Erhöhung der Unfallgefahr nach Installation von Autosteer nahe. Allerdings lässt sich aus den Daten nicht schließen, welche Faktoren dafür verantwortlich sind. QCS weist auch darauf hin, dass selbst die vollständigen Datensätze nur eine bedingte Aussagekraft haben. Schließlich kämen die Daten von Tesla selbst und aus ihnen sei nicht ersichtlich, bei welchem Kilometerstand der Airbag ausgelöst hat – nach Unfall und Reparatur gefahrene Kilometer verfälschen hier möglicherweise das Ergebnis. Außerdem sei es nicht bekannt, ob Autosteer beim Unfall überhaupt aktiv war. QCS bemängelt ebenfalls, dass die Daten von Model S und Model X, die nicht mit Autosteer ausgerüstet waren, fehlen. Diese Gruppe von Fahrzeugen hätte als Kontroll- und Vergleichsgruppe dienen können.

Auf Nachfrage von Heise online nahm Tesla nicht zu den Auswertungen von QSC Stellung. Der amerikanische Hersteller äußerte lediglich seine Meinung, dass der Autopilot die Beanspruchung des Fahrers reduziere und eine zusätzliche Sicherheit böte. Zudem verweist Tesla auf seine vierteljährlich veröffentlichten Statistiken, nach denen Fahrten mit aktiviertem Autopiloten zu weniger Unfällen pro gefahrener Meile führen als bei nicht aktiviertem Autopiloten, dessen Teil Autosteer ist. Schwere Unfälle unter einer möglichen Beteiligung des Tesla-Autopoliten schlagen in den Medien regelmäßig hohe Wellen – so wie beispielsweise ein tödlicher Unfall mit einem Model X im März 2018.

NHTSA verbot Teslas Autopilot-Buddy

Wie es zu den unsauberen Auswertungen der NHTSA kommen konnte, ist aktuell nicht bekannt. Die Behörde gilt als neutral und ausschließlich der Verkehrssicherheit verpflichtet. Tesla hat mit der NHTSA bereits schlechte Erfahrungen gemacht: Hält der Fahrer bei aktiviertem Autopilot nicht seine Hände am Lenkrad, erfolgt eine Reihe von Warnungen – schließlich ist das System für vollautonomes Fahren vollkommen ungeeignet. Trotzdem baute Tesla eine Möglichkeit ein, diese Warnungen zu deaktivieren – das System nannte sich Autopilot-Buddy. Wegen der Umgehung von Sicherheitstechniken hat die NHTSA den Autopilot-Buddy im Juni 2018 verboten.

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