Produktion des Elektro-Pick-ups stockt
Cybertruck manövriert Tesla in die „Batterie-Hölle“

Tesla kann aktuell nur etwa ein Zehntel der geplanten Cybertrucks bauen. Grund ist eine Eigenheit beim Akku, die bisher nur der Elektro-Pick-up aus Texas aufweist.

Tesla Cybertruck Elektro-Pick-up Premiere
Foto: Tesla

Tesla-Chef Elon Musk gehört nicht gerade zu den besonders eloquenten Führungspersönlichkeiten der internationalen Wirtschaft. Doch ein paar Bonmots hat der Tesla-Chef in der Vergangenheit geliefert. Als es darum ging, den von ihm geleiteten Elektro-Pionier von einer Quasi-Manufaktur-Produktion in eine seriöse Serienfertigung zu überführen und dabei massive Probleme auftraten, gab Musk 2017 zu: "Wir stecken tief in der Produktions-Hölle". Etwa ein Jahr später, als viele Kundinnen und Kunden übermäßig lange auf ein Model 3 warten mussten, twitterte er, dass Tesla direkt "von der Produktions-Hölle in die Auslieferungs-Logistik-Hölle" gegangen sei.

Der große E-Ratgeber

Analog dazu betritt Tesla gerade die "Batterie-Hölle", und die Auswirkungen könnten sich für den E-Auto-Hersteller ähnlich gravierend darstellen wie die beiden zuvor absolvierten Trips Richtung Verdammnisort. Denn diesmal führt ein Problem bei den Akkus dazu, dass die Produktion des Hoffnungsträgers Cybertruck sehr schleppend anläuft. Dabei kam die Serienversion des futuristisch gestalteten Elektro-Pick-ups ohnehin schon mit zwei Jahren Verspätung auf den Markt – und musste in dieser Zeit den Markt einigen anderen Konkurrenten wie dem Ford F-150 Lightning, dem Rivian R1T oder dem GMC Hummer EV überlassen.

Trocken- statt Nassbeschichtung

Als besonders bitter dürfte Musk die Tatsache empfinden, dass das aktuelle Batterie-Problem hausgemacht ist. Mal wieder führt eine Eigenheit, mit der Tesla seinen Status als Hightech-Treiber in der Autoindustrie untermauern (und natürlich langfristig Geld sparen) wollte, zu Verzögerungen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, bleibt es nicht aus, kurz in die Hölle hinabzusteigen, für die viele von uns zu Schulzeiten den Chemieunterricht hielten. Tesla installiert im Cybertruck seine neuen 4680-Batteriezellen (Schätzungen zufolge sind es 1.360 Exemplare pro Stück), die sich durch eine Eigenheit auszeichnen: Ihre Elektroden werden in einem speziellen Verfahren nicht nass, sondern trocken beschichtet.

Wie Insider der Nachrichtenagentur Reuters verraten haben, sei das bei den Anoden kein Problem. Doch Tesla scheint derzeit große Probleme zu haben, die Technik auch bei der Kathode im industriellen Maßstab anzuwenden. Das führe unter anderem zu einem stark erhöhten Ausschuss. Zwischenzeitlich sollen etwa 30 bis 50 Prozent aller produzierten 4680-Zellen bei Tesla weggeworfen worden sein. Inzwischen konnte die Quote wohl auf zehn bis 20 Prozent reduziert werden. Auf funktionierenden Produktionslinien für Akkuzellen betrage der Ausschuss jedoch nur etwa fünf Prozent.

"Großer Klumpen klebrigen Durcheinanders"

Die größte Schwierigkeit bestehe darin, die Rohstoffe wie Lithium, Mangan und Nickel mit einem Bindemittel zu mischen und dann auf eine Metallfolie aufzubringen, ohne Feuchtigkeit zu verwenden. Dies sei in kleinem Maßstab problemlos machbar. Aber in industriellen Dimensionen erzeugt das Verfahren eine zu große Hitze, wodurch erst das Bindemittel schmilzt und dann ein "großer Klumpen klebrigen Durcheinanders" (O-Ton Reuters-Quelle) entstehe. Ähnlich kompliziert sei es, für die bei dieser Methode verwendeten Walzen, den zur Beschichtung notwendigen Druck gleichmäßig auf die Stoffe zu übertragen.

Dabei hatte es Tesla eingeführt, um damit nicht nur das Leistungsvermögen der Batterie zu verbessern, sondern ebenso ihre Produktion zu beschleunigen und verbilligen. Tatsächlich werden Reuters zufolge in der Gigafactory Texas, der Produktionsstätte sowohl des Cybertrucks als auch seiner Batterien samt Zellen, die Akkus derzeit in einer Geschwindigkeit gefertigt, die lediglich ausreicht, um etwa 24.000 Autos pro Jahr damit zu bestücken. Wir erinnern uns: Musk gab im Oktober an, dass etwa 250.000 Cybertruck-Exemplare im Jahr gefertigt werden sollen, sobald die Montage auf Hochtouren läuft – der Tesla-Chef visierte dafür das Jahr 2025 an. Bedeutet: Wenn das Problem mit den Akku-Kathoden weiterhin besteht, schafft Tesla vorerst nicht einmal ein Zehntel seines eigenen Produktionsziels.

Erst "Code knacken", dann exponentielles Wachstum

Noch sind die Sorgen mit den Kathoden der 4680er-Batteriezellen ein Cybertruck-Problem. Da sie Tesla jedoch auch in den anderen Modellen des Portfolios einführen will, könnten sich daraus perspektivisch noch umfassendere Schwierigkeiten entwickeln. Den von Reuters zitierten Insidern zufolge komme es darauf an, wann Tesla einen "Code knackt". Sobald die notwendige Stabilität erreicht sei, gehe es exponentiell bergauf. Wie Tesla-Batteriechef Drew Baglino im Oktober verriet, fertigt der Hersteller seine 4680er-Zellen anfangs auf zwei Produktionslinien. Bis Ende 2024 soll deren Anzahl auf acht wachsen. Damit sich das lohnt, sollte der Code bis dahin möglichst geknackt sein.

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Fazit

Tesla hatte wahrlich viele Probleme lösen müssen in seiner noch jungen Geschichte – bisher ist das den Amerikanern stets gelungen. Insofern ist es naheliegend, dass Tesla irgendwann den Weg aus der Batteriehölle findet, so wie das Unternehmen zuvor auch die Produktions- und Auslieferungshölle hinter sich lassen konnte.

In der Haut der ersten Cybertruck-Käuferinnen und -Käufer möchte man dagegen nicht stecken. Denn wie die Reuters-Quellen ebenfalls verraten, sei Teslas Qualitätssicherung noch nicht zuverlässig in der Lage, fehlerhaft beschichtete Kathoden zu identifizieren. Was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass früh ausgelieferte Cybertrucks möglicherweise mit defekten Batterien unterwegs sind. Womit zu hoffen ist, dass die Batteriehölle nur ein sprachliches Bild bleibt und für die Besitzerinnen und Besitzer nicht zur Realität wird.