UDV-Studie zum Verkehrsklima 2020 in Deutschland
Faaaaahr doch!!!!!

Die Unfallforschung der Versicherer hat eine neue Studie veröffentlicht. Darin geht es um das Verkehrsklima in Deutschland. Und das ist ziemlich aggressiv.

Aggression Straßenverkehr Studie
Foto: Audi / Andrea Piaqcuadio / Patrick Lang

Hand auf's Herz: Den Satz in der Überschrift haben wir doch alle schonmal über das Lenkrad gebrüllt. Wenn Sie sich in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis umschauen, dann fallen Ihnen sicher einige Personen ein, die im Straßenverkehr eine deutlich kürzere Zündschnur haben, als abseits des Asphalts. Vielleicht reicht auch ein Blick in den Spiegel.

Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat nun eine Studie zum Verkehrsklima in Deutschland publiziert, die sich zu vorangegangenen Erkenntnissen aus den Jahren 2010 und 2016 ins Verhältnis setzen lässt. Für die repräsentative Umfrage wurden bundesweit 2.080 Verkehrsteilnehmer ab 18 Jahren online und per Telefon interviewt. Die Befragung erstreckt sich über einen Zeitraum von September 2019 bis Mitte 2020 und wirft auch ein Schlaglicht auf die besondere Situation während der Corona-Krise. So fühlen sich die Deutschen im Straßenverkehr zwar sicherer, weil sich der Aufkommen durch Homeoffice, Homeschooling und Kurzarbeit reduziert hat. Gleichzeitig wird aber auch eine deutliche Steigerung der Aggressivität und des zu schnellen Fahrens wahrgenommen.

Unsere Highlights
Studie Aggression im Straßenverkehr UDV 2020
UDV, Verkehrsklima in Deutschland 2020
Den Umfrageergebnissen zu Folge, hat sich die Situation auf den Straßen seit der Corona-Pandemie verschlechtert.

Inakzeptables Verhalten

"Mit der Aggression im Straßenverkehr wird es nicht besser, einige Werte haben sich sogar erheblilch verschlechtert. In der Studie sind das nur Zahlen, doch im echten Leben sprechen wir hier über Verhaltensweisen, die allesamt nicht akzeptabel sind", resümiert UDV-Leiter Siegfried Brockmann. Aggressives Verhalten steht laut der Umfrage nach zu geringem Sicherheitsabstand, zu schnellem Fahren und Smartphone-Nutzung am Steuer auf dem vierten Platz der größten Risikofaktoren im Straßenverkehr. So hat die Zahl vermeintlich kleiner Gemeinheiten wie etwa dem Tritt auf die Bremse um den dicht auffahrenden Hintermann zurecht zu weisen, im Vergleich zu 2016 wieder zugenommen. Diese kleinen Zwischenfälle sind es jedoch, die sich aufstauen und aufschaukeln, bis sie sich in Stresssituationen in Aggression entladen.

Interessant ist die in der Studie deutlich sichtbare Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. So beobachten die Befragten verschiedene Rüpeleien wie Drängeln ständig, geben allerdings mehrheitlich an, selbst nicht so zu agieren. Frei nach dem Motto "Es ist nicht ein Geisterfahrer, das sind hunderte", fällt es häufig schwer, eigenes Fehlverhalten einzugestehen, weil man üblicherweise eine vermeintlich gute Rechtfertigung für sich parat hat. "Wir beißen da wirklich auf Granit, weil die Leute ihre Fehler oft nicht einsehen. Der Erfolg gibt ihnen leider recht, denn im Schnitt kommt auf 800 Verstöße nur eine geahndete Auffälligkeit", erklärt Brockmann, doch er hat auch eine Idee, wie man diesem Umstand begegnen könnte.

Blitzerfoto mit Mittelfinger
Polizei Oberfranken
Manche gestehen sich Fehlverhalten selbst nicht ein, anderen ist es schlichtweg egal.

Bußgeld runter, Punkte rauf

Dafür müsse man in Flensburg nachjustieren. Die Bußgelder könnten runtergeschraubt , die Bepunktung aber geschärft und im Zweifel auch schneller ein Fahrverbot ausgesprochen werden. Diese Vorgehensweise hält der UDV-Leiter für wirksamer: "Wir hätten so auch für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt, denn 100 Euro Bußgeld sind für den einen Peanuts, und für den anderen das Kapital eines ganzen Monats. Bei Fahrverboten sind die Leute dagegen gleich empfindlich." Dass es die moderne Technik in zeitgenössischen Autos richten kann, glaube er dagegen nicht.

Wenn die Verkehrszeichenerkennung ein blinkendes Schild ins Display spielt, weil die Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten wird, oder der Abstandsmesser durch Piepsen ein zu dichtes Auffahren anmahnt, dann werden diese "Störenfriede" kurzerhand abgestellt. "Helfen könnte hier ein haptisches Feedback, wie etwa ein stärkerer Widerstand im Pedal. Da vieles heute 'by wire' gesteuert wird, ließe sich das recht unkompliziert in die Fahrzeugarchitektur implementieren", schlägt Brockmann vor, doch die Hersteller wollen da aktuell noch nicht mitspielen.

Studie Aggression im Straßenverkehr UDV 2020
UDV, Verkehrsklima in Deutschland 2020
Fakt ist: Während der Fahrt gehört das Handy weggepackt.

So ist mit einer Veränderung der Situation vorerst nicht zu rechnen. Auch wenn die Befragten mehrheitlich angeben, brave Verkehrsteilnehmer zu sein, machen Sie doch mal selbst den Feldversuch. Stellen Sie sich für 15 Minuten an eine viel befahrene Kreuzung und notieren Sie mal, wie viele Fahrer ein Smartphone in der Hand haben oder den Vordermann verfluchen (vielleicht weil er ein Smartphone in der Hand hat und deshalb die grüne Ampel übersieht). "Einen signifikanten Sprung werden wir wohl erst wieder machen, wenn das Fahren vollautomatisiert stattfindet, und der Mensch raus ist aus der Nummer", prognostiziert der UDV-Leiter, "doch davon sind wir Lichtjahre entfernt."

Fazit

Na, auch öfter mal zu dicht am Vordermann, auf der linken Spur gedrängelt oder beim Einfädeln geschnitten? Und dann erst diese Radfahrer – 1,5 Meter Abstand beim Überholen? Von wegen! Wenn Sie sich hier wiedererkennen, wird es Zeit, den Puls runterzufahren.